"Wir wollten, ganz banal, in erster Linie
eine Platte machen, die uns selbst gefällt!", verrieten die Mondscheiner im
Zuge der Veröffentlichung vom Album "Songs and Daughters" Robert Fischer im
ausführlichen Interview.
Trotz eines zweitägigen Interview-Marathons sind die fünf sympathischen Burschen von Mondscheiner immer noch bei bester Laune, als sie im gemütlichen Cafe Weidinger vis-á-vis der Lugner-City Robert Fischer Auskunft über ihr neues Album "Songs And Daughters" geben. Inmitten von Billardtischen und Kartenspielern verriet die Band außerdem noch, wie die neuen Songs im Studio zum Leben erweckt wurden, wie die Band-interne Demokratie funktioniert und warum der heimliche Sieger der Fußball-EM 2008 Holland heißt. Kulturwoche.at: Hallo, vorab eine Frage, die nichts mit Musik zu tun hat. Wie lautet das EM-Resümee der großen Fußball-Fans Mondscheiner? Manuel Rubey: Das ist eine sehr interessante Frage, wie viel Zeit hast du? (lacht) Boris Fiala: Ich war einmal in der Fanzone beim Rathaus, und da durfte ich, obwohl es zu regnen anfing, meinen Regenschirm nicht mit hinein nehmen. Musste mit dem Security deswegen herumstreiten und mich sooo geärgert. July Skone: Das was ich total schön fand, war dieser Sommer im Zeichen des Fußballs. Ich war mit Freunden Fußball spielen, im Prater auf der Jesuitenwiese, und während wir gespielt haben, mit vielen anderen Leuten, sind dann schon die ersten Fans zum Ernst-Happel-Stadion gezogen, und über uns ist der Hubschrauber gekreist. Das war irgendwie schön. Zusätzlich haben wir dann alle beschlossen, gemeinsam Fußball schauen zu gehen, nachdem wir das Match zu Ende gespielt hatten. Manuel: Für mich war's bitter, dass der holländische Fußball, der in der Vorrunde noch die Welt verzaubert hat, dann später wieder kläglich vorzeitig ausgeschieden ist. Ihr seid auch im Vorfeld der EM bei der Eröffnung der U2-Verlängerung zum Prater-Stadion live aufgetreten. Mir ist aufgefallen, dass ihr da, als ihr zu eurem Soundcheck auf die Bühne gekommen seid, so komisch verkleidet gewesen seid und Perücken getragen habt. Was hat's damit auf sich? Manuel: Super, dass das mal jemand auffällt! Stefan Laczkovics: Das sind doch nur unsere Roadies! (schmunzelt) Manuel: Nein, es ist so: Wir haben einen sehr ironischen Zugang zum Job an sich, und außerdem haben wir letzten Sommer viele Festivals gespielt, wo du an sich gar keinen richtigen Soundcheck hast, sondern nur so einen kurzen Line-Check. Und da ist es an sich lächerlich, wenn du zuerst auf die Bühne gehst, deine Instrumente einstöpselst, abgehst, und dann später unter Applaus wieder auf die Bühne gehst. Darum haben wir ein kleines privates Projekt aufgezogen, das mittlerweile schon ein ziemliches Eigenleben entwickelt hat und uns königlichen Spaß bereitet: Wir spielen unsere eigenen Roadies! Die haben auch eine eigene Band, spielen fast nur Covers, aber nur einen Song von Mondscheiner. Und das Ganze hat auch schon einen Namen: "Crazy Weirds"! Boris: Mein Roadie heißt Gilbert, das ist ein echt netter Kerl, mit dem war ich auch schon ein paar Mal nach dem Konzert ein Bier trinken. (schmunzelt) Okay, Themenwechsel. Welches Konzept steckt hinter eurer neuen CD "Songs & Daughters"? Manuel: Wir wollten uns rückbesinnen, auf das, was uns wichtig ist. Wir wollten, ganz banal, in erster Linie eine Platte machen, die uns selbst gefällt. Wenn was größer wird, beginnen immer mehr Menschen mitzureden, das ist manchmal gut und manchmal weniger gut, und deswegen war es für die Produktionsphase wichtig, äußere Einflüsse auszuschalten, einfach die Musik zu machen, die uns gerade entspricht, und das ist uns gelungen. Wie seid Ihr mit dem Erfolgsdruck, der nach dem Erfolg eures Major-Debüts "Dieser Tag" sicher da war, umgegangen? Andreas Hamza: Es gibt zweierlei Druck. Da ist einerseits der Druck von außen, man teilt ja den Kuchen auch mit anderen, die natürlich alle wollen, dass der Erfolg nicht abreißt und es einen nächsten Hit gibt etc. - doch wir haben es geschafft diesen Druck außen vor zu lassen. Der Druck, den man sich selbst macht, hat sich dadurch relativiert, dass im Prinzip trotz des ganzen Erfolgs des Debüts nicht soviel in die Kassa kommt, dass es sich auszahlen würde, seine Existenz dafür aufzugeben. Wir haben alle unsere Jobs, unsere Nebenprojekte, die es uns ermöglichen, das überhaupt zu machen. Daher kann man sagen, man vergisst jetzt einmal diesen Druck, unbedingt "oben" zu bleiben, oder sofort den nächsten Hit abzuliefern und macht in erster Linie etwas, auf das man persönlich stolz sein kann und das eine Bestandsaufnahme darstellt. Warum habt ihr mit Andreas seit kurzem ein fünftes Bandmitglied? Andreas: Ich bin jahrelang als Tontechniker am Mischpult bei Konzerten dabei gewesen, habe auch als Techniker bei der vorigen CD mitgearbeitet. Im Sommer hat sich die Band dann endgültig dazu entschieden, einen fünften Musiker an Bord zu holen, um ein bisschen flexibler zu werden mit den Instrumenten. Da ich selbst Musiker bin, habe ich Manuel gefragt, ob er mir mit ein paar Texten aushelfen kann. Die Ergebnisse meiner Arbeit damit haben dem Rest der Band sehr gut gefallen, ich habe dann das neue Album auch mitproduziert und so hat irgendwie eins zum anderen geführt. In welchem Zeitraum ist "Songs and Daugthers" entstanden? Stefan: Im Prinzip hat schon kurz nach der Veröffentlichung von Diese Stadt die Arbeit an dem neuem Album begonnen, es plätschert halt so dahin, man sammelt Ideen, schreibt Texte und irgendwann setzt man sich zusammen und macht eine Bestandsaufnahme. Ganz konkret haben wir dann Juni 2008 mit der Arbeit an Songs And Daughters begonnen und waren im Herbst fertig. Wie entstehen eure Songs normalerweise? Boris: Hauptsächlich machen wir das so, dass Manuel textet, und dann ein Büchlein zusammenstellt, mit allen möglichen Texten, und die anderen, die mehr für die Komposition zuständig sind, zuhause am Computer Ihre Ideen dazu erarbeiten. Gott sei Dank ist es dank der Technik ja mittlerweile kein Problem, dass man mit wenig Aufwand am PC wirklich Musik machen kann, die über Gitarre und Gesang hinausgeht. Wir haben Demo-Fragmente zusammengestellt, jeder arbeitet in "Heimarbeit" daran und dann später im Proberaum fügt man diese Teile zusammen. Kann man also sagen, die meisten Songs sind im Studio entstanden? Stefan: Studio ist halt so was Relatives, weil wir haben ja auf der CD auch unsere "Heimwerkstätten" großspurig als Studios ausgegeben. Natürlich hatten wir dann auch ein richtiges Studio zur Verfügung, aber diese beiden anderen Studios sind halt unsere "Heimproduktionsstätten". Aber das ist auch okay, weil letztendlich wird in der heutigen Zeit inzwischen viel Musik zuhause produziert, einfach weil es möglich ist. Alle Gesangsspuren sind z.B. in einem Wohnzimmer aufgenommen worden. Und bleiben euch dann während der Produktion viele Songs über, oder ist es so, dass alles, an dem ihr während dieser Zeit arbeitet, auch aufs Album kommt? Manuel: Genau, die besten Texte wurden musikalisch gar nicht umgesetzt! (lacht) - Nein, Spaß… Stefan: Ich glaube, es waren fast 30 Song-Fragmente, und Texte gibt's noch mehr… - teilweise halt sehr unfertige Sachen, aber 30 Ideen… - und dann geht man die Sache ganz demokratisch an, jeder bekommt Stimmzettel, und wir treffen eine Auswahl. Aber irgendwie muss man dann eine Wahl treffen, und wir sind dann unsere eigenen Zuhörer. Es kommen dann eben alle möglichen Vorschläge und wir sind die Konsumenten, die auswählen. Und diese Band-interne Demokratie bei der Songauswahl funktioniert? Stefan: Ja, halt so wie's bei den Grünen funktioniert! (alle lachen) Andreas: Sehr mühsam! (stöhnt) Boris: Es ist aber auch schon vorgekommen, dass Texte 2 bis 3 Jahre in der Lade vor sich hin schlummern, und werden erst dann wieder aufgegriffen. "Wie es geht" auf dem neuen Album ist z.B. ein sehr alter Text und auch "Mithilfe der Nacht" ist eine alte Nummer, die das Publikum irgendwie reingewählt hat. Wir spielen das Stück schon seit fünf Jahren, noch nie hat sie auf eine Platte gepasst, und es ist trotzdem die einzige Nummer, die unser Live-Publikum liebt, obwohl sie bis jetzt auf keiner Platte zu finden war. Andreas: Und wenn man merkt, dass bei dem Konzert ein bestimmter Song besonders gut ankommt, fragt man sich, warum man das Stück nicht schon längst auf CD hat. Ich finde es sehr schön, dass ihr bei den Texten im Booklet auch die "Extras" stehen gelassen habt. Also Wörter, die dann aus verschiedenen Gründen in der Endfassung der Liedtexte doch gestrichen wurden. Aber was hat es z.B. mit dem Untertitel "Auf Falco aufpassen" beim Song "Geschichten aus der Realität" auf sich? Manuel: Damit ist gemeint, dass es mir wichtig ist, trotz meiner Hauptrolle im Falco-Film Verdammt wir leben noch Falco jetzt wieder ruhen zu lassen und mich neuen Dingen zu widmen. Und da dieser Song irgendwie Rap-artig bzw. HipHop mäßig komponiert ist, bin ich bei den ersten Gesangsaufnahmen ein bisschen in den Falco-Duktus hineingefallen. Deshalb "auf Falco aufpassen!" Irgendwie wirkt die Rolle bei dir also doch noch ein wenig nach? Manuel: Ja natürlich, weil ich mich für den Film sehr intensiv mit Falco auseinander gesetzt habe, trotzdem ist das für mich schon seit längerer Zeit komplett abgeschlossen. Aber es wirkt so nach, wie jede wichtige Sache in deinem Leben. Andreas: Ich glaube, dass ist auch etwas bedingt durch die Medien, dass man in so einem Fall dann einfach ein bisschen Angst hat, auf diese Rolle festgenagelt zu werden. Deswegen das "Aufpassen". Man kommt in eine Situation, wo man möglichst niemand daran erinnern will oder jemand den Anlass geben, zu sagen: "Ja, jetzt macht er wieder den Falco". Noch kurz zum Album-Titel "Songs And Daughters". Sind damit eure eigenen Kinder gemeint? [Drei Bandmitglieder sind ja schon stolze Väter, Anm.] Manuel: Ja, das ist ein Titel ohne Meta-Ebene. Es ist das, was programmatisch über dem ganzen Produktionsprozess des Albums stand. Es geht um den Spagat zwischen Rock'n'Roll machen und eine Familie haben bzw. Vater zu sein. Andreas: Man kann sich einfach nicht mehr so verschwenden. Man muss auf sich besser aufpassen, weil's sich sonst einfach Energie-mäßig nicht ausgeht. Du kannst nicht an einem Abend nach der Show auf Teufel komm raus feiern, wenn du weißt, dass du am nächsten Tag Zeit mit deinen Kindern verbringen wirst. Das ist sowohl dir als auch den Kindern gegenüber nicht fair. Stefan: Ich finde ein Kind ist auch wie ein Spiegel. Alleine, wenn du sagst, das sind deine Gene drinnen und das wächst dann heran und du siehst an dem Kind Dinge, die du einfach nicht verleugnen kannst. Und vom eigenen Kind kann man Dinge auch gut nehmen, ich würde mich von einem Kind nie angegriffen fühlen, aber man muss sich halt auch damit auseinandersetzen. (lacht) Bitte noch eine Erklärung zu den künstlerischen Fotos im CD-Booklet? Und welche Projekte sind bei Mondscheiner in der nächsten Zeit abseits der Musik geplant? Manuel: Zuerst kommt einmal unsere Tour zum neuen Album, da sind 14 bis 15 Konzerte geplant. Wir haben dieses Jahr auch ein sehr Theater-intensives Jahr, wir machen zwei Produktionen. Beim Theatersommer in Haag spiele ich in "Cyrano de Bergerac" die Hauptrolle, und die Kollegen machen den Soundtrack. Dann machen wir noch ein Stück mit Alexander Kubelka am Landestheater Bregenz, den Titel darf ich noch nicht verraten. Und da die Band sowieso das Gefühl hat, dass sich wieder ein bisschen was ändern soll bzw. wir überhaupt gerne die Genres vermischen, haben wir für das CD-Booklet bildende Künstler aus unserem Umfeld beauftragt, für uns in den Fotos fünf bestimmte Gegenstände zu inszenieren. Sonst gab es keinerlei Vorgaben, wir haben uns also vom Ergebnis selbst ein wenig überraschen lassen und das soll auch ein bisschen symbolisch dafür sein, wo's hingehen wird. Genres mischen klingt gut. Kommt für dich, Manuel, auch einmal ein Solo-Album oder ein Album, auf dem du z.B. Gedichte liest, in Frage, um nicht im immer-gleichen zu erstarren? Manuel: Warum nicht? Wir haben das Gefühl die Band-Sache derzeit ein wenig ausgereizt zu haben. Haben viel live gespielt und das Land vom Osten nach Westen abgeklappert und es ist uns wichtig, in dem was wir tun, lebendig zu bleiben. Ich versteh mich ja in dieser Partie am wenigsten als Musiker, und ich kann mir das schon vorstellen, wenn sich etwas ergibt, was die Kollegen z.B. nicht so interessiert, aber es gibt momentan in diesem Sinne nichts, was dringend ansteht. Da würde ich vorher noch eher einen Textband veröffentlichen. In punkto Solo-Album ist Boris sicher vor mir dran. Danke für das Interview! (Das Interview führte Robert Fischer; Fotos: Robert Fischer, Gregor Titze)
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