Auf stilistische Vielfalt, Transnationalität und Qualität setzt das Team rund um Richard Schuberth auch bei der fünften Auflage des Festivals Balkan Fever, das 2008 zwischen 17. April und 17. Mai an sechs verschiedenen Spielorten in Wien über die Bühne gehen wird.
"Seit Bestehen unseres Festivals", so Richard Schuberth, "hat sich die Musiklandschaft hierzulande rapide verändert, im positiven wie negativen Sinn. Was vor Jahren noch als Exotikum bestaunt wurde, ist zur Selbstverständlichkeit geworden, andererseits beobachten wir mit der größeren Breitenwirkung balkanischer und orientalischer Musikformen auch eine gewisse Verflachung und Kommerzialisierung der Szene. Eine logische wie notwendige Entwicklung, an der Balkan Fever zwar indirekt teilhatte, aber sich nicht beteiligen will." Was dem Festival-Team noch nicht gelang, ist eine ordentliche Basisfinanzierung durch die Stadt Wien zu erhalten, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass sich die Stadt Wien nicht mit dem legendären Ausspruch Metternichs "Der Balkan beginnt am Rennweg" so richtig anfreunden kann, denn am hochkarätigen Programm kann es nicht liegen, aber bitte, wie schrieb Peter Handke einmal so treffend: "Was weiß ein Fremder?" So tänzelt das Festival jedenfalls auch im fünften Jahr des Bestehens am Rande der Liebhaberei, Dank des regen Publikumsinteresses und ob des kreativen Eigensinns geht es sich aber halt doch irgendwie aus. Verweigerung der alten und neuen Frontlinien zwischen Orient und Okzident Richard Schuberth über die diesjährige Motivation und Programmgestaltung: "Mit dem nunmehr 5. Balkan-Fever-Festival wollen wir uns und unser Publikum mit einem besonders delikaten Programm belohnen, das voll der Magie des Unerwarteten ist und in seiner Vielfalt kaum übertroffen werden könnte. Weiters fahren wir mit dem Ansatz fort, den Südosten Europas nicht als faszinierend bäuerlichen Regionalismus zu zelebrieren, sondern die Weltläufigkeit dieses lang gestreckten Kontinuums hervor zu streichen, und zwar nicht im Sinne ökonomischer, sondern künstlerischer Bereicherung, nicht aus dem paternalistischen Fokus des Westens, sondern der Künstler selbst - vor Ort. Dabei verweigern wir uns lustvoll der alten und neuen Frontlinien zwischen Orient und Okzident, sondern präsentieren die üppige Ernte jener Felder, die quer zu diesen fiktiven Fronten gedeihen. Wir setzen auf Projekte, in denen Künstler und Künstlerinnen unterschiedlicher Pässe zusammenarbeiten und sich auch nicht einander entfremden, weil die einen Tickets in die EU haben und die anderen nicht." World, Jazz und Rock bis traditionell und klassisch inspiriert Das Programm beinhaltet einen Mix aus arrivierten Stars und in Österreich noch nicht so bekannten Künstlerinnen und Künstlern sowie Newcomer der diversen Szenen von World, Jazz und Rock bis hin zur traditionellen Musik und klassisch inspirierter Kunstmusik. Mit den Taraf de Haïdouks gastiert im Rahmen von Balkan Fever laut Schuberth "eine der besten Roma-Bands der Welt in Wien, die bei Balkan Fever ausschließlich klassische Musik aber à la mode des tziganes zum Besten geben wird." International ziemlich bekannt sind auch das Original Kočani Orkestar aus Mazedonien und Karandila aus Bulgarien, also zwei von drei Balkanbrass-Bands beim Festival. Die dritte Balkanbrass-Band hingegen kennt hier kaum jemand. Schuberth: "Mit Fanfara Tirana haben wir das seltene Beispiel einer albanischen Brass-Band zu Gast, womit auch vor der hier beinahe unbekannten, aber musikalisch reichen albanischen Kultur der Hut gezogen werden soll." Weitere Höhepunkte: Das HGM Jazzorkestar Zagreb mit Kompositionen des großen Charles Mingus und die in Budapest lebende World-, Folk- und Balkanjazz-Legende Nikola Parov, der mit seinem Quartett die Verbindungen zwischen balkanischer und irischer Musik erforscht. Ebenfalls zu Gast sind zwei Größen und Modernisierer der ungarischen Roma-Tradition: Cimbalom-Virtuose Kalman Bálogh und die Band Romengo mit ihren rollenden, mitreißenden Vokalimprovisationen. Balkan Sounds made in Austria Und auch Musik aus Österreich hat Platz beim Festival, und zwar die niederösterreichische L.A. Big Band, die mit der kosovarischen Sängerin Irina Karamarković ein furioses Programm mit Kosovo-Bezügen zusammengestellt hat, nachzuhören auch auf dem hervorragenden Album "Sounds of Kosovo", erschienen bei ATS Records im Vertrieb von Extraplatte. Karamarković: "Sounds of Kosovo ist nicht nur Ausdruck meiner Selbst, sondern eine allgemeine Geschichte der Ausgrenzung, der Demütigung, der Rechtlosigkeit und der Selbstbehauptung, deren Umstände ich durch die Texte aufzuzeigen und zu durchbrechen versuche." Die Sängerin und Schriftstellerin war übrigens ebenso wie Nataša Mirković De Ro, die ihr ambitioniertes multi-ethnisches "Berg-Projekt" mit Liedern der balkanischen Bergregionen beim Festival präsentieren wird, Sängerin vom Sandy Lopičić Orkestar. Und bei einem 5-Jahres-Jubiläum dürfen die ewig jungen Pioniere des Balkan-Folk in Österreich, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre - die Wiener Tschuschenkapelle - natürlich ebenfalls nicht fehlen. Cabaret-Punk-Jazz-Folk direkt aus dem Untergrund Auch dem so genannten Underground, dem in Ex-Jugoslawien immer eine subversive wie integrative Funktion beikam, erweist das Balkan-Fever-Team heuer Reverenz, und zwar in seinen klügsten und untypischsten Ausformungen: Die schrägen Gustafi aus Pula, Istrien, und die mazedonische Cabaret-Punk-Jazz-Folk-Band Foltin aus Bitola sowie die bulgarische Reggea-Institution Root Souljah. Der vielleicht größte und schmackhafteste Leckerbissen: die Kooperation des syrisch-armenischen Oudspielers und Sängers Haig Yazdjian und des krim-tatarischen Tapping-Gitarren-Meisters Enver Izmailov, womit der Balkan folgerichtig in den Orient übergleitet, wo er ja immer auch schon war. Und schließlich gibt es auch noch einen Jazzpiano-Schwerpunkt im Porgy & Bess mit Konzerten des Istanbuler Jazz- und Klassik-Pianisten Sabri Tuluğ Tirpan, des Bulgaren Antoni Donchev sowie des Serben Vasil Hadžimanov in einer denkwürdigen Kooperation mit dem mazedonischen Gitarristen Toni Kitanovski und dem bulgarischen Kaval-Experimentator Theodosii Spassov. (pt/mh; Fotos: Asphalt Tango Records, ATS Records, Foltin, Victor Lilov, Yann Saint-Sernin) Das Programm (Band-Infos siehe Terminvorschau beim jeweiligen Datum):
Do., 17. 4. 2008
Sa., 19. 4. 2008
So., 20. 4. 2008
Do., 24. 4. 2008
Fr., 25. 4. 2008
Fr., 26. 4. 2008
So., 27. 4. 2008
Do., 1. 5. 2008
Fr., 2. 5. 2008
Sa., 3. 5. 2008
Mi., 7. 5. 2008
Do., 8. 5.
2008
Fr., 9. 5. 2008 (20 Uhr)
Sa., 10. 5. 2008
So., 11. 5. 2008
Mi., 14. 5. 2008
Do., 15. 5. 2008
Fr., 16. 5. 2008
Sa., 17. 5. 2008
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