Unter Mitwirkung von Doris Windhager und Adula Ibn Quadr vertonte der Wiener Liedermacher Georg Siegl Texte von Theodor Kramer. "Man kann in seinen Texten", so Siegl, "das brackige Wasser der Donau riechen". Und: "Theodor Kramers Liebesgedichte gehören zum am meist tiefgehenden, das in unserer Sprache je veröffentlicht wurde."

Der verdienstvollen Aufgabe, an den vergessenen österreichischen Schriftsteller Theodor Kramer (1897 – 1958) zu erinnern, widmet sich Georg Siegl. Der Gitarrist und Sänger hat zu 22 Gedichten des Autors Melodien verfasst, und die so entstandenen Lieder mit kleinem Ensemble - Sängerin Doris Windhager (Roland Neuwirth Extremschrammeln ) und Multi-Instrumentalist Adula Ibn Quadr (u.a. Wiener Tschuschenkapelle) - im Studio eingespielt.

Theodor Kramer wurde am 1. Januar 1897 als Sohn eines jüdischen Landarztes in Niederhollabrunn im Weinviertel geboren. Er besuchte in Wien das Gymnasium, das er mit der Matura abschloss. Nach Ende des ersten Weltkriegs, in dem er als Soldat und Offizier diente und eine schwere Beinverwundung davontrug, die ihn sein weiteres Leben immer wieder beieinträchtigen sollte, nahm er ein Studium der Germanistik sowie der Staatswissenschaften auf, das er jedoch wieder abbrach.

siegl-windhager-quadr_02siegl-windhager-quadr_03siegl-windhager-quadr_01Sein Werk umfasst ausschließlich Lyrik, mit der in diesen Jahren im gesamten deutschen Sprachraum große Erfolge und einen hohen Bekanntheitsgrad errang. "Wo andere wegschauten", so Marion Löhndorf in einem Artikel über Kramer in der Neuen Zürcher Zeitung, "hat Theodor Kramer genau hingesehen. Seine Gedichte sind unsentimental, aber mitfühlend; sie kommen ohne düsteres Pathos und auftrumpfende Menschenverachtung aus. Die Lyrik Theodor Kramers schlägt Funken, lebendig, als wäre sie gerade geschrieben worden." Nach dem Anschluss 1938 wurde über Kramer als Jude und Sozialist ein Arbeitsverbot verhängt. 1939 gelang zunächst seiner Frau und dann ihm selbst unter großen Schwierigkeiten nach London zu emigrieren. Die langen Jahre seines Exils in London waren für den überzeugten Österreicher Theodor Kramer immer wieder von schweren persönlichen Krisen gekennzeichnet. Erst im September 1957 wurde es Ihm ermöglicht, nach Wien zurückzukehren, wo er sechs Monate später starb.

Nachdem Kramers Werk durch die langen Jahre des Exils sowie die gesellschaftliche und kulturelle Zäsur inzwischen fast in Vergessenheit geriet, ist die vorliegende CD eine gute Gelegenheit Versäumtes nachzuholen, und einen großen heimischen Autor durch die Lieder von Georg Siegl & Co. "Beim Stromwirt" wieder zu entdecken. Das Trio erreicht bei den 22 Vertonungen bisweilen eine erfrischende Intensität, verzichtet auf unnötige Ballaststoffe und inszeniert die Texte von Kramer stets im gehaltvoll sparsam arrangierten Kleid. An Material für eine mögliche Fortsetzung sollte es auch nicht mangeln, denn immerhin hat Theodor Kramer ein Lebenswerk von unglaublichen 12 000 Gedichten (!) hinterlassen. (Robert Fischer; Fotos: Erwin Schuh)

CD-Tipp:
Beim Stromwirt - Lieder nach Texten von Theodor Kramer
Musik: @@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Extraplatte (2008)