"zwar weiß er viel doch will er alles wissen / und dich zum erkenntnisreigen bitten" - Ein neues, feines Programm erarbeitete sich das Upper Austrian Jazz Orchestra gemeinsam mit sechs Textautoren unter dem Titel "Song - Song oder 7 Musen und 4 Laster". Die Kompatibilität zwischen zeitgenössischer Literatur und Big Band Sounds wurde damit am 18. 1. 2009 im Porgy & Bess eindrucksvoll bewiesen.
Musen und Laster sind ja wahrhaft ein perfektes Thema für die Verbindung Song-Texte und Jazz, schließlich waren die Musen in der griechischen Mythologie die Schutzgöttinnen der Künste und letztendlich leitete sich das Wort Musik ebenfalls von den Musen ab. Und Laster wie Trunksucht bieten soundso seit jeher genügend Stoff für Song-Texte. Dies also der rote Faden des Programms. Zur lyrischen Feder greifen durften die zeitgenössischen österreichischen Autoren Evelyn Schlag, Gerhard Ruiss, Semier Insayif , Wolfgang Kuehn, C.W.Bauer, aber auch Tini Kainrath, die gemeinsam mit Ali Gaggl zudem für die gesangliche Verwertung der literarischen Stoffe sorgte. Für die Kompositionen und Arrangements ließen sich Christian Bachner, Robert Bachner, Robert Friedl, Helmar Hill, Christian Maurer, Andy Pranzl, Gerd Rahstorfer, Andy See, Primus Sitter, Alfred Vollbauer und Christian Wendt allerhand einfallen. Und das nicht zu knapp. Hier wurde gefordert und mit jedem Ton Aufmerksamkeit errungen, mit Präzision die knackigen Bläsersätze gesetzt, und mitunter (bleiben wir gleich im griechischen), die Metamorphose innerhalb einer Komposition vollzogen.
Vom Untergangs-Blues und anderen Krach-Machern
Fad wurde es jedenfalls nie, im Gegenteil. Das Orchester weiß zu begeistern und ging mit dem Textmaterial sehr feinsinnig um, so auch das Gesangs-Duo Ali Gaggl und Tini Kainrath, die jede Menge Platz zur freien Gesangsinterpretation erhielten. Helmar Hill machte z.B. aus "Krach-Macher", dem Text von Gerhard Ruiss, eine wunderbare Tanzmusik, die jedes Radioprogramm erhellen würde. Mit Leichtigkeit wurden hier Big Band-Sounds aus verschiedenen Epochen und Rhythmen zu einem kostbaren, hoch melodiösen Stück verarbeitet. Hier gingen Text und Musik stimmig einher und war sicherlich der Höhepunkt des Konzerts. So wurde denn auch "Krach-Macher" nach der letzten Zugabe nochmals zum Besten gegeben - sicherlich nicht nur deshalb, weil Tini Kainrath bei der ersten Version einmal einen Einsatz verpatzte. Als groß und spektakulär erwiesen sich auch die Songs "Untergangs-Blues" von Christian Bachner und "New York Marathon" von Gerd Rahstorfer (beide Texte schrieb Evelyn Schlag). Das Marathon-Lied z.B. bot Ali Gaggl Gelegenheit zum Scatten. Ein Triumph an Geschwindigkeit und Ausdauer. Entschieden langsamer freilich der Blues, der mit einem knallharten Text daherkam, bei dem sich die Musiker aber auch gut anhalten konnten, denn wie heißt es darin so schön? "Die alten Plünderinstinkte funktionieren immer." Ganz besonders beim Blues.
11 Gebote der Maßlosigkeit
Und: Nein, der Witz und der Humor kam nicht zu kurz. Im Gegenteil. Das pflanzen und häkeln funktionierte prächtig, insbesondere im Dialog zwischen Tini Kainrath und Christian Maurer. Das Upper Austrian Jazz Orchestra hatte also seinen (verdienten) Karl und dementsprechend schwappte die Stimmung im zunehmend groß aufspielenden Orchester ins Publikum. Jede Menge super Soli kamen zu Gehör - wie z.B. von Christian Bachner (Saxofon), Manfred Weinberger (Trompete) und Primus Sitter (Gitarre) - wie auch mächtige Bass-Linien von Christian Wendt. An die Grenzen der Machbarkeit gestellt wurden die Musiker hingegen bei den Texten "Reigen" und "Unmaß" von Semier Insayif ob ihrer Länge. Einerseits. Andererseits schafften die Texte Platz für Experimente, natürlich auch hinsichtlich Gesang bzw. Rezitation, oder, wie Insayif verdichtete: "die lust am lauschen kennt weder enthaltsamkeit noch ende / der ewige ton ist das vorenthaltene rauschen innerer stille". Ein Musikabend für Feinhörer. (Text und Fotos: Manfred Horak)