Wer sich für Musik mit deutschen Texten interessiert kommt nicht an den ehemaligen Kardiologen Dr. Georg Ringsgwandl herum, der im Dekaden(z)wechsel der 1980er/1990er Jahre mit den Alben "Trulla! Trulla!", "Vogelwild" und "Staffabruck" neue Maßstäbe setzte. Ein Konzertmitschnitt aus der Tournee zum erstgenannten Album liegt nun erstmals auf DVD vor.
Kasperl oder Genie?
Wer diesen schrägen Typen - "Punk-Qualtinger", wie ihn die deutsche Zeitschrift "Zeit" einmal nannte - jemals live gesehen hatte bekam in der Regel nicht genug von ihm - oder lehnte ihn völlig ab. Ich weiß nicht, wie oft ich ihn zwischen 1988 und 1993 live erlebte, ich weiß nur, dass jeder Konzertabend von Ringsgwandl eine außernatürliche Erfahrung mit sich brachte, und dass er nicht, wie so manch andere Künstler, sich im Rahmen eines fixen Konzertablaufs bewegte (Erfahrungen ähnlicher Art macht man im deutschsprachigen Raum höchstens noch mit dem österreichischen Existenzialistentrio von Kollegium Kalksburg).
Auf vorliegender DVD wird man Zeuge dreier Konzertmitschnitte, wobei zwei in arg zerfledderter Form daherkommen, was mitunter auch am historischen Klang liegt, sowie eines ebenfalls zusammengeschnippelten Interviews, das aus losen Statements zwischen Liedkürzeln besteht und weniger Erhellendes als seine berühmten Geschichten zwischen den Liedern bringen. Bei diesen Ton- und Bilddokumenten rückt also weniger die Erlebniswelt Ringsgwandl als Ganzes in den Vordergrund, vielmehr sieht man nur Bruchteile, mitunter in kurzen Auszügen die Veränderung seiner Lieder und Texte innerhalb weniger Jahre, und im Besonderen sei hier die zusätzliche Strophe von einem seiner besten Lieder, "Wuide unterwegs", erwähnt.
Soweit zum Bonusteil, nun zum Hauptteil der DVD, ein Konzertmitschnitt aus der Frankfurter Music Hall mit dem Titel "Sag doch zu mir Du, Du!". Das Konzert beginnt wie alle Ringsgwandl-Konzerte im Jahr 1988 mit dem aberwitzigen "Heut liegt was in der Luft", um hernach sofort seinen berühmt-berüchtigten Fetzer "Der Placido Domingo" über die Herren Bruce Springsteen, Michael Jackson und dem Titelgeber. Herausragend dabei ist und bleibt neben der großartigen rauen und bisweilen skelettartig wirkenden "Haus"musik mit seinen kongenialen Partnern Georg Schreiner an der Gitarre und Bass und Klaus Reichardt am Keyboard und Bass, die auch im Jahr 2005 frisch und nahezu unverbraucht klingt, die Gesten und Mimiken - oft theatralisch breit, oft protzend minimalistisch - des Herrn Doktor, der ja im übrigen erst im Jahr 1993 seinen Job als Kardiologe an den Nagel hängte und diesen endgültig gegen Gitarre und Bühne eintauschte.
Ein Problem bei Ringsgwandl war ja allerdings auch von Beginn an, dass etliche im Publikum glaubten alles bei Ringsgwandl sei ein riesiger, großer, abgefahrener, aufgeblasener, irrer, kurioser, anarchischer Schmäh - kurzum - ausnahmslos Spaß, dass Ringsgwandl aber erstens ein ernstzunehmender Künstler (war und) ist und öfter als viele hören wollten Ernst macht ist die zweite A-Seite seiner Kunst. Hört mal bei "Nix mitnehma" und "Radarstrahl" rein, des weiteren auch einmal etwas genauer in "Wuide unterwegs" und "Hühnerarsch, sei wachsam". Dass er übrigens mit "Nix mitnehma" schlicht und einfach eine der genialsten, würdevollsten und reifsten Coverversionen aus dem Oeuvre Bob Dylans (in dem Fall "Gotta Serve Somebody") schuf - ja, dafür gebührt ihm soundso jede Ehre der Welt.Die DVD lebt jedoch nicht nur von diesen satten Momenten musikalischer Befriedigung, sondern auch von der Totale in sein Gesicht, in jenes der höchsten Konzentration und Spannungsgeladenheit.
Setzt Signale gegen den Einheitsbrei, kauft Ringsgwandl! (Manfred Horak)
Musik: @@@@@@
Klang: @@@
Film & Material: @@ bis @@@@@
Extras: @@@@
Label/Vertrieb: Lawine/Blanko/Sony BMG
1 DVD
Dauer: 118,25 Min.
Bild: 4:3
Tonformat: Stereo
Ländercode: k.A.