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gauss_wirtshausgespraeche_teaserDer Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ verfasste zehn muntere Reisereportagen zur Erweiterung der europäischen Union und begab sich dabei mitunter an den Rändern Europas.

Der schmale Band überzeugt mit ausnahmslos erhellenden Gedanken und Geschichten in Essayform, die ursprünglich in der Tageszeitung „Der Standard“ erschienen. Für diese fuhr Karl-Markus Gauß von Estland bis nach Malta, von Litauen bis nach Slowenien, von der östlichsten bis zur südlichsten Stadt der erweiterten Union und musste dabei nicht selten improvisieren: „Was tun in einer fremden Stadt“, so Gauß einleitend über seinen Besuch in Narwa (Estland), „wenn man in einer Winternacht eintrifft und das einzige Hotel geschlossen hat? Nun, man sucht die belebten Viertel zu finden, in der Hoffnung, dort die Nacht eher zu überleben, und gerät dann doch in die finsteren, wo sich alle möglichen Leute hilfreich zeigen, daß (sic!) es einem wider Erwarten tatsächlich gelingt.“

Sentimentale Gegenwartsbefindlichkeit

Gauß beschreibt in „Wirtshausgespräche in der Erweiterungszone“ sehr kompakt die wesentlichsten Infos zu den zehn Ländern, und geht dabei auf die lange Historie ebenso ein wie auf die Gegenwartsbefindlichkeit – und, ja, Gespräche führte er natürlich auch. Jede Menge sogar. Seine Gesprächspartner waren jedoch nicht offizielle Repräsentanten eines Staatengebildes, sondern die so genannten Leute von der Straße.
In all diesen Gesprächen liegt sehr viel Melancholie, Sentimentalität, aber auch Humor und Zorn, die Gauß in einer klaren, milden, beinahe schon versöhnlichen Sprache darstellt, und zwar dermaßen, dass man gewillt ist, das Buch ohne Unterbrechung zu lesen.

Kuriositäten & Selbstverständlichkeiten

Kuriositäten finden sich darin genauso wie Selbstverständlichkeiten, die halt leider nur all zu selten zu Ende formuliert werden: „Erst im Auto fiel mir auf“, so Gauß im Kapitel Keturiasdesimt Totoriu (Litauen), „daß (sic!) der einzige Ort in Litauen, in dem ich keine Frau mit Kopftuch gesehen hatte, ausgerechnet Keturiasdesimt Totoriu war. Denn hier leben Muslime, bei denen die Männer Schnaps trinken und die Frauen fremde Besucher auf der Straße ansprechen...“
Ergänzt wird dieser essenzielle Essay-Band für Europa mit sehr stimmungsvollen Fotos und der Vertonung der Texte auf beigelegter CD. (Manfred Horak) 

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Otto Müller Verlag
90 Seiten, gebunden Buch und CD (2006)
ISBN: 3-7013-1102-1