Ein in Ansätzen hochinteressanter Kriminalroman, der nicht unbedingt darauf aus ist bis zum Schluss die Leser raten zu lassen, wer denn hier die Tat beging (obwohl die Überraschung bis dahin hält), ist "Der Außenseiter" von der Britin Minette Walters.
Ein dreißig Jahre alter Mordfall wird neu aufgerollt, weil der junge Anthropologe Jonathan Hughes durch Zufall auf die alten Prozessakte stößt und ihm dabei schnell klar wird, dass ein Fehlurteil gesprochen wurde. Hughes stößt auf Mauern, klar, bei Krimis stößt man ja immer auf Mauern (des Schweigens bzw. die auf falsche Fährten locken), baut selbst aber auch Mauern auf, weil er sich, ob seiner Herkunft, immer schon als Außenseiter betrachtet und bei so gut wie jeder Begegnung rassistische Anspielungen vermutet. Die Autorin integriert in "Der Außenseiter" seitenweise Protokolle, Gutachten und E-Mail-Korrespondenzen, die den Romanfluss zum Teil zerstückeln und vor allem zu Beginn des Buchs irritiert, was mit der Fortdauer jedoch kompensierend wirkt. Sehr gut sind die Charakteren im Buch, die seltsamen und schrulligen Anwandlungen, die beschriebene Häme und Gemeinheiten handelnder Personen. Resolut die "Partnerin" des Anthropologen, eine Frau namens George Gardener, die bereits seit langer Zeit von der Unschuld des inhaftierten und selbstgemordeten Howard überzeugt ist. Worauf Minette Walters - ein allgemeines Übel der zeitgenössischen Kriminalliteratur - nicht verzichtet ist, dass sie "Der Außenseiter", wenn man die Protokolle außer Acht lässt, auf Dialoge aufbaut, wobei ich schon glaube, dass sie auch tatsächlich ein Erzähltalent besitzt. Warum sie ihre schriftstellerische Kraft in Dialogen vergeudet ist mir unklar, um so mehr, da diese Geschichte, unabhängig vom Spannungskick, weit mehr erzählende Dichte verträgt, die in Kombination mit den Protokollierungen eine ungleich höhere Rasanz erhielte. So aber bleibt "Der Außenseiter" ein mittelmäßiger Kriminalroman unter vielen. (Manfred Horak)
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Goldmann, 2005
512 S., gebunden
ISBN 3 442 31078 4