Der fünfte Thriller von Colin Harrison erhielt in der deutschen Übersetzung einen Titel, der mit der Geschichte eigentlich nichts zu tun hat. Dessen ungeachtet gelang dem amerikanischen Bestsellerautor mit "Im Schlund des Drachen" (The Finder) ein bis zur letzten Seite spannendes Buch.
In New York - am Arbeitsplatz zahlloser Ermittler aus Film und Fernsehen - floriert das Verbrechen wie das internationale Finanzgeschäft. Was die einen tagsüber verdienen, wird nachts von den anderen verwertet. Ein ewiger Kreislauf von nehmen, nehmen und nehmen. Solange man nicht von den Falschen nimmt. Colin Harrison verstrickt mit viel Drama die chinesische Leiterin einer Putzkolonne und einen von 9/11 traumatisierten Ex-Feuerwehrmann in einen packenden Thriller.
Man kann es fast riechen. Die Mädchen lieben die Nähe von Geld. Tut das nicht jeder?
Jin Li betreibt für ihren Bruder Chen, der in Shanghai vom Informationsvorsprung lebt, ein Reinigungsunternehmen in New York, Spezialbereich: verlässliches shreddern heikler Unterlagen u. a. einer Pharmafirma. Kann schon sein, dass mal ein Sack vertauscht wird. Die mexikanischen Arbeiterinnen können englisch nicht lesen, deswegen wurden sie auch angeheuert. Irgendwer ist ihnen auf die Schliche gekommen. Binnen Minuten steht ihnen die Scheiße bis über beide Ohren und Jin Li rennt um ihr Leben.
Alle schufteten sie bis tief in die Nacht, um in dem Hexenkessel des amerikanischen Turbokapitalismus mitzumischen.
Ihr Ex-Freund Ray wird von Chen unter Druck gesetzt. Was einem Fenstersturz im Überwachungsstaat an Überzeugungskraft fehlt, wird durch die Morphiumpumpe seines Vaters ersetzt. Der leidet als Pflegefall unter Krebs im Endstadium und verschläft die meiste Zeit dank dieser Pumpe. In seinen wenigen wachen Minuten trinkt er heimlich Kaffee und hilft als Cop im Ruhestand seinem Sohn die Chinesin zu finden. Auf der anderen Seite steht der brutale Kerl Vic mit der Scheiße und dem Wunsch eine eigene Tankstelle zu besitzen. Seine Hobbies - Golfschläger schwingen und Chemiecocktails mixen - lebt er an seinen Partnern aus. Währenddessen sucht der alte Millionär nach Möglichkeiten seinen Verlust auszugleichen.
So verfolgt jeder seine eigenen Interessen und wird dabei von den anderen beobachtet. Wer gewinnt oder überlebt entscheiden Geschick oder Zufall. Ärgert sich ein Taxifahrer über den reglosen Fahrgast, freut er sich im nächsten Moment über das 20.000$-Kuvert in dessen Jacke. Colin Harrison treibt seine Figuren mit Nonchalance durch Extremsituationen entlang des Abgrunds. "Im Schlund des Drachen" ist bereits sein fünftes Werk - abgebrüht, überzeichnet und spannend bis zur letzten Seite. Dafür verzeiht man dem Droemer-Verlag auch den Titel, der beim besten Willen nichts mit der Geschichte zu tun hat. (Christine Koblitz)
Buch-Tipp:
Colin Harrison: Im Schlund des Drachen
Original: The Finder
Bewertung: @@@@1/2
Verlag: Droemer (2009)
448 Seiten
ISBN: 978-3-426-19867-4