"Der Morgen ist trostlos und der Vormittag wird noch trostloser." So beginnt ein Kapitel von "Eis und Wasser, Wasser und Eis", und der Satz ist Programm. Majgull Axelsson liefert auf 542 Seiten die Geschichte, man könnte auch sagen den Leidensweg, von vier Frauen aus drei Generationen und versinkt dabei immer wieder in Tristesse.
Susanne fährt auf einem Forschungsschiff durch die Nordwestpassage. Während der Eisbrecher sich durchs Polarmeer arbeitet und ein Unbekannter bedrohliche Nachrichten in Susannes Kabine hinterlässt, blendet der Roman zurück: ins Leben der jugendlichen Susanne, die mit einem Popstar-Bruder und dessen Verschwinden zurechtkommen muss; ins Leben von Susannes Mutter und deren Zwillingsschwester, die eigentlich die Mutter von Björn ist, dem Popstar; und ins Leben der Großmutter, die durch den Selbstmord des Ehemannes zur Alleinerzieherin wird. Alle diese Frauenleben sind gefangen in Schicksalsschlägen, Schuldgefühlen und Beziehungsverstrickungen, inneren Zwängen und den Vorgaben des jeweiligen Elternhauses. Axelsson lässt wenig aus: Neben dem erwähnten spurlosen Verschwinden und dem Selbstmord bringt sie, als wäre es ganz normal, Vergewaltigung und ungewollte Mutterschaft, Wahnsinn, körperliche Behinderung und allumfassende gegenseitige Verachtung in der Familie ins Spiel. Die Dichte der trostlosen Rückblenden, die sich über einen Zeitraum von vielleicht 50 Jahren grau in grau erstrecken, wird nur selten durch Beschreibungen der Natur im Eismeer und des gesellschaftlichen Mikrokosmos auf dem Schiff gebrochen, wo es Tanz, Alkohol und Affären geben darf und Susanne sich schließlich auflehnt und zurückschlägt. Zu den am meist beklemmenden, aber auch zu den genau gearbeiteten Passagen des Buches zählen die Szenen, in denen sich die Vorzeichen ändern: Die ständig gemaßregelte und unterlegene Tochter gewinnt Oberhand, die jüngere Schulkollegin triumphiert über die ältere und scheinbar weltgewandte. Diese Dialoge sind schmerzhaft präzise undwie unterm Mikroskop geschrieben, der Kipppunkt des Statuswechsels wird wie in Zeitlupe dargestellt. Sollte es wirklich darum gehen im Leben, sich mit Hohn und Gehässigkeit durchzusetzen und die andere brechen zu sehen? Den Leser kann diese Weltsicht nicht überzeugen. Für ein halbes Tausend Seiten sind die Lichtblicke reichlich dünn gesät und das halbwegs gute Ende kommt recht aufgesetzt daher. Dazu, an grauen Wintertagen die Stimmung zu heben, wird "Eis und Wasser, Wasser und Eis" nicht beitragen können. (Ina Rager)
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