Sir Michael Philip Jagger mag sich nicht erinnern können wollen und verweigert sich als Autobiograph. Daher veröffentlicht der Journalist Philip Norman rechtzeitig zum 50-Jahr-Jubiläum der Rolling Stones das 720-Seiten Konvolut mit der Mick Jagger Biographie.
I Can't Get No Satisfaction mit der Mick Jagger Biographie
Mick Jagger ist ein Mensch voller Widersprüche, schreibt Norman in der Einleitung, zu außerordentlichen Leistungen fähig, ohne dass ihm diese Leistungen etwas zu bedeuten scheinen, höchst extrovertiert, doch stets auf Diskretion bedacht, ein Egoist wie kein anderer, der nicht gerne über sich selbst spricht. Und Charlie Watts meinte einmal über den Sänger: Mick kümmert es nicht, was gestern war. Ihn interessiert nur das Morgen. Norman hat zwar viel Platz, um sich über die Person Mick Jagger auszubreiten, schiebt dabei aber das wesentliche beiseite, nämlich die Musik, vielmehr stehen die Bettgeschichten im Zentrum dieser Biographie. Gleichzeitig ist es auch ein Fan-Buch, denn für Norman ist Mick Jagger der größte Rock'n'Roll-Star aller Zeiten, und so liest es sich streckenweise halt doch sehr Regenbogenpresse-mäßig. Dennoch gibt es darin einige gelungene Passagen über den Lead-Sänger mit dem unkonventionellen Gesang. Philip Norman über Jagger in den frühen 60ern: Gewöhnlich bemühten sich britische Sänger bei Jazz oder Blues - wenn auch vergeblich - um eine rauchige, heisere Stimme im Stil von Louis Armstrong. Mikes Stimme aber war höher und heller und schöpfte aus einem vielschichtigeren Fundus: Sie war gewissermaßen ein Destillat aus jeglichem Südstaatenakzent, den er jemals aufgeschnappt hatte, ob Weiß oder Schwarz, von Mann oder Frau: Scarlett O'Hara mit einem Touch von Mammy aus 'Vom Winde verweht' und Blanche DuBois aus 'Endstation Sehnsucht' ebenso wie Blind Lemon Jefferson und Sonny Boy Williamson. Immer amüsant zu lesen sind auch die Streitereien zwischen Mick Jagger und Keith Richards, wenn z.B. der Buchautor an einer Stelle einen Reporter zitiert, der Keith Richards fragte: Wann werden Sie Ihren Zickenkrieg mit Mick beenden? Antwort: Fragen Sie doch die Zicke. Dieser Art Geschichtchen gibt es zuhauf in dem Buch, genauso wie halt die Sex & Drugs Episoden. Und schließlich erfahren wir in dieser Biographie noch einmal, was Sir Mick beim Filmfestival Cannes zur Premiere des Dokumentarfilms "Stones in Exile" (2010) vor dem entzückten Publikum sagte: Anfang der Siebziger, sagte er, waren wir junge, gutaussehende, bescheuerte Kerle. Jetzt sind wir nur noch bescheuert. Besonders schade ist der Umstand, dass der Verlag offenbar bei der Übersetzung gespart hat, denn Buddy Guy als einen weißen Bluesharp-Spieler zu beschreiben ist superpeinlich und zeugt vor allem, dass da jemand mit wenig Ahnung von der Materie zu Werke ging. Was übrig bleibt ist ein auffallend Jagger-freundliches Buch, als sei diese Mick Jagger Biographie eine Art Abrechnung mit Keith Richards Autobiographie. (Manfred Horak)
Buch-Tipp:
Philip Norman: Mick Jagger Biographie
Bewertung: @@
Verlag: Droemer (2012)