Die vielfach preisgekrönte österreichische Autorin Alex Beer veröffentlicht mit Der Häftling von Moabit einen weiteren historischen Kriminalroman auf hohem Niveau.
Felix Blom heißt die neue Romanfigur von Alex Beer
Manchmal lohnt es sich Ausgaben der Berliner Gerichtszeitung aus dem Jahr 1878 zu lesen, nämlich dann, wenn man eine Krimiautorin ist und sich auf historische Kriminalromane spezialisiert hat. Dort, mitunter, stößt man auf Kurzmeldungen, die ein Kopfkino auslösen und eine Geschichte in Gang bringen.
Unter ihrem bürgerlichen Namen Daniela Larcher startete die sympathische Vorarlbergerin 2008 ihre Schriftstellerinnenkarriere und ließ dabei Chefinspektor Morell viermal erfolgreich in der österreichischen Gegenwart ermitteln. Danach erfolgte ein Neustart als Alex Beer mit seither acht historischen Kriminalromanen. Eine Neupositionierung, da Regio-Krimis überhand nahmen, und sie sich ihren eigenen Platz als Crime-Queen suchen wollte. Gleich für ihren ersten historischen Krimi, „Der zweite Reiter“, erhielt sie den renommierten Leo-Perutz-Preis. Kriminalinspektor August Emmerich ermittelt im Wien der Jahre 1919 bis 1922 und Alex Beer führt das Lesepublikum mitten hinein in den Hunger am Ende des Krieges, dem Zerfall der Monarchie, in die Gründung der Ersten Republik. Kriegsheimkehrer, Arbeitslose, unwirtliche Hygienezustände prägen das Stadtbild, und in all dem setzt Alex Beer ihre Krimi-Handlung an, aktuell mit dem fünften Band „Der letzte Tod“. Hier nimmt die Inflation immer weiter Fahrt auf, die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, und der Staatsbankrott steht kurz bevor. Parallel dazu erschienen von Alex Beer auch bisher zwei Romane, die wiederum in Nürnberg 1942 angesiedelt sind. Hier ermittelt der jüdische Antiquar Isaak Rubinstein als der fiktive Sonderermittler Adolf Weissmann. Zwei sehr düstere Krimis, auf denen sich die Starautorin auf einen schmalen Grat begibt. Alle ihre Romane leben von den starken Charakterzeichnungen, von ihren umfangreichen Vorabrecherchen und von ihrer Detailverliebtheit - all das ist gewissermaßen ihr Markenzeichen. Das gilt auch für ihren jüngsten Krimi aus ihrer Feder, „Der Häftling von Moabit“, rund um ihre neu eingeführte Person, Felix Blom, der nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird und vom Gauner zum Detektiv mutiert. „Während meiner Recherchen“, so Alex Beer, „stieß ich auf die unglaubliche Biografie des 1857 verstorbenen Eugène François Vidocq. Der abenteuerlustige Franzose verdingte sich zunächst als Betrüger, Dieb und Fälscher, und wandelte sich im Laufe seines Lebens vom gerissenen Gauner zum Vater der modernen Kriminalistik und dem ersten Privatdetektiv der Geschichte. Vidocq inspirierte mich zu der Figur des Felix Blom, einem charmanten Ganoven, der zum Ermittler wird.“ Schillernde Charaktere, sei es gewiefte Kommissare, ehemalige Prostituierte und gerissene Gangsterbosse, bestimmen die Szenerie von Berlin 1878. Womit wir wieder bei der eingangs erwähnten Kurzmeldung wären, die den Tod eines Konditorgehilfen bekannt gab und ein mysteriöses Detail enthielt. Der vermeintliche Selbstmörder trug nämlich eine Karte bei sich, auf der zu lesen war „binnen 30 Stunden müsse er eine Leiche sein“. Alex Beer: „Als Inspiration hab ich sehr viele Tageszeitungen aus dieser Zeit gelesen, was da alles tagtäglich so passierte, sozusagen als Hintergrundrauschen, und bin dann auf diesen Fall des Konditorgehilfen gestoßen. Der hat mir so gut gefallen, dass ich mir sagte, okay, den nehme ich als Grundlage.“ Warum überhaupt Berlin und warum ausgerechnet das Jahr 1878, erklärt Alex Beer folgendermaßen: „Ich fand diese Zeit so spannend, weil ich zuvor mit den Emmerich- und Rubinstein-Romanen mir zwei Zeiten vornahm, die ganz düster sind, wo ganz viel Schlimmes passiert und die Leute sehr verunsichert sind. Ich wollte diesmal auch etwas machen, das ein bisschen mehr Leichtigkeit hat, und das sind eben in Berlin diese Gründerjahre. Alles ist im Aufbruch, es wird wahnsinnig viel gebaut und die Leute blicken sehr zuversichtlich in die Zukunft. Das hat mir sehr getaugt. Die Leute waren in dieser Zeit auch technologisch sehr interessiert und habe es aber nicht als Bedrohung gesehen, sondern als lauter Sachen, die das Leben leichter machen. Die Elektrizität kam auf, ebenso das Telefon und in Paris war die Weltausstellung. Und jeden Tag konnte man in der Zeitung lesen, was in Paris neu vorgestellt wurde. Fortschritt und Zukunft wurde positiv gesehen. Das hat mir sehr gefallen.“ //
Text und Fotos: Manfred Horak
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