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kcmckanzie_interviewDie Sängerin, Gitarristin, Banjo-Spielerin und Komponistin aus Berlin im virtuellen Gespräch mit Manfred Horak über das Album "Hammer & Nails", über Bluegrass und Unabhängigkeit, und über das Spiel mit der Reduktion.


 


 


Kulturwoche.at: In Deiner Pressenotiz kann man nachlesen, dass "The Weight" von The Band einen großen Einfluss auf Dich ausübte und Du schreibst, dass Du Deine musikalische Heimat gefunden hast, als Du eine Bluegrass-Platte von Don Reno & Red Smiley zum ersten Mal hörtest. Bluegrass und Deutschland ist eine ungewöhnliche Kombination - was fasziniert Dich an Bluegrass, was findest Du darin?

K.C. McKanzie: Was The Band da einst geschaffen hat ist für mich eine der größten Inspirationsquellen überhaupt. Vor allen Dingen weil sie sich an dem orientiert haben, was sie kannten und liebten und daraus etwas Neues, mit einer unglaublichen Intensität geschaffen haben. Der Schritt zum Bluegrass, zur Oldtime Mountain Music ist von da aus nicht weit. Ich fühlte mich dieser Musik von Anfang an sehr verbunden. Ich fand Bluegrass auch nie "cool" und "abgefahren" sondern es berührt mich immer ehrlich tief im Innern. Dabei muss man einen Unterschied zwischen den instrumental versierten Bluegrass Bands machen, die schon fast jazzähnlich spielen und den einfachen Bluegrass Folk Songs. Letzteres hat mich immer mehr interessiert. Ich bin kein Banjo-Freak, ich habe keine Ahnung von Akkorden und Läufen, ich spiel einfach drauf los, ohne System. Die Verbindung  von Wort und Musik, das ist der magische Punkt. Und nirgends gibt es so schöne Texte wie im Bluegrass: "Stone must be the wall, built around your heart" (D. Reno & R. Smiley). Allerdings bin ich vorsichtig mit dem Begriff Bluegrass. Er ist sehr weitläufig und eigentlich kann man uns kaum dazuordnen. Viele Leute hören das in unserer Musik, ich hingegen immer weniger. Wir sind ja nicht tanzbar und sind auch keine Hochgeschwindigkeits-Banjo-Picker.

Gibt es eigentlich eine Bluegrass-Szene in Deutschland, oder bist Du/seid Ihr quasi die Szene, (wobei ja eigentlich der Begriff Bluegrass zu kurz greift um euch zu charakterisieren)? Und: Wie werdet Ihr in Deutschland bzw. in anderen Ländern wahrgenommen? Wie sehr reflektiert Berlin bzw. Deutschland an sich auf Deine Musik und umgekehrt?

kcmckanzie3Das ist sehr schwer zu sagen. Es gibt wohl eine Bluegrass-Szene in Deutschland, aber ich würde uns nicht als typischen Vertreter nennen. Wir sind eine musikalische Randgruppe, Budi und ich: die Bluegrassler sagen: "Bluegrass ist das ja nicht, was ihr da macht", die Folker sagen "für Folklore ist der Bezug zu modern" - …jeder hat eine andere Meinung dazu, weil jeder auch andere musikalische Einflüsse hat. Es gibt eine junge Szene in Berlin, die aus gebürtigen Deutschen wie auch zugewanderten Amerikanern / Engländern / Polen etc. besteht. Diese Szene ist aber nicht sehr greifbar, sie ist nicht organisiert. Quasi die neue Generation. Deshalb kann man sie aber auch in keine Schublade stecken, sie bedient sich verschiedenster Einflüsse und ist sehr offen für alle Richtungen. Ich finde das sehr spannend. Es ist nur etwas bestürzend, dass die ältere Folk und Bluegrass / Country Generation diese Szene nicht puscht. Es herrscht ein bisschen Funkstille zwischen diesen Instanzen, dabei stirbt die ältere Folkszene in D-Land somit langsam aus, weil ihnen der Nachwuchs fehlt… Eine Zusammenarbeit würde ich sehr wünschenswert finden. Folkmusikerin in Deutschland zu sein ist keine leichte Aufgabe. Ich werde oft gefragt warum ich denn nicht deutsch singe und es gibt einfach keine Antwort auf diese Frage. Warum singt Björk nicht ausschließlich in ihrer Landessprache? Warum sang Charles Aznavour deutsch? In anderen Ländern werden wir das eher selten gefragt, eigentlich nie. Außerdem verabscheue ich Patriotismus in jeglicher Form, ich sehe mich eher als Weltenbürger, für manche Deutsche ist das ein Problem. Deutschland ist eben das Land, in dem ich geboren wurde und lebe. Mehr Bezug habe ich dazu nicht. Berlin ist dagegen eine lustige bunte Schneekugel! Die brandenburgischen Gesetze gelten hier nicht und hier kann man sein wer man will, man kann machen was man will und aussehen wie man will. Das fasziniert wohl die Meisten an dieser Metropole. Allerdings reflektiere ich nicht bewusst die Stadt in meinen Songs.

Wie lebt es sich als unabhängige Künstlerin in Deutschland?

Danke, gut! Unabhängig sein bedeutet eben auch von gewissen Medien ignoriert zu werden und kaum eine Plattform zu haben. Aber das hat mich nie abgeschreckt. Denn neben dem Kaugummi-Super-Song-Röhren-Retro-Jeans-Getue der 22-jährigen Chefredakteure von Musikmagazinen und Sendungen gibt es eine Menge Leute, die auf der Suche nach etwas Authentischem sind.

Woher holst Du Dir die Geschichten Deiner Lieder? Sind Metaphern Bestandteil der Texte? Welche Qualitätskriterien muss ein Text letztendlich erfüllen?

Der Text muss rocken, selbst bei einer Ballade. Er inspiriert am Ende die Musik, die Songstruktur. Die Geschichten kommen von überall her. Manchmal reicht eine Zeile aus um daraus einen ganzen Song zu formen, ein anderes Mal kämpfe ich mühsam mit meinen Protagonisten. Alles was ich erlebe inspiriert mich. Allerdings sind die Songs frei. Das bedeutet: Wie viel "ich" in ihnen steckt und worauf sie sich tatsächlich berufen ist ein Geheimnis. So darf jeder, der sie hört einen eigenen Bezug dazu entwickeln, ich werde sie nicht erklären.

Wie wichtig (oder unwichtig) ist Politik und Religion für Dich als Musikerin, sei es beim Schreiben von Liedern, sei es bei Live-Konzerten?

kcmckanzie5Meine Musik ist nicht politisch, sondern emotional. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe politisch aufzuklären. Ich habe eine private politische Meinung, aber ich nutze meine Konzerte nicht um sie zu verbreiten. Ich erzähle Geschichten, da geht es um Liebe, Gefühle, Erlebnisse… Allerdings möchte ich mich von bestimmen Konzernen oder Firmen lieber fernhalten. Beim Schreiben spiele ich gern mit christlichen Werten, allerdings spielen sie für mich persönlich keine große Rolle. Wenn man Bluegrass und Folk mag, kommt man um die Religion nicht herum. Allerdings sehe ich sie als Synonym für die ewige Glückssuche. Ich glaube schon an die Magie eines Augenblicks (sonst wären Live-Auftritte sehr langweilig), und auch, dass es eine übergeordnete Kraft gibt. Aber ich entziehe mich religiösen Systemen. Religion ist leider keine persönliche Sache, sondern ein gesellschaftliches System: das schließt Unterdrückung, Missbrauch und Machtspiele nicht aus.

Worin siehst Du die größten Abweichungen zwischen CD-Aufnahme und Live-Konzert? Und: Sind Live-Konzerte für Dich der Sinn des (Musiker-)Lebens bzw. welchen Stellenwert hat für Dich generell eine CD-Veröffentlichung?

kcmckanzie6Ich liebe das Auftreten und ich liebe es Aufnahmen zu machen. Allerdings unterscheiden sich die beiden Dinge wie Tag und Nacht. Beim Aufnehmen geht es darum, sehr genau zu arbeiten. Ich fühle mich oft wie ein Bildhauer der an einem Werk ewig meißelt und feilt und es ständig dreht und wendet. Es geht darum den perfekten Moment einzufangen, ihn aufzupolieren, hervorzuheben. Das kann ganz schön zermürbend sein. Aber auch unglaublich befriedigend. Leider macht Musik keinen Dreck, so eine farbverkleisterte Hose würde ungefähr ausdrücken wie es sich anfühlt Aufnahmen zu machen. Das Auftreten ist eine willkommene Abwechslung für mich. Ich bin eher ein etwas zurückgezogen lebender Mensch, ich beschäftige mich gern mit meinen Sachen und brauche nicht ständig die Gesellschaft anderer. Bei einem Auftritt fühle ich mich wie ein Überbringer der Songs und Geschichten. Ich liebe die Spontaneität, das Herumblödeln mit Budi, unsere Art ein Konzert zu gestalten. Das gibt mir Kraft das durchzuziehen, touren kann nämlich anstrengend sein. Ich liebe es zu beobachten, was die Musik mit manchen Leuten macht. Allerdings ist mir dieses beklatscht werden etwas unangenehm. Ich habe gelernt, dass die Menschen damit ausdrücken wollen dass es ihnen gefallen hat. Früher glaubte ich immer, es wäre ein leeres Ritual. Aber irgendwie ist mir das auch immer noch peinlich.

Du hast sämtliche Lieder auf Hammer & Nails geschrieben, zusätzlich gemeinsam mit Joe "Budi" Budinsky das Album produziert und darüber hinaus auch das Artwork selbst gestaltet. Wie kam es dazu und liegt dem Album eine Gesamtidee dahinter oder sind es letzten Endes 13 aneinander gereihte Lieder ohne Bezug zueinander?

kc_mckanzie_hammer_nailsDie Songs auf einem Album haben immer einen gemeinsamen Bezug. In Fall von "Hammer & Nails" ist die Kraft der kleinste, gemeinsame Nenner. Wir haben nur Songs ausgewählt die für mich eine gewisse Magie ausstrahlen. Während des Aufnahmeprozesses ist mir nie ganz klar wohin das führen wird, aber für "Hammer & Nails" gab es früh eine Vision: roh sollte es sein und ehrlich. Deswegen gibt es keine fröhlichen Up-Tempo Stücke auf dieser CD. Sie passten plötzlich nicht mehr zu den anderen Songs, die sich auf einer anderen, progressiveren Ebene entfalten. Es ist immer schwer Songs für ein Album auszuwählen, es gibt Songs die ich sehr liebe, aber irgendwie passten sie auf keines der bisherigen Alben , oder ließen sich im Studio nicht bändigen. Eine weitere große Kunst ist es die fertigen Songs in die richtige Reihenfolge zu bringen. Da muss man sehr vorsichtig sein, um dem Gesamtwerk eine Spannungslinie zu geben, damit die Songs eben nicht aneinandergereiht wirken.

Wie lange haben die Aufnahmen zu Hammer & Nails gedauert? Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit Joe Budinsky vorstellen? Wurden die Lieder im Studio gemeinsam erarbeitet oder bist Du mit quasi fertigen Liedern ins Studio gegangen?

kcmckanzie_budi-budinskyInsgesamt haben wir wohl so zwei Monate an der Produktion gesessen. Allerdings immer wieder mit Pausen und Unterbrechungen, so dass sich diese zwei Monate über einen längeren Zeitraum erstreckt haben. Ich gehe immer mit fertigen Liedern auf Budi zu. Wir basteln manchmal noch ein bisschen am Arrangement, aber ich habe bisher noch nie mit jemandem zusammen Texte geschrieben oder mir konkrete Melodien ausgedacht. Dazu bin ich viel zu schüchtern. Mit Budi zu arbeiten ist sehr inspirierend. Ich bin immer wieder überrascht, was er so in meinen Songs hört und wie er es schafft sie musikalisch perfekt zu untermalen. Ich hatte noch nie das Gefühl, dass er die Songs zerstört oder überproduziert. Er ist sehr vorsichtig und hat eine ganz eigene, sehr melodiöse Art Bass zu spielen. Ich liebe es sehr zu hören wie er jeden kleinen Freiraum nutzt und mit Erwartungshaltungen spielt, er ist ein kleiner Komiker am Bass. Allerdings kracht es manchmal, wenn wir zwei Dickköpfe beim Aufnehmen sind. Meistens, weil ich sehr ungeduldig sein kann, wenn ich einen Faden gefunden hab, den ich unbedingt verfolgen will… - da fliegen schon mal die Fetzen und eine kleine Diva bricht aus mir heraus.

Was sind für Dich die primären Unterschiede zwischen dem Vorgänger-Album "The Widow Tries To Hide" und "Hammer & Nails"?

kc_widowcover"Hammer & Nails" spiegelt die Live-Erfahrungen wieder, die wir in den letzten eineinhalb Jahren gemacht haben. Wir sind sehr viel aufgetreten und das schult die Musikalität. Wir haben eine Entwicklung durchgemacht. Auch habe ich das Gefühl, mich immer besser textlich und musikalisch ausdrücken zu können. Die CD ist in sich geschlossener. "Hammer & Nails" ist viel progressiver als "The Widow Tries To Hide", die Atmosphäre ist mystischer, nicht mehr ganz so klar.

Euer Spiel mit der Reduktion (im Vergleich zu Bluegrass-Musikern wie Don Reno & Red Smiley, Ralph Stanley, Roy Acuff, Lester Flatt & Earl Scruggs, Bill Monroe und all die anderen, die ja in der Regel ihre Virtuosität auslebten): Was hat es damit auf sich? [Anmerkung: Man könnte hier ja einen weiten Bogen spannen. Euer reduziertes Spiel verlangsamt die Schnelllebigkeit unserer Zeit im Gegensatz dazu das schnelle virtuose Spiel in jener gemächlichen langsamen Zeit.]

Puh! Also bewusst mache ich das nicht. Ich kriege nur schnell genug, wenn zuviel auf einmal spielt. Groß, bunt, laut und schnell ist für mich kein Kriterium zum Musikmachen. Ein guter Song entfaltet dann seine Stärke, wenn du ihn allein auf einer schlecht gestimmten Gitarre noch zum Klingen bringst. Ich selbst sehe das gar nicht als Minimalismus, sondern als ausreichend instrumentiert. Musik ist sehr meditativ. Ich möchte mir und anderen die Chance geben die Songs zu erkunden und ich will nicht mit den Songs auf meine Hörer losstürmen. Wir sind ja sowieso schon alle überreizt. Außerdem zerstört es die Kernaussage eines Liedes, wenn man sie überproduziert. Budi und ich haben tatsächlich mal mit einigen Stücken herumgespielt und typische Radio-Drums drunter gelegt. Das konnte ich nicht mal bis zur Hälfte hören, so hat es mich angeödet. Ich mag es, wenn man Dinge in Songs hört die gar nicht gespielt werden. Einen stampfenden Rhythmus, einen logischen Melodiebogen. Dann hört man auch intensiver, aktiver, zu als wenn einem alles vorgekaut serviert bekommt.

[Die Fragen stellte Manfred Horak; Fotos: K.C. McKanzie und Budi]

CD-Tipp:
K.C. McKanzie – Hammer & Nails
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Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: t3records (2008)

Link-Tipps:
CD-Kritik K.C. McKanzie - Hammer & Nails
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