Der Bildband zu den "American Recordings" weckt noch einmal die Erinnerung an einen der wohl wichtigsten und best gelungenen Musik-Comebacks, als sich Johnny Cash und Rick Rubin zur Zusammenarbeit entschlossen. Die Alben waren aber nicht nur eine musikalische Offenbarung, sondern dank Fotografen Andy Earl auch ein optischer Genuss.
Dieser sehr großzügig aufbereitete Bildband ist eine weitere sehr gelungene Hommage an den großen Sänger, der sich mit seinen "American Recordings" endgültig von den Fesseln der Vergangenheit und von der Frustration gegenüber der Musikindustrie befreien konnte. Seine Neudefinition fand dabei nicht nur in musikalischer Hinsicht statt, sondern eben auch vom Image her. Die Fotosessions kamen letzten Endes wie seine Musik zustande. Ohne großen Aufwand, aber auch ohne Netz und Boden. Es brauchte keine langwierigen Shootings und keine Stylings, um effektvoll zu wirken. Andy Earl: "Wir hatten keinen Make-up-Artist, Stylisten oder sonstige Helfer mitgenommen, was heutzutage für ein Covershooting unvorstellbar wäre. Für mich war es einfach fantastisch, Johnny so zu fotografieren, wie er war, besonders nach den üblichen frischen und gestylten jungen Gesichtern, die ich meist vor der Kamera hatte. Sein Gesicht erzählte einfach eine Geschichte, und zudem hatte er eine unglaubliche Ausstrahlung. Bei den Shootings gab es keinerlei Einschränkungen. Niemand hatte mir gesagt, dass ich dieses oder jenes nicht tun dürfe, aber Johnny tat auch nichts, was er nicht wollte. Er war völlig locker und hatte einen scharfsinnigen Humor." Quasi tabu war auch der traditionelle Country- und Westernlook. Vielmehr wollte Andy Earl Großaufnahmen von Johnny Cash, von denen der Sänger zunächst aber nicht begeistert war. Earl: "Je mehr ich ihn aber dazu brachte, seine Hände einzusetzen, umso entspannter wurde er und fing an, zu gestikulieren, verrückte Gesichtsausdrücke zu machen und sich vor der Kamera zu präsentieren." Thematisch sollte dabei das Motto "Mann auf der Straße" herhalten, "daher ließ ich", so der Fotograf, "Johnny zunächst dort, wo früher die Eisenbahnlinie verlief, hin und her laufen, wobei er einen Gitarrenkoffer in der Hand hielt. Er war ein wenig verdutzt und fragte sich, warum wir so weit fuhren, nur um Fotos zu machen, und dann auch noch zu einem so abgeschiedenen und trostlosen Ort. Aber nachdem wir ihm unsere Idee geschildert hatten, war auch er fasziniert davon und tat bereitwillig, worum ich ihn bat." Die ersten Foto-Aufnahmen fanden übrigens im Hinterland von Melbourne, Australien, statt, das sich als perfektes Setting für Johnny Cash herausstellen sollte [für "Unchained" trafen sie sich auf der Johnny Cash Farm; Anm.]. Die karge Landschaft und die düsteren Elemente (Hunde, Weizenfelder und Gewitterwolken) gaben dem Ganzen einen beinahe schon religiösen Touch. Im Bildband erzählt Andy Earl ausführlich über seine Begegnung mit dem Sänger, und er erzählt natürlich auch wie die einzelnen Fotos zustande kamen, wie z. B. das bereits legendäre Album-Cover vom ersten "American Recordings"-Album, bei dem ja immer wieder behauptet wurde, dass die Hunde darauf trainiert waren mit Johnny Cash fotografiert zu werden. Dem war freilich nicht so. Ein klassischer Fall von Must-have. (Manfred Horak; Fotos: Andy Earl)
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