Keith Richards, sein Leben im Buch

Keith Richards, der Gitarrist und Mitgründer der Rolling Stones lässt uns an seinen Lebenserinnerungen teilhaben und veröffentlicht seine Autobiografie unter dem programmatischen Titel "Life".

Keith Richards' Life

Es ist ein ziemlicher Wälzer geworden, aber er hat ja auch einiges erlebt, und dass er all das Erlebte überlebte liest sich an manchen Stellen wie ein Wunder. Und so kam es wie es kommen musste: "Der New Musical Express stellte eine Top-Ten-Liste der Rockmusiker auf, die wahrscheinlich als Nächste sterben würden, und setzte mich auf Platz eins. Ich war - unter anderem - der Prince of Darkness. Es hieß, kein Mensch auf der Welt sei eleganter abgefuckt als ich." Ganze zehn Jahre lang war er auf dieser Liste die Nummer eins, worauf Richards, wie er im Buch schreibt, stolz war. "Tatsächlich war ich ein wenig enttäuscht, als ich ein paar Plätze runterrutschte. Schließlich landete ich auf Platz neun. O mein Gott, jetzt ist alles aus." Auf 723 Seiten erzählt Richards also von seiner Überlebenskunst, von den ersten Anfeindungen des Systems den Rolling Stones gegenüber bis hin zum Ritterschlag von Mick Jagger im Jahr 2004, das Richards in seiner unverhohlenen Sprache folgendermaßen kommentiert: "Diese sogenannte Ehrung war in Wahrheit eine Erniedrigung. Ehrungen hatten wir schon genug erfahren. Die Öffentlichkeit hat uns geehrt. Du akzeptierst die Ehrung durch ein System, das dich für nichts in den Knast gesteckt hat? [...] Es war nicht die Königin, sondern ihr Thronfolger Prinz Charles, der ihm auf die Schulter klopfte, was meiner Meinung nach nur heißen konnte, dass er jetzt nicht adlig, sondern nur noch popelig ist. [...] Was mich angeht, einen Lord Richards wird es nie geben, höchstens den Scheißhauskönig Richard IV,..." Man beachte seinen Schreibstil; purer Rock'n'Roll eines Blues-Besessenen mit all der nötigen Kompromisslosigkeit, gewürzt mit wahrhafter Komik, was diesem Stück Anekdoten-Literatur enorm gut tut. Exzesse, Skandale, diverse Bettgeschichten, Unfälle, Liebe, Erziehung: Es wird nichts beschönigt und kein Blatt vor den Mund genommen; man hält die Hand auf und bekommt zwei Hände voll zurück. Und so entpuppt sich "Life" auch als ein wertvoller Quell an Basisinformationen hinsichtlich Albumaufnahmen und Entstehungsgeschichten diverser Songs. Dort, wo Erinnerungslücken bei Keith Richards überhand nehmen, helfen Freunde und Wegbegleiter weiter, sei es Tom Waits oder Bobby Keys, sei es Sohn Marlon und seine große Liebe Patti Hansen - oder eben des Gitarristen Tagebucheintragungen. So erfahren wir, was den Ausschlag gab, dass Keith Richards Musiker wurde, auch wenn es sich zugegeben wenig überraschend liest: "Mein wirkliches Schlüsselerlebnis hatte ich, als ich eigentlich im Bett liegen und schlafen sollte. Mein kleines Radio war eingeschaltet, ich hörte Radio Luxemburg, und plötzlich lief 'Heartbreak Hotel'. Das war der Hammer, das war der Urknall. Dieser Song war etwas völlig Neues, so etwas hatte ich noch nie gehört. Mein erster Elvis-Song. Man könnte meinen, ich hätte auf diesen Moment gewartet. Am nächsten Morgen war ich ein anderer Mensch." Richards erzählt ebenso ausführlich über seine erste Begegnung mit Mick Jagger, Ian Stewart und Charlie Watts, wie über den Einfluss, den Chuck Berry auf ihn ausübt(e), schreibt, wie er zum ersten Mal mit Drogen in Kontakt kam, und wie die ersten Plattenaufnahmen entstanden. Nicht zu knapp abgehandelt wird auch das immer schwieriger werdende Verhältnis zu Brian Jones bis hin zu dessen Tod, sowie der Horror-Auftritt in Altamont, seine Beziehung zu Mick Jagger - der Stones-Sänger wird dieses Buch vermutlich nur mäßig unterhaltsam finden - und sein völliges Abrutschen in die Drogensucht: "Ich hatte immer das Gefühl: Egal, wie high ich bin, ich kriege meinen Scheiß immer noch auf die Reihe. Ich bildete mir ein, ich könnte das Heroin kontrollieren. Ziemlich arrogant." Richards ist kein Philosoph und er versucht erst gar nicht, seine Autobiografie im Stile eines Intellektuellen aufzubereiten, dennoch ist es nicht nur von Humor durchtränkt, sondern auch von weisen Einsichten, halt nur flapsig formuliert. Die Autobiografie endet in der jüngsten Vergangenheit, zirka 2007, und bietet somit jede Menge erhellende Kapitel, alleine, wenn er seine Gedanken über das Songwriting an sich ausbreitet und wenn er erzählt wie er zu seinem Gitarrenstil fand, ist die Lektüre - nicht nur für Fans der Rolling Stones - wert. Ein Buch, das man nicht nur einmal liest, sondern durchaus als Nachschlagewerk in Erinnerung behalten wird. (Manfred Horak)

Keith Richards Life BuchcoverBuch-Tipp:
Keith Richards: Life
Bewertung: @@@@@@
Verlag: Heyne (2010)