"Seit Bestehen unseres Festivals", so Richard Schuberth, "hat
sich die Musiklandschaft hierzulande rapide verändert, im positiven wie
negativen Sinn. Was vor Jahren noch als Exotikum bestaunt wurde, ist zur
Selbstverständlichkeit geworden, andererseits beobachten wir mit der größeren
Breitenwirkung balkanischer und orientalischer Musikformen auch eine gewisse
Verflachung und Kommerzialisierung der Szene. Eine logische wie notwendige
Entwicklung, an der Balkan Fever zwar indirekt teilhatte, aber sich nicht
beteiligen will." Was dem Festival-Team noch nicht gelang, ist eine ordentliche
Basisfinanzierung durch die Stadt Wien zu erhalten, was möglicherweise darauf
zurückzuführen ist, dass sich die Stadt Wien nicht mit dem legendären Ausspruch
Metternichs "Der Balkan beginnt am
Rennweg" so richtig anfreunden kann, denn am hochkarätigen Programm kann es
nicht liegen, aber bitte, wie schrieb Peter Handke einmal so treffend: "Was
weiß ein Fremder?" So tänzelt das Festival jedenfalls auch im fünften Jahr des Bestehens
am Rande der Liebhaberei, Dank des regen Publikumsinteresses und ob des kreativen
Eigensinns geht es sich aber halt doch irgendwie aus.
Verweigerung der alten und neuen Frontlinien zwischen Orient und Okzident
Richard Schuberth über
die diesjährige Motivation und
Programmgestaltung: "Mit dem nunmehr 5. Balkan-Fever-Festival wollen wir
uns und unser Publikum mit einem besonders delikaten Programm belohnen, das
voll der Magie des Unerwarteten ist und in seiner Vielfalt kaum übertroffen
werden könnte. Weiters fahren wir mit dem Ansatz fort, den Südosten Europas
nicht als faszinierend bäuerlichen Regionalismus zu zelebrieren, sondern die
Weltläufigkeit dieses lang gestreckten Kontinuums hervor zu streichen, und zwar
nicht im Sinne ökonomischer, sondern künstlerischer Bereicherung, nicht aus dem
paternalistischen Fokus des Westens, sondern der Künstler selbst - vor Ort.
Dabei verweigern wir uns lustvoll der alten und neuen Frontlinien zwischen
Orient und Okzident, sondern präsentieren die üppige Ernte jener Felder, die
quer zu diesen fiktiven Fronten gedeihen. Wir setzen auf Projekte, in denen Künstler und Künstlerinnen
unterschiedlicher Pässe zusammenarbeiten und sich auch nicht einander
entfremden, weil die einen Tickets in die EU haben und die anderen nicht."
World, Jazz und Rock
bis traditionell und klassisch inspiriert
Das Programm beinhaltet einen Mix aus arrivierten Stars und
in Österreich noch nicht so bekannten Künstlerinnen und Künstlern sowie
Newcomer der diversen Szenen von World, Jazz und Rock bis hin zur traditionellen
Musik und klassisch inspirierter Kunstmusik. Mit den Taraf de Haïdouks gastiert
im Rahmen von Balkan Fever laut Schuberth "eine der besten Roma-Bands der Welt in Wien, die
bei Balkan Fever ausschließlich klassische Musik aber
à la mode des tziganes zum Besten geben wird." International ziemlich bekannt
sind auch das Original Kočani Orkestar aus Mazedonien und Karandila aus
Bulgarien, also zwei von drei Balkanbrass-Bands beim Festival. Die dritte
Balkanbrass-Band hingegen kennt hier kaum jemand. Schuberth: "Mit Fanfara Tirana
haben wir das seltene Beispiel einer albanischen Brass-Band zu Gast, womit auch
vor der hier beinahe unbekannten, aber musikalisch reichen albanischen Kultur
der Hut gezogen werden soll." Weitere Höhepunkte: Das HGM Jazzorkestar Zagreb
mit Kompositionen des großen Charles Mingus und die in Budapest lebende World-,
Folk- und Balkanjazz-Legende Nikola Parov, der mit seinem Quartett die
Verbindungen zwischen balkanischer und irischer Musik erforscht. Ebenfalls zu
Gast sind zwei Größen und Modernisierer
der ungarischen Roma-Tradition: Cimbalom-Virtuose Kalman Bálogh und die Band
Romengo mit ihren rollenden, mitreißenden Vokalimprovisationen.
Balkan Sounds made in Austria
Und auch Musik aus Österreich hat Platz beim Festival, und
zwar die niederösterreichische L.A. Big Band, die mit der kosovarischen
Sängerin Irina Karamarković ein furioses Programm mit Kosovo-Bezügen
zusammengestellt hat, nachzuhören auch auf dem hervorragenden Album "Sounds of
Kosovo", erschienen bei ATS Records im Vertrieb von Extraplatte. Karamarković: "Sounds of Kosovo ist nicht nur Ausdruck meiner Selbst, sondern eine allgemeine
Geschichte der Ausgrenzung, der Demütigung, der Rechtlosigkeit und der
Selbstbehauptung, deren Umstände ich durch die Texte aufzuzeigen und zu
durchbrechen versuche." Die Sängerin und Schriftstellerin war übrigens ebenso
wie Nataša Mirković De Ro, die ihr ambitioniertes multi-ethnisches "Berg-Projekt" mit Liedern der balkanischen Bergregionen beim Festival präsentieren
wird, Sängerin vom Sandy Lopičić Orkestar. Und bei einem 5-Jahres-Jubiläum dürfen
die ewig jungen Pioniere des Balkan-Folk in Österreich, ohne die das alles
nicht möglich gewesen wäre - die Wiener Tschuschenkapelle - natürlich ebenfalls
nicht fehlen.
Cabaret-Punk-Jazz-Folk direkt aus dem Untergrund
Auch dem so genannten Underground, dem in Ex-Jugoslawien
immer eine subversive wie integrative Funktion beikam, erweist das
Balkan-Fever-Team heuer Reverenz, und zwar in seinen klügsten und untypischsten
Ausformungen: Die schrägen Gustafi aus Pula, Istrien, und die mazedonische
Cabaret-Punk-Jazz-Folk-Band Foltin aus Bitola sowie die bulgarische
Reggea-Institution Root Souljah. Der vielleicht größte und schmackhafteste
Leckerbissen: die Kooperation des syrisch-armenischen Oudspielers und Sängers
Haig Yazdjian und des krim-tatarischen Tapping-Gitarren-Meisters Enver
Izmailov, womit der Balkan folgerichtig
in den Orient übergleitet, wo er ja immer auch schon war. Und schließlich gibt
es auch noch einen Jazzpiano-Schwerpunkt im Porgy & Bess mit Konzerten des
Istanbuler Jazz- und Klassik-Pianisten Sabri Tuluğ Tirpan, des Bulgaren Antoni
Donchev sowie des Serben Vasil Hadžimanov in einer denkwürdigen Kooperation mit
dem mazedonischen Gitarristen Toni Kitanovski
und dem bulgarischen Kaval-Experimentator Theodosii Spassov. (pt/mh; Fotos: Asphalt
Tango Records, ATS Records, Foltin, Victor Lilov, Yann
Saint-Sernin)
Das Programm (Band-Infos siehe Terminvorschau beim jeweiligen Datum):
Do., 17. 4. 2008
Szene Wien (20 Uhr)
Karandila (Bulgarien)
{sus_amazon id=B000266XXK&pid=kulturwoche-21}
Sa., 19. 4. 2008
OST Klub (22 Uhr)
Romengo (Ungarn)
So., 20. 4. 2008
Porgy & Bess (20.30 Uhr)
Vasil Hadžimanov, Toni Kitanovski, Theodosii Spassov u.
Aleksandar Sekulovski (Serbien/Mazedonien/Bulgarien)
{sus_amazon id=B00004TCGO&pid=kulturwoche-21}
Do., 24. 4. 2008
Joe Zawinul’s Birdland (20 Uhr)
Irina
Karamarković & L. A. Big Band (Kosovo/Mostviertel)
{sus_amazon id=B000VKV7D8&pid=kulturwoche-21}
Fr., 25. 4. 2008
OST Klub (22 Uhr)
Original Kočani Orkestar (Mazedonien)
{sus_amazon id=B00004ZC3E&pid=kulturwoche-21}
Fr., 26. 4. 2008
Planetarium (22 Uhr)
Root Souljah (Bulgarien)
So., 27. 4. 2008
Porgy & Bess (20.30 Uhr)
Antoni Donchev Quartett (Bulgarien)
Do., 1. 5. 2008
Joe Zawinul’s Birdland (20 Uhr)
Nataša
Mirković De Ros "Mountain Winds" (Bih/Ser/Slo/Bg/A/Tr)
Fr., 2. 5. 2008
OST Klub (22 Uhr)
Nikola Parov Quartett (Bulgarien/Ungarn)
Sa., 3. 5. 2008
Planetarium (22 Uhr)
Foltin (Mazedonien)
Mi., 7. 5. 2008
Porgy & Bess (20.30 Uhr)
HGM Jazzorkestar Zagreb plays Mingus (Kroatien)
Do., 8. 5.
2008
Sargfabrik (20 Uhr)
Taraf de
Haïdouks (Rumänien/Bulgarien)
{sus_amazon id=B000QJM9CW&pid=kulturwoche-21}
Fr., 9. 5. 2008 (20 Uhr)
Joe Zawinuls’s Birdland
Haig Yazdjian & Enver Izmailov (Armenien/Griechenland/Ukraine/Usbekistan/Syrien)
{sus_amazon id=B0009Z667W&pid=kulturwoche-21}
Sa., 10. 5. 2008
OST Klub (22 Uhr)
Gustafi (Kroatien)
So., 11. 5. 2008
Joe Zawinul’s Birdland (20 Uhr)
Wladigeroff Brothers & Band feat. Otto Lechner (Bulgarien/Österreich/Serbien)
Mi., 14. 5. 2008
Porgy & Bess (20.30 Uhr)
Sabri Tulug Tirpan & Band (Türkei/Kuba/Österreich)
Do., 15. 5. 2008
Sargfabrik (20 Uhr)
Kálmán
Balogh & The Gypsy Cimbalom Band (Ungarn)
{sus_amazon id=B000V6I6S6&pid=kulturwoche-21}
Fr., 16. 5. 2008
Porgy & Bess (20.30 Uhr)
Die Wiener Tschuschenkapelle (Kroatien/Serbien/Mazedonien/Bulgarien)
{sus_amazon id=B000MTEE4C&pid=kulturwoche-21}
Sa., 17. 5. 2008
Szene Wien (20 Uhr)
Fanfara
Tirana feat. Hysni Zela (Albanien)
{sus_amazon id=B000PTYUPW&pid=kulturwoche-21}
Link-Tipp:
HP von Balkan Fever
|