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adolf-holl-gruende-religionDer Ex-Priester und Autor Adolf Holl lässt uns an seinem Bildungsuniversum teilhaben. Einmal mehr kreist es auch hier um die Kirche, die Kirchen und um die Organisation von Spiritualität, die Religionen.

Wer sich darunter eine langatmige, grundsatzphilosophische Darstellung der Weltformel vorstellt, wird von Holl charmant und oft auch kurzweilig eines besseren belehrt. Daher gibt es auch für ein religionsphilosophisches Werk eher ungewöhnlichen Kapitelüberschriften, wie "Ferien vom Ich" oder "Zimmer, Küche, Kabinett". Und er springt auf der Suche nach Ursachen und Gründen von Religion als menschliches Phänomen mit den Lesern quer durch Raum und Zeit, erfrischend unbedarft von dogmatisch-theologischen Vorgaben. Und da landen mitten in der Spurensuche nach Religionsgründern, Orten und mystischen Erfahrungen auch so ganz und gar nicht banale Worte vom - zugegeben in unserer turbokapitalistischen Verschleißmaschinerie total unmodernen - Seelentrost: "Es wird mich immer gegeben haben, auch wenn kein Hahn mehr nach mir kräht".

Ein kurzer Abriss der letzten Fragen und tiefsten Einsichten

Aber Holl tappt auch nicht in die Falle der in den Esoterikregalen der Buchhandelsketten zuhauf angebotenen Schnellsiedekurse für Instant-Sinngebung und billige Privatmystik. Auf der Suche nach seiner leicht ironisch herbeigeschriebenen neuen Religion zeigt er immer wieder mit großem Wissen, aber auch mit gelassenem Feingefühl auf Schwachstellen und Abgründe der bestehenden Religionen, will sich über diese hinweg zu neuen Sinnufern befreien. Nimmt dabei Anknüpfungspunkte großer Theologen, Priester, Philosophen her. Wittgenstein hilft ihm ("Das Höhere lässt sich mit logisch sinnvollen Sätzen nicht ausdrücken") beim Versuch, das Unschreibbare mit Hilfe von raschen Gedanken- und Themenwechseln doch zu fassen.

Es wird nach der Lektüre dieses theologisch-philosophischen Themenspringens klar, warum ein Mann wie Holl von der katholischen Kirche nicht gewürdigt werden kann und letztendlich auch von seiner Priesterberufung abgezogen wurde. Er entlarvt etliche unumstößliche Gewissheiten der christlichen - vornehmend katholischen - Kirche als historisch und zutiefst menschlichen Ursprungs. Engstirniges Hinnehmen dogmatisch vorgebeteter Heilsbotschaften ist seine Sache nicht. Er wägt ab, hinterfragt, vergleicht, notiert seine Zweifel, seine Ängste und seine Sehnsüchte, die ihn aber letztendlich wieder bei so etwas wie Religion landen lassen. Was möglicherweise ein Weg ist, den viele Menschen, wenn sie ernsthaft nach tieferen Einblicken in ihr Dasein suchen, erlebt oder noch vor sich haben. Trotz der Komplexität der Themen ist dieses kleine Buch eine schöne Begleitung auf solch individueller Reise. Nicht trivial, nicht einfach, nicht bequem, aber in vielen Facetten reichhaltig. (Tristan Jorde)

Buch-Tipp:
Adolf Holl: Wie gründe ich eine Religion
Bewertung: @@@@
Verlag: Residenz Verlag (2009)
ISBN: 9783701715183