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arjouni_jakob_chezmaxDie politische Zukunft erläutert der in Südfrankreich und in Paris lebende Autor Jakob Arjouni anhand einer Erzählung über den Restaurantbesitzer Max Schwarzwald. Eine politische Zukunft, die einem gar nicht mal so befremdend wirkt und von daher weit entfernt von etwaigen Fantasy-Aspekten auskommt.



 



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Beim Lesen von "Chez Max" erinnert man sich auch unweigerlich an den verstörenden Roman "1984" von George Orwell. Bei letzterem führten die drei Supermächte Oceania, Eurasia und Eastasia permanent Krieg miteinander. Güterrationierung, schlechte Wohnqualität, Kollektivismus, Militarismus, Massenliteratur, politische Propaganda, Bespitzelung und Sprachverfall waren die grundlegenden Themen von Orwell. Ein Alptraum mit der eindringlichen Warnung „Don’t let it happen. It depends on you“. War bei Orwells „1984“ das „Gute“ und das „Böse“ noch leichter erkennbar, so entwirft Jakob Arjouni in „Chez Max“ sehr vielschichtige unterschwellige Botschaften, bei dem oft ein mulmiges Gefühl ansteht. Bei Arjounis Roman ist die Welt ebenfalls aufgeteilt, und auch hier wird bespitzelt. Orwell nannte es Gedankenpolizei und hievte eine politisch-intellektuelle Elite der so genannten „Inner Party“ mit dem „Great Brother“ an die Weltmacht, bei Arjouni ist es der wirtschaftlich geführte Weltkonzern „Ashcroft“ (benannt nach dem ehemaligen Justizminister der USA), der für die Überwachung sorgt. Niemand weiß, wer bei „Ashcroft“ angestellt ist. Im Jahr 2064, so Arjouni, teilt sich die Welt in zwei Hälften, geteilt durch einen Zaun. „Zeitgleich mit dem Zaunbau“, so steht es geschrieben, „begannen die Armeen Europas und Chinas den Rest der Welt zu entwaffnen. Es folgte der knapp fünfjährige „Große Befreiungskrieg“, an dessen Ende sämtliches Kriegsgerät in der südlichen Hemisphäre entweder zerstört oder abtransportiert und der Zaun fertiggestellt war. Er teilte die Welt, grob gesagt, ein für alle Mal in Fortschritt und Rückschritt oder zumindest Stillstand…“

Auf der einen Seite also die Wohlstandsgesellschaft, auf der anderen Seite Länder, die verleugnet werden bzw. Menschen, die als potenzielle Terroristen gelten oder in völliger Armut leben und für den Wohlstand der Menschen auf der anderen Seite des Zauns sorgen. Arjouni errichtet in „Chez Max“ also eine Utopiegesellschaft, die zum Teil gar keine mehr ist und vollzieht gleichermaßen die gedankliche Fortführung von Orwells „1984“, in dem er die Wohlstandsgesellschaft den Namen „Euroasiatische Wertegemeinschaft“ gibt.

Der in Deutschland geborene Autor siedelt die Geschichte in Paris an und führt diese gedanklich kompromisslos durch. Informationen, wie die Welt im Jahr 2064 wurde wie sie sein wird, schleust Arjouni so nebenbei ein, denn im Mittelpunkt steht eigentlich eine Agentengeschichte des Teams Max Schwarzwald und Chen Wu. Ersterer relativ erfolglos im Bespitzeln und Aufdecken potenzieller Gefahrenquellen, ist Chen Wu hingegen einer der erfolgreichsten „Ashcroft“-Mitarbeiter. Eines Tages begann Max allerdings – aus gutem Grund, wie er befand - seinen Partner zu bespitzeln. Des Autors Stil, ein Mix aus faktischen Informationen und Krimistory, ist deutlich und vor allem kurzweilig und so bietet „Chez Max“ eine überaus gelungene Geschichte, die, wie bereits angedeutet, stets Unbehagen auslöst, aber auch als Kriminalroman seine Reize bietet. Ob das von Arjouni entworfene Zukunftsszenario jedoch in dieser Krassheit oder zumindest in einer sehr ähnlichen Art und Weise eintrifft, sei dennoch dahingestellt, da Jakob Arjouni nicht ganzheitlich zu Ende dachte und etwaige klimatische Langzeitveränderungen gänzlich außer Acht ließ als er die zukünftigen Machtverhältnisse erdachte und niederschrieb. Und diesen Faktor, so meine ich, sollte man in einem politischen Zukunftsroman nicht aussparen. (Manfred Horak)

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Diogenes Verlag (2006)
Leinen, 224 S.
ISBN 3-257-06536-1