Gelenkig und reich an Phantasie präsentiert sich Georg Breinschmid auf dem Album Wien bleibt Krk, einem Wienerlied-Album mit balkanischen Grooves und Ohrwurm-charakteristischem Pop-Appeal genährt mit klassischen Elementen und einem felsenfesten Jazz-Fundament.
Lieder und Instrumentalstücke, die viel Aufmerksamkeit erregen gibt es in Hülle und Fülle auf diesem sympathischen und wirkungsvollen Album, so z. B. die mit Thomas Gansch gemeinsam ausgeführte Verbeugung vor Falco im aberwitzigen "I pee a hedgehog with long-lasting waves", auf gut deutsch "I schiff an Igl mit Dauerwelln" und der ewigen Textzeile "Falco lebt, aber wir leben richtig". Klassikaner auch das Fußball-Aversions-Wienerlied, das der meisterliche Kontrabassist im Verbund mit dem Gesangsquartett 4She ausübt und bei dem er uns mutmaßliche autobiografische Erinnerungen verrät, oder, wie Breinschmid im Booklet schreibt: "Eine meiner ersten Kompositionen und ein Stück Vergangenheitsbewältigung, das ich vor einigen Jahren für ein Fußball-Musik-Projekt geschrieben habe. Dieses Lied wird übrigens die offizielle Signation für die in Österreich und der Schweiz ausgetragene Fußball-EM 2008 (oder so ähnlich)." Nun, letzteres erfüllt sich leider nicht, denn wie man ja weiß, hat sich die offizielle Signation jemand anders mit fiebrigen Mitteln erstürmt. Wie auch immer: Das "Fußball-Aversions-Wienerlied" besticht mit einer technischen Glanzleistung, tollen Paraden und guter Kondition über die gesamte Spieldauer. Herausragend dabei die Melodie im Kombinationsspiel mit dem Text.
Ois wos mia gfoit, tuat den andren glei weh
Dem nicht genug serviert Breinschmid noch weitere delikate Stücke, sei es das Duett mit Agnes Heginger, "A klanes Brabitschek", in dem er seine eigene Phantasiesprache entwickelt, inspiriert von den Dialektgedichten eines H.C. Artmann und Gerhard Rühm. Ein weiterer Höhepunkt ist sein "Komisches Wienerlied" über die schrägen Töne im Gegensatz zu den klassischen Schönklängen mit dem Bekenntnis, "ois wos mia gfoit, tuat den andren glei weh." All diesen wunderbaren Liedern mit Gesang stehen vitale Instrumentalstücke gegenüber, eingespielt mit Beni Schmid, Aleksey Igudesman, Sebastian Gürtler (alle Violine) und mit Stian Carstensen am Akkordeon. In der Komposition Wien bleibt Krk setzt sich der balkanische 7-Takter in Bewegung, schaut zuvor kurz beim Johann Schrammel vorbei, denn schließlich weiß man ja, dass in Wien der Balkan beginnt. Wie ein Walzer a la Frank Zappa mutet hingegen das Stück "Stammersdorfer Ausdruckstänze" an und mit jeder Menge Gipsy-Polka-Feeling ist wiederum das hervorragende "Skubek's Delight" versehen. Beim letzten Stück des Albums tritt der Komponist Georg Breinschmid schließlich als Musiker zurück und lässt Platz für Roland Guggenbichler am Piano und dem Gesangsduo Tini Kainrath und Willi Resetarits. In "For the lost Daughters and Sons of Vienna" verstummt auch der Humor, das Lied ist nämlich von Mirjam Ungers Film "Vienna's Lost Daughters" inspiriert, jenem Film, der vom Schicksal acht jüdischer Frauen handelt, die 1939 als Jugendliche vor den Nazis aus Wien fliehen mussten. "Mit oller Gwoit hobts ihr mi aussegrissn/Aus mein scheenen oidn Blumentopf/Dabei waar ich so gern noch bliebm", textet Breinschmid, um nach drei Dialektstrophen die Sprache zu wechseln: "I have been living in New York so long/In dignity I'm growing old/And yet my life has been so different/Sometimes the memory felt so cold". Gehört. Niemals vergessen. Bronner, schau obe! (Manfred Horak)
CD-Tipp:
Georg Breinschmid – Wien bleibt Krk
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Zappel Music/Extraplatte
Link-Tipps:
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