Stefano Bollani (Italien)
European Jazz Prize 2007 (Dotiert mit EUR 14.500,- von Stadt Wien und BA-CA)
Der 34jährige italienische Pianist Stefano Bollani gehört zu jenen jüngeren europäischen Musikern, die sich ebenso selbstverständlich in der amerikanischen Jazztradition bewegen wie in der europäischen Musik und im Pop, die allen diesen unterschiedlichen Einflüssen aber einen unverkennbar eigenen, individuellen Stempel aufprägen. Dabei setzt der technisch hoch versierte Pianist weniger auf fulminante Virtuosität als vielmehr auf Transparenz, auf eine im Detail immer wieder überraschende Harmonik (oder Reharmonisationskunst) und auf seine sichere Gestaltungskraft, die überzeugende Balance hält zwischen offenen Strukturen und einem klaren Formwillen. Stefano Bollani repräsentiert – durchaus in der Tradition von Keith Jarrett und Michel Petrucciani, aber auch der romantischen europäischen Klaviermusik - jene "komplette" Pianistik, die eher den "orchestralen"Gesamtklang" in den Vordergrund rückt als das Feuerwerk spektakulärer Virtuosität. Die raffinierte Verschränkung von prägnanten Bassfiguren und ausgesuchten Harmonien einerseits und kaum je auswuchernder Melodik prägen Bollanis individuellen Stil und zeichnen ihn aus als einen der überzeugendsten Pianisten der jüngeren Generation. Dazu kommen insbesondere bei seinen Solokonzerten und Auftritten mit seinen diversen Kleinensembles eine verspielte Ironie und einen nahezu enzyklopädischen Umgang mit Musiken unterschiedlichster Herkunft; sein Repertoire umfasst Jazzstandards bis zurück zum Ragtime und Stridepiano, Themen aus der klassischen Klavierliteratur ebenso wie italienische Canzoni, schwedischen Volksliedern, Tangos und Popballaden. Nicht zufällig wurde Bollani in Italien zuerst bekannt als witziger, auch singender Entertainer, als Parodist italienischer Liedermacher und als Begleiter etwa des italienischen Rockmusikers Jovanotti, bevor ihn der italienische Trompeter Enrico Rava 1996 gleichsam von der Straße weg als Pianisten engagierte. Einer breiteren europäischen Zuhörerschaft wurde Bollani zwar erst mit seinem Soloalbum "Piano Solo" bekannt, in Jazzkreisen aber hat er sich längst zuvor mit seinen eigenen Gruppen und als gefragter Pianist in den Ensembles von Rava, Paolo Fresu, Richard Galliano, Phil Woods, Pat Metheny und anderen mehr einen Ruf als "Rising Star" gemacht. In den vergangenen zwei Jahren hat Stefano Bollani mit den CDs "Tati" (mit Rava und Paul Motion), "Gleda – Songs von Skandinavia" (mit seinem dänischen Trio), "I Visionari" (mit seinem italienischen Quintett) und "Piano Solo" sowie zahlreichen Tourneen, Festivalauftritten und Einzelkonzerten seinen Ruf als einen der kreativsten und interessantesten Stimmen der europäischen Jazzszene gefestigt. (Jurybegründung)
Christian Muthspiel
Musiker des Jahres 2007 (Dotiert mit EUR 7.300,- vom Bundeskanzleramt)
Christian
Muthspiel kann eigentlich nicht für seine Verdienste innerhalb eines
bestimmten Jahres gewürdigt werden: Die Arbeit des Posaunisten,
Komponisten und Dirigenten streckt sich über längere Zeiträume, ständig
forscht, erkundet, entwickelt er. Das Anliegen, die Grenzen zwischen
notierter und improvisierter Musik zu überwinden und starre
Aufführungstraditionen aufzubrechen, formuliert der 1962 in Judenburg
geborene Musiker immer wieder neu – mal im Konzertsaal, mal im
Jazzclub, mal in neu entdeckten Veranstaltungsorten wie dem Wartesaal
des Bahnhofs in Neuberg an der Mürz. Dort gastierte Muthspiel z.B. mit seinem Projekt "für und mit ernst", einer Performance mit Texten
von Ernst Jandl. Mit
seinem Trio interpretiert Muthspiel Musik von Harry Pepl und Werner
Pirchner, dazu erarbeitet er
Mozart-Interpretationen ("Mozart Loops"), Klanginstallationen und
Lesungen mit Musik. Für den Herbst 2007 studiert der Vielbeschäftigte u.a.
mit Alegre Corrêa und dem Staatsorchester Hannover ein
Brasilien-Programm ein. Wer denkt, all das sei schon vielseitig genug,
dem zeigt Muthspiel seine "Fensterbilder"-Malereien, die der Musiker
bisher "geheim" angefertigt hat. (Jurybegründung)
Christoph Pepe Auer
Newcomer des Jahres 2007 (Dotiert mit EUR 5.500,- von BA-CA)
Fast
wäre er Heavy-Metal-Schlagzeuger geworden – doch kurz bevor er aus
Tirol zum Studium nach Graz übersiedelte, entschloss sich Christoph
Pepe Auer dann doch, sich auf das Saxofon zu konzentrieren. Als Schüler
von Klaus Dickbauer, Heinrich von Kalnein und Karl-Heinz Miklin
entwickelte Auer einen klaren, lyrischen Ton, der sich im
Neo-Bebop-Umfeld ebenso gut bewährt wie in abenteuerlichen, freieren
Improvisationen. Seinen Horizont erweiterte der heute 26-Jährige 2006
bei einem zweimonatigen Aufenthalt in New York, der durch ein
Koller-Preis-Stipendium ermöglicht wurde. Wie ein Schwamm sog der junge
Musiker Einflüsse auf, vernetzte sich mit Musikern, spielte und
spielte. Das Album "The New York Sessions" ist das verdichtete Resultat
des Austauschs im Big Apple. In Österreich führt Auer ein Quartett mit
Peter Kronreif (drums), Martin Reiter (piano) und Matthias Pichler
(bass) an. Als Mitglied des Drum'n'Bass-Ensemble Damensattel und der
HipHop-Band Chillin' con Karma zeigt der Musiker, dass seine
Entscheidung für Jazz und das Saxofon keinesfalls eine Entscheidung für
Scheuklappen-Purismus war. (Jurybegründung)
Wolfgang Puschnig - Things Change: The 50th Anniversary Box (Universal)
CD des Jahres 2007 (Dotiert mit EUR 3.600,- vom Bundeskanzleramt)
Wo gefeiert wird, wird auch musiziert – dieser Tradition folgt die Box aus 3 CDs und einer DVD, die anlässlich des 50. Geburtstags von Wolfgang Puschnig die überschwängliche Kreativität des Künstlers dokumentiert. Dass Puschnig aus Herzenslust musizieren darf, ist gleichermaßen ein Geschenk an seine Fans wie an ihn selbst – nur eine CD, "Remains of The Days", besteht aus bisher unveröffentlichten Aufnahmen, sonst probierte der Kärntner Neues aus oder vertiefte sich in lang gepflegte Leidenschaften. "Meiner Sö/Moj Duh", aufgenommen mit dem Ensemble Schnittpunktvokal, enthält elf Kärntnerlieder, bei denen Puschnig in neuen Arrangements den "Blues-Geist" der Musik noch stärker hervorkehrt. Auf "3D" tritt Puschnig erstmals ausschließlich als Flötist auf, begleitet von Paul Urbanek am Piano und Patrice Heral am Schlagzeug. Die DVD "Visual Inflictions" zeigt Puschnig und Mitmusiker beim freien Improvisieren in Wohnzimmern und Proberäumen, auf Wiesen, im Wald – die spontanen Aufnahmen, später von Urbanek arrangiert und komplettiert, zeigen, dass Puschnig mit zunehmendem Alter noch viel Wanderlust und kindliche Neugier in sich hat. (Jurybegründung)
Gina Schwarz
Side(wo)man des Jahres 2007 (Dotiert mit EUR 3.600,- vom Austrian Music Office)
Muss eine Musikerin erst als Bandleaderin auftreten, um als Sideman oder -woman wahrgenommen zu werden? Eine CD wie "Schwarzmarkt", das 2006 veröffentlichte Debüt der Band von Bassistin Gina Schwarz, hilft ohne Zweifel bei der Profilierung. Doch die Qualitäten der Niederösterreicherin sind in Musikerkreisen längst bekannt, Solo-Projekte hin oder her. Musiker wie Harri Stojka, Yta Moreno und George Garzone bauten auf das geradlinige, kraftvolle Spiel der Musikerin, die ihre Laufbahn am E-Bass begann und später zum Kontrabass wechselte. Peter Herbert fungierte früh als Schwarz' Mentor, ein Studium am Berklee College of Music und Aufenthalte in New York mit Unterricht bei Größen wie Dennis Irwin und Cecil McBee halfen ihr, ihren Sound weiter zu formen. In den USA nahm auch das Acoustic-Jazz-Projekt Global Glue mit dem Saxofonisten Peter Natterer seinen Ausgang, mit dem Schwarz weiterhin auftritt. Dazu ist die Bassistin in Projekte involviert, die vom Dixieland-Jazz bis zum Soul und Funk ein weites musikalisches Spektrum umfassen. (Jurybegründung)
Felician Honsig-Erlenburg und Philipp Nykrin
New York Stipendium 2007 (Dotiert mit EUR 7.300,- vom Bundeskanzleramt)
Mit
harter Arbeit kann man nur schwer erreichen, was manch einem scheinbar
in die Kinderschuhe gelegt wird. Felician Honsig-Erlenburg (siehe Schwarz-Weiß-Foto) ist ein
großes Talent, sein Sound ist so überzeugend wie sein Groove, seine
Improvisationen sind voll von motivischer Logik und in seinen
Kompositionen spiegelt sich musikalische Reife und ein beachtlicher
Horizont. Kein Wunder, hat doch der 1985 in Klagenfurt geborene
Saxophonist schon 18-jährig am Berklee College of Music von Meistern
wie George Garzone und Joe Lovano lernen dürfen, wo ihm damals sogar
der "Berklee Charlie Parker Award" verliehen wurde. Seit 2007 bereist
er von Wien aus die ganze Welt, um mit seinem American Trio
aufzutreten oder mit der internationalen Besetzung Spaennkraft die Möglichkeiten der freien Improvisation auszuloten. Seine
Musik "von dort herholen, wo man gerne hinhört" – das klingt einfach,
verlangt aber einiges an Flexibilität, Reife und Fantasie.
Der
Salzburger Pianist Philip Nykrin hat sich seinen intuitiven Ansatz
nicht verbauen lassen und greift mit viel Selbstvertrauen in alle
musikalischen Töpfe, die ihm zur Verfügung stehen. Ein großes Vorbild
ist dabei der US-Pianist Jason Moran. Wie Moran hat auch Nykrin einen
Hang zum HipHop und zu elektronischen Grooves, sieht sich als Kind der
MTV-Generation, erschöpft sich aber nicht in der Wiederholung der
musikalischen Formeln und Signaturen, die populäre Stile festnageln.
Stattdessen arbeitet der Absolvent des Linzer Bruckner-Konservatoriums
an seiner eigenen Signatur: Mit
leichtfüßigen Improvisationen, Riffs und weit gespannten Akkorden holt
Nykrin seine Einflüsse in einen eigenen musikalischen Kosmos und
tauscht sie mit seinen Trio-Partnern Matthias Pichler (bass) und Peter
Kronreif (drums) aus. Das erste Album "Open-Ended" erschien im Frühjahr
2007 – auf nächste Schritte darf man gespannt sein.
Live-Tipp:
Die
Preisverleihung findet am 14. Dezember 2007 um 20.30 Uhr, das Konzert des
European Jazz Prize-Trägers am 15. Dezember 2007 um 20.30 Uhr, beides im
Porgy & Bess, Riemergasse 11, 1010 Wien statt.
Link-Tipps:
CD-Kritik Wolfgang Puschnig - Things Change
CD-Kritik Robert Bachner Big Band (feat. Gina Schwarz) - Moments of Noise
CD-Kritik Christoph 'Pepe' Auer - The New York Sessions und Living Room