Bevor wir mit dem großen Staunen über das Buch beginnen, noch ein paar Zappa-Erinnerungen vorweg: Frank Zappa hat zu Lebzeiten mehr Schallplatten veröffentlicht wie kaum ein anderer, nämlich laut "Zappa Family Trust" (ZFT) 62. Im Vergleich: Im Zeitraum 1962 bis 1993 veröffentlichte Bob Dylan 28 Alben, Elton John hielt 1993 bei 23 Platten, Elvis Presley brachte es zu Lebzeiten nur auf 21 LPs, die Rolling Stones halten bis dato bei 35 Studio- und Live-Alben. Dass eine derartige Fülle zustande kam ist umso mehr bewundernswert, da ja Zappa ein Perfektionist war und sein Anspruch auf das eigene Werk ein immens großer. Zugleich aber war er ein Musiker, der immer genau wusste, was er wollte, oder, wie er in seinen Worten gleich zu Beginn des Buchs zitiert wird: "My secret is I know what I'm doing". Grand Zappa passt perfekt zum Gesamtwerk von Frank Zappa...
...es ist schwer und alles andere als handlich, beginnt man sich aber damit näher zu befassen, bleibt man gefangen. In erster Linie werden natürlich Zappa-Fans angesprochen, die, wenn schon nicht alle Alben, aber so doch zumindest einen Großteil seines Werks, kennen, und hier wiederum auf Vinyl-Ausgaben in ihren Beständen zurückgreifen können. Einerseits. Andererseits (und wie bereits eingangs erwähnt) beschreitet Frank Wonneberg mit "Grand Zappa" ein neues Territorium an Musikrezeption. "Grand Zappa" ist nämlich weit mehr als die handelsübliche Würdigung eines Künstlers (siehe DVD-Kritik zu "Apostrophe" und "Over-Nite Sensation") und versteht sich gewissermaßen auch als Leitfaden für Musikkonsumenten, die sich generell dem audiophilen Klangerlebnis hingeben. Wer biografische Anekdoten erwartet ist im falschen Buch, hier geht es vielmehr um jedes einzelne Album an sich. Wonneberg beschränkt sich allerdings nicht auf die gängige Rezensionskultur. Zu jedem Album gibt es eine kurze Einführung (Ausgangspunkt), danach geht der Autor auf die Musik ein, schreibt über den Aufnahmeprozess und über das Mastering genauso wie über das Cover, und er begibt sich in die Tiefen dessen, was die Musikkonsumenten schließlich zuhause haben - die verschiedenen LP-Ausgaben. Wonneberg beschreibt die Unterschiede der Pressung und auch wie weit sich das Klangbild zwischen LP und CD veränderte. Kritische, vergleichende Analyse von Tonaufnahmen "Grand Zappa" hätte auch zu einem staubtrockenen theoretischen Monolog werden können, dem ist aber nicht so, im Gegenteil, Wonneberg versteht es seine Fachkompetenz leicht verständlich auszuformulieren. Illustriert wird all das mit Abbildungen der verschiedenen Ausgaben, sowie mit Detailaufnahmen der Mikrorillen und der Matritzennummer. Wozu braucht man das, wurde Frank Wonneberg einmal gefragt, als er das Buch "Labelkunde Vinyl" veröffentlichte. Wozu also? Wonneberg: "Tja, das ist die Kernfrage! Platten werden nicht nur an einem Ort der Welt ein einziges Mal hergestellt. Alben, die gut laufen und international gefragt sind, wurden früher i.d.R. vor Ort gefertigt. [...] Bei Zappa kommt da schon einiges zusammen. Von den 44 erschienenen Vinylalben werden in diesem Buch über 850 nationale Varianten gezeigt." Eine Diskologie, also die kritische, vergleichende Analyse von Tonaufnahmen, bietet sich gerade bei Frank Zappa hervorragend an, da der Meister alles selbst produziert hat und auch im Besitz der Masterbänder war. Damit konnte er sein Gesamtwerk für die digitale Neuzeit fit machen, was soweit ging, dass Zappa bei einigen Alben einzelne Instrumentenspuren gegen neue austauschte (wie z.B. bei "We're Only In It For The Money" [1968] und "Sleep Dirt" [1979]) oder anderweitig klanglich überarbeitete. Im Falle von "Zoot Allures" (1976) liest sich der Part LP vs. CD dann so: "Für die CD überarbeitet Zappa das Album kräftig. Auch hier wieder unnützer Hall und eine Aufspreizung der Klangbühne in die Breite. Der neue Sound ist so kraft- und farblos, dass man unbedingt die Langspielplatte auflegen muss." Solcherart Informationsfluss seitens des Autors macht "Grand Zappa" zu einem erstaunlichen und opulenten Nachschlagewerk für Musikhörer mit Anspruch. Neben einem Vorwort von Ben Watson [Buchautor von "Frank Zappa: The Negative Dialectics of Poodle Play"; Anm.] und einem allgemeinen umfassenden Artikel von Wonneberg über Zappas Werk befindet sich auch ein Essay von Wonneberg über die Herstellung von Langspielplatten im Buch, was den Zugang zu "Grand Zappa" sehr erleichtert. Einziges Manko: Gerade beim (nach Meinung von Wonneberg, aber auch meiner Meinung nach) perfekten Album von Zappa, "Joe's Garage" (1979), fehlen die sonst üblichen Informationen. Kein Hinweis auf die diversen Initialpressungen, kein Resümee zwischen LP und CD, keine Anhaltspunkte zu den Aufnahmen. Davon abgesehen ist "Grand Zappa" ein Augenschmaus und eine tiefgehende Lektüre, wie man es sich oft erwartet, und nur selten erhält. Ein Buch, das natürlich auch dazu einlädt seine eigene Zappa-Sammlung zu überprüfen und mit neuen Erkenntnissen (einmal mehr) die Musik von Frank Zappa zu erforschen. (Manfred Horak)
Buch-Tipp: Frank Wonneberg: Grand Zappa Bewertung: @@@@@1/2 Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (2010) 160 Seiten | über 1000 s/w- und farbige Abbildungen Premium-Hardcover im Riesenformat 31 x 37 cm Fadenheftung | 200g schweres Bilderdruckpapier durchgehend in Farbe gedruckt ISBN 978-3-89602-581-4 Preis: 69,95 EUR (D) |
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