Amos Lee hat die Entscheidung seinen gelernten Beruf Lehrer zugunsten einer Musikkarriere aufzugeben, bis jetzt sicher nicht bereut. Neben zwei hoch gelobten Alben bekam der talentierte, junge Songschreiber auch die Gelegenheit mit seinen Idolen Bob Dylan, Van Morrison und Elvis Costello auf Tour zu gehen. Robert Fischer sprach mit dem 30-jährigen Musiker nicht nur über das neue Album "Last Days At The Lodge", sondern auch über die US-Präsidentschafts-Wahl.
Kulturwoche.at: Hi Amos, wie ist das Wetter in Philadelphia? Amos Lee: Für diese Jahreszeit ist es ziemlich gut. Warm und sonnig. Man könnte glauben, man ist in Kalifornien. "Last Days At The Lodge" ist eine tolle CD. Was unterscheidet sie von Deinen ersten beiden Veröffentlichungen? Na ja, die neue CD haben wir ziemlich schnell aufgenommen. Genauso wie meine erste CD ["Amos Lee", 2003; Anm.] haben wir "Last Days At The Lodge" in nur einer Woche aufgenommen. Und ich singe besser als auf den alten Aufnahmen, zumindest hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt im Studio noch fokussierter singe, als sonst. Wo hast du "Last Days At The Lodge" aufgenommen und welche Musiker sind auf dem Album zu hören? In L.A., in den ehemaligen A & M-Studios und ich hatte das Glück mit wirklich tollen Studio-Musikern zu arbeiten. James Gadson am Schlagzeug, Pino Palladino am Bass, Gitarrist Doyle Bramhall II und Spooner Oldham an den Keyboards. Bei einigen Tracks hat auch Pedal-Steel Gitarrist Greg Leisz ausgeholfen. Und wie schon erwähnt, in einer Woche war alles im Kasten. Was steckt hinter dem Titel "Last Days At The Lodge"? In der derzeitigen Situation in der Plattenindustrie, zurückgehender CD-Verkäufe etc. fühlt man sich als Künstler im Studio schon ein wenig komisch, weil du dich wunderst, ob das die Leute überhaupt noch interessiert. Ich könnte das Album genauso gut in meinem Wohnzimmer aufnehmen, und für viele Leute wäre das sicher kein Problem. Ich weiß nicht, wo diese ganze Entwicklung hinführen wird, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass uns in diesem Bereich große Veränderungen ins Haus stehen. Warum hast du Don Was als Produzent für dein neues Album ausgesucht? Ganz einfach, er hatte gerade Zeit! Nein, Don Was ist einfach jemand, den ich sehr respektiere, weil er schon mit vielen Leuten Platten aufgenommen hat, die ich auch toll finde. [Don Was war als Produzent für u.a. Bob Dylan, The Rolling Stones, Kris Kristofferson, und Randy Newman tätig; Anm.] Das waren die wichtigsten zwei Gründe. [Lacht.] Du warst ja 2007 mit einem deiner Idole, Bob Dylan, auf Tour. Was hast du für Erinnerungen an diese Tour? Ja, war das eine coole Tour! Wir spielten vornehmlich in großen Hallen, und auf diesem Level aufzutreten war etwas ganz Neues für mich. Es war eine super Erfahrung, vor seinem Publikum und vor Elvis Costello [der ebenfalls Support war; Anm.] 30 bis 45 Minuten aufzutreten. Auch Bob und seine Band jeden Abend live zu sehen, war ein Riesen-Erlebnis und ehrlich gesagt, war ich einfach überglücklich, bei dieser Tour dabei zu sein. |
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Auf deiner neuen CD gibt es den Song "What's Been Going On", der stark an den Soul-Klassiker "What's Going On" von Marvin Gaye erinnert. Was verbindet dich mit Marvin Gaye?
Na ja, ich kenne eigentlich niemanden, der Musik liebt und Marvin Gaye NICHT mag. Ich mag seine früheren Mowtown-Aufnahmen genauso wie das spätere Werk und seine Hits wie "What's Going On", "I Want You" oder "Let's Get It On". Diese Songs sind so kraftvoll, wirklich unglaublich. Gleichzeitig stark UND sensibel. Und ich glaube, das ist genau der Punkt, warum so viele Leute auf die Musik von Marvin Gaye stehen.
"What's Going On" von Marvin Gaye hatte ja auch einen stark politische Unterton. Auch manche Deiner Songs beschäftigen sich mit der politischen Situation. Ist es in der aktuellen politischen Situation der USA schwierig, über solche Themen zu schreiben?
Schwer zu sagen. Wenn ich in meinen Live-Shows Songs mit politischen Inhalten bringe, gibt es immer die eine Gruppe, die mucksmäuschenstill lauscht und voll hinter mir steht, während die anderen sich bei solchen Themen lieber lautstark unterhalten. Das ist schon frustrierend für mich, weil es auf der neuen CD z. B. den Song "Jails & Bombs" gibt, den ich sehr mag und auch gerne live spiele. Die andere Frage ist natürlich, ob man so was Leuten überhaupt vorsetzen soll, die vorrangig in die Show kommen, um sich zu unterhalten. Die Grenze zu finden, zwischen Unterhaltung und die Leute zum Nachdenken zu bringen ist nicht immer einfach zu finden. Es ist eine Gratwanderung, aber ich versuche mein Bestes.
Ich habe gelesen, dass du im Wahlkampf Barack Obama unterstützt… [Das Interview fand einige Tage vor der US-Wahl statt; Anm.]
[Unterbricht]… Schau, ich bin gerade der Phase, in der ich versuche, so viel wie möglich über die beiden Präsidentschaftskandidaten zu erfahren, sie kennen zu lernen und möchte mich lieber nicht deklarieren. Meiner Meinung nach ist fast wichtiger zu wissen, mit welchen Beratern sich McCain und Obama in der Zukunft umgeben werden bzw. welche zukünftigen Probleme sie lösen müssen. Egal wer gewinnt, die nächsten Jahre werden sicher kein Honiglecken. In den USA gibt es eine Bevölkerung von 300 Millionen Menschen. Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedürfnissen. Es ist unglaublich schwierig, die alle unter einen Hut zu bringen. Selbst wenn einer der Kandidaten die Wahl mit sechzig Prozent gewinnt, heißt das trotzdem, dass vierzig Prozent nicht hinter ihm stehen. Und gerade der aktuelle Wahlkampf war sehr trennend, hat die Nation in zwei Lager gespalten. Deshalb geht es mir auch in der Musik darum, meine Überzeugungen zu vermitteln bzw. andererseits Menschen zu verbinden. Ich möchte, dass sich die Menschen besser verstehen und auch meine Musik in dieser Richtung einsetzen. Übrigens, wenn du dir meine Songs genau anhörst, ist es kein Geheimnis herauszufinden, wem ich meine Stimme geben werde.
Du warst vor deiner musikalischen Karriere Lehrer in Philadelphia. In welcher Schule? Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?
Es war eine Grundschule in North Philadelphia, und viele Schüler, die dort zur Schule gingen, hatten ein schwieriges Elternhaus. Die ganze Gegend dort ist ein hartes Pflaster. Das eine große Problem ist die Armut, dazu kommt noch die Gewalt. Ich war ein Jahr dort und habe viel darüber gelernt, was Kinder aus ärmlichen Verhältnissen so durchmachen.
Du gehst bald wieder auf Tour. Stimmt es, dass Tourneen über größere Distanzen in den USA aufgrund der gestiegenen Energiepreise immer teurer und damit langsam aber sicher unfinanzierbar werden?
Auf jeden Fall! Die Rechnung ist ja ganz einfach: Benzin hat vor einiger Zeit 2,20 Dollar pro Liter gekostet, jetzt kostet es schon 3,10! Aber was meiner Meinung noch dazu kommt, ist, dass die Menschen in Zeiten wie diesen andere Sorgen haben, als in ein Konzert zu gehen. Wenn man sich vorstellt, welche wirtschaftlichen Probleme in der nächsten Zeit auf uns zukommen, bin ich nicht sicher, ob das Besuchen von Live-Konzerten für die Menschen noch Priorität hat. Ich hoffe trotzdem, dass die Leute kommen. Trotzdem ist es ein riesiges Land, es gibt Gegenden in den USA, wo du ohne Auto nirgends hinkommst bzw. es keinen öffentlichen Verkehr gibt, und hohe Benzinpreise schrecken die Leute sicher ab, sich "nur" für ein Konzert ins Auto zu setzen.
Planst du auch eine Europa-Tour?
Wenn die neue CD erfolgreich ist, werden wir sicher für ein paar Shows nach Europa kommen.
Danke für das Interview!
Danke, mach's gut!
(Robert Fischer; Fotos: Lucille Reyboz)
Link-Tipps:
CD-Kritik "Amos Lee"
www.amoslee.com