Nach "Chávez Ravine" - der Latino-Enklave in L.A., die in den 1950er Jahren dem Football-Stadion der Dodgers weichen musste - und "My Name Is Buddy" über den amerikanischen Spirit vergangener Tage, legt Ry Cooder nun also mit "I, Flathead" Teil Drei der kalifornischen Trilogie vor. Wenn es einen Nobel-Preis für Gitarre gäbe – Ry Cooder erhielte ihn spätestens für dieses Album.
"The Songs of Kash Buk and the Klowns" ist als Untertitel auf dem Cover vermerkt, einem Cover, das mit einer Fotografie aus den Ron Kellog Archiven bereits für erste Aufmerksamkeit sorgt, und an das Cover des ersten Ry Cooder Albums überhaupt [Ry Cooder; 1970; Anm.] erinnert. Lange, sehr lange, mussten Ry Cooder Fans auf neue Lieder des Großmeisters der Gitarre warten. Nach "Get Rhythm" aus dem Jahr 1988 passierte nämlich nicht allzu viel hinsichtlich pures Ry Cooder Album, von Little Village (1992) – der All Star Band mit Cooder, Jim Keltner, John Hiatt und Nick Lowe mal abgesehen. Viele Soundtracks und der Buena Vista Social Club waren zwar ein gewisser Trost, kaum jemand aber glaubte noch an die quasi Fortsetzung von "Get Rhythm" (das damals übrigens sein erstes Album außerhalb eines Film-Kontextes seit sechs Jahren war; lange Wartezeit war man also bereits gewohnt).
Die letzten Jahre hatten es dafür in sich. Zunächst ein völlig überraschendes Album namens "Mambo Sinuendo" (2003), das als quasi Brückenschlag zwischen dem Buena Vista Social Club und "Chávez Ravine" (2005) gelten kann. 2007 erschien die Bürgerrechtsbewegungshommage We'll Never Turn Back von Mavis Staples und Ry Cooder sowie fast zeitgleich das großartige "My Name Is Buddy" mit ausschließlich Cooder-Kompositionen (17 an der Zahl!) und nun also die Krönung mit 14 neuen Liedern. Bereits die Songs Johnny Cash, "Steel Guitar Heaven", "Ridin' with the Blues" und "Filipino Dancehall Girl" sind den Kauf des Albums wert, als Speerspitze dessen, was sich alles an unglaublicher Musik auf dem Album befindet. Zum Beispiel sein "Pink-O Boogie", das an die Little Village-Ära anknüpft, oder sein "Fernando Sez", der wahr gewordene Steel Guitar Traum eines modernen Buena Vista – alleine dafür gebührt ihm der Nobel-Preis für Gitarre, wenn es diesen gäbe. Oder "Spayed Kooley", dieser Mariachi - so ein Lied kann man kaum toppen. Cooders Melodien saugen sich in den Gehörgängen fest und sein Gitarrenspiel ist soundso ein einziger Superlativ. Dazu kommen seine Musikerkumpels wie u. a. Rene Camacho am Bass, Joachim Cooder, Martin Pradler und Jim Keltner an Drums, Flaco Jimenez am Akkordeon, Jon Hassell an der Trompete und Jesus Guzman, der für die Mariachi Strings sorgt, die "I, Flathead" die besondere Würze geben.
Ja, und dann noch der Gesang von Ry Cooder. Seine wohltemperiert rauchige Stimme kann den harten Blues singen aber auch die sanfte Country-Ballade, den Jazz genauso singen wie er eine atmosphärische Erzähl-Dichte in "Can I Smoke in Here?" aufbauen kann. Die Lieder von Ry Cooder sind zudem natürlich politische Statements und auch in Interviews hält er sich nicht zurück, wenn es um Politik geht. "In der Politik", so Cooder in einem Interview, "geht es im Allgemeinen um Lügen und Betrug – und wenn man genauer hinsieht, steckt Geld dahinter. Die Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wer verdient an der Politik? Dann kommt man einer Antwort schon näher." Eines der definitiven Alben des Jahres 2008. (Manfred Horak)
CD-Tipp:
Ry Cooder – I, Flathead
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Nonesuch/Warner (2008)