Das 16. Album von Michael 'Thinking Man's Rock' Franks, der seit seinem
Debütalbum im Jahr 1973 kompromisslos Brücken zwischen Jazz, Pop und Lyrik
spannt, von einigen als Erfinder von Smooth Jazz tituliert wird, ist ein
weiterer Höhepunkt in seinem Schaffen.
"The critics are never kind/they thrive on the negative..."
Oberflächlich gehört bietet Rendezvous in Rio wenig Veränderung und auch hinsichtlich seines Gesamtwerks fügt sich das Album nahtlos ein. Aber Michael Franks sollte man nicht nebenher hören, viel zu raffiniert sind nämlich seine Arrangements, viel zu ausdrucksstark seine Texte. So z.B., wenn er in "The critics are never kind" das Trio Gauguin, Degas und Van Gogh zu Wort kommen lässt – Künstler, die bereits auf früheren Alben in der einen oder anderen Weise zitiert wurden – und dazu eine perfekte Melodie malt. Gleich der Einstieg mit "Under the sun" – mit von der Partie bei diesem Track ist übrigens der deutsche Schlagzeuger Wolfgang Haffner – bringt die Hörer in die entspannte Welt von Michael Franks: "Under the sun/Stress is undone/With every mile/We travel down that highway/Hot tea and songs/It won't be long/Till we arrive…" singt er da in seiner unnachahmlich smoothen Gesangsstimme, die jeden Eisblock zum Schmelzen bringt und dennoch nie auch nur in die Nähe von Kitsch und etwaigen Klischees kommt. Mit dem Titellied gelang dem Sänger sogar eines seiner denkwürdigsten Lieder als eine erneute Annäherung an Jobim, mit deutlichem Hit-Potenzial und einer Lockerheit in der Umsetzung, die kaum zu überbieten ist, obwohl (oder vielleicht weil) es textlich gar nicht mal so überragend zugeht, wenn auch freilich sehr gekonnt: "On the beach we'll chill/So hemispherically contented in Brasil". Das muss einem mal einfallen. Starke Texte gibt es anderen Stellen, z.B. im nachfolgenden "The Cool School", ein Lied über das Altern in der Musikbranche: "Am I a dinosaur, yeah you bet/I grew up listening to Mose and Chet…", um zwei Strophen später zu sinnieren, "If define 'cool' you must/It's kind of ambiguous/Something you sure can't pretend", und, "When your inner harmony/Always turns blue in the end". Dazu spielt Chuck Loeb einen echt coolen Gitarrenpart. In "Samba do Soho" – die einzige Fremdkomposition auf dem Album, geschrieben von Paolo Jobim und Ronaldo Bastos – bewegt sich Michael Franks wieder ins musikalische Zentrum Brasiliens, während ein Lied später, in "The critics are never kind", der Pulsschlag im Beat von Schlagzeuger Jerry Marotta leicht erhöht wird, und zudem – das Lied handelt ja wie bereits erwähnt von Gauguin, Degas und Van Gogh – passender Weise von drei Sängern gesungen wird. Neben Michael Franks sind da auch noch Robbie Dupree und Larry Hoppen zu hören. Ein merkwürdiges, intensives Stück Musik. Das wohl typischste Michael Franks-Lied auf dem Album ist "Scatsville", eine irritierende Symbiose zwischen Leichtigkeit des Seins im musikalischen Ausdruck und höchster Textqualität mit enormer Dichte und Anspielungen auf literarische Meisterwerke: "It's the language of madmen/When you talk through your hat/My eleventh Commandment's/'Thou Shalt Not Scat!'" singt Franks, Gary Meek spielt dazu ein illustres Saxofon und Jeff Lorber perlt wundersame Keyboardparts hervor. In "The Chemistry of Love" gräbt Michael Franks ebenfalls in seinem Element als Bewahrer schöner Melodien und von Liebesschwüren gefinkelten Sätzen: "Now here we are Woman and Man/And like those statues by Rodin/I can't tell you from me/Inside the chemistry of love". Wie einfach die Zeit war als man einfach so den Moment lebte und was das für ein unglaublich erhebendes Gefühl für den Sänger war, das erste Mal "Take Five" von Dave Brubeck zu hören, davon handelt das jazzigste Lied am Album, "Hearing 'Take Five'": "For once pure genius/Also was fame/And once I heard it/I was never the same". Gemeinsam mit Roger Burns (Keyboards), Eric Marienthal (Alto saxophone), Vinnie Colaiuta (Drums), Jimmy Haslip (Electric bass) und Andy Suzuki (Woodwinds) geht er mit diesem Lied am stärksten in die Offensive und bewegt sich damit auch am weitesten vom Smooth weg. Hervorragend. Die gleiche Besetzung ist übrigens auch im Lied "The Question Is Why" zu hören, dem allerdings unauffälligsten und in gewisser Weise auch dem unattraktivsten Lied des Albums. Mit dem unglaublich gefühlvollen und sensitiven "Songbirds" hingegen, in Gedenken an Randy VanWarmer [der mit "Just When I Needed You Most" Ende der 1970er Jahre einen Welthit landen konnte und im Jahr 2004 an Krebs starb; Anm.], klingt das Album schließlich aus: "When I consider your absence/Then my smile erases/Sure, the Creator creates/But rarely He replaces/Songbirds as perfect as you." Fazit, quasi als Kürzestversion: Michael Franks, einer der ganz Großen, legt mit "Rendezvous in Rio" eines seiner besten Alben vor. (Manfred Horak)
CD-Tipp: Interview mit Wolfgang Haffner Interview mit Till Brönner (Teil Eins) Interview mit Sabina Hank (Teil Zwei) Brubeck, Dave – Indian Summer (CD-Kritik) |
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