Eines der berühmtesten Weihnachtsgeschichten und gleichzeitig Plädoyers für Menschlichkeit und Nächstenliebe gelang Charles Dickens als er die Geschichte von Ebenezer Scrooge schrieb. Ein Buch, das mittlerweile in unzähligen Ausgaben vorliegt. Riskieren wir daher einmal einen vergleichenden Blick, ob überall Dickens drin ist wo Dickens drauf steht.
Eine weihnachtliche Geistergeschichte
Im Rahmen der Buchreihe von GEOlino Bibliothek ist dieser Klassiker, der erstmals 1843 unter dem Titel "A Christmas Carol. In Prose. Being a Ghost Story of Christmas" ("Ein Weihnachtslied. In Prosa. Eine weihnachtliche Geistergeschichte") erschien, in der Übersetzung von Sybil Gräfin Schönfeldt erhältlich. Diese Ausgabe steht in einer Reihe von insgesamt 20 Klassikern der Kinder- und Jungendliteratur, fügt sich optisch also einer bestimmten Linie unter und bleibt dem Original weitestgehend treu. Logisch ist auch sich für den Titel "Eine Weihnachtsgeschichte" und nicht für jenen Titel der ersten deutschen Übersetzung, "Der Weihnachtsabend. Eine Geistergeschichte" (1844), entschieden zu haben, der einfachere Titel hat sich immerhin durchgesetzt. Wenn man diese Ausgabe liest, liest man ein Stück Weltliteratur, sprachlich einwandfrei mit hohem Niveau in die deutsche Sprache übertragen.
Das muss ich vorausschicken
Beginnt die Erzählung in der Übersetzung von Schönfeldt mit den Worten "Marley war tot: Das muss ich vorausschicken. Darüber gab es gar keinen Zweifel.", so lauten die ersten Worte in der Ausgabe von leiv (Leipziger Kinderbuchverlag) folgendermaßen: "Zunächst soll gesagt sein: Marley war tot! Es gab keinen Zweifel." Man sieht schon, die Unterschiede sind minimal, was auch im Verlauf der Geschichte so bleibt. Warum allerdings der Leipziger Verlag den Namen der übersetzenden Person verschweigt, darf als Rätsel gelten, der Illustrator (Klaus Ensikat) ist nämlich namentlich angeführt. Eigenartig. Und noch eine weitere Eigenheit: Der Titel. Hier heißt Dickens Geschichte "Das Weihnachtsgespenst", obwohl es ja eigentlich deren drei sind (die Geister der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft). Trotz dieser beider Bemängelungen, und auch wenn die gesamte Aufmachung und die Illustrationen anfangs ungewöhnlich wirken gefällt diese Ausgabe letzten Endes doch.
Schön verpackte Nacherzählung
Die schönste Aufmachung gelang allerdings dem Coppenrath Verlag, das bereits damit beginnt, dass der Einband mit Samt umrandet ist und sich von daher schon einmal einfach gut angreift. Irritierend, dass neben Charles Dickens noch ein Name steht, nämlich Ute Simon? Keine Sorge, sie ist die Illustratorin. Dennoch, irgend etwas stimmt da nicht, lautet der erste Satz in dieser Ausgabe nämlich: "Bis zu Jakob Marleys Tod vor sieben Jahren hatten Marley und Scrooge ihr Handelskontor als gleichberechtigte Partner geführt." Eigenartig, schrieb Dickens eine Alternativ-Version? Nein, denn nochmals nach vorne geblättert, steht auf Seite 3 zwar obenauf Charles Dickens Eine Weihnachtsgeschichte, aber gleich unterhalb des hübsch illustrierten Weihnachtskranzes erfährt man, dass es sich hier nur um eine Nacherzählung von Katrin Hoffmann handelt. Die eh schon nicht allzu lange Geschichte von Dickens erfährt hier also eine vehemente Kürzung der Ereignisse, was das Ganze leider nur zum halben Vergnügen macht. Umso ärgerlicher, wenn man glaubt damit eine "klassische" Übersetzung aus dem Original erworben zu haben. //
Text: Manfred Horak
Illustration: Don-Oliver Matthies
Charles Dickens - Eine Weihnachtsgeschichte
Aus dem Englischen von Sybil Gräfin Schönfeldt
Illustrationen: Don-Oliver Matthies
Übersetzung: @@@@@@
Aufmachung: @@@@
Verlag: GEOlino Bibliothek bei cbj (2005; Neuauflage 2009)
Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte
Nacherzählt von Katrin Hoffmann
Mit Bildern von Ute Simon
Übersetzung/Nacherzählung: @@@
Aufmachung: @@@@@@
Verlag: Coppenrath (2006)
Charles Dickens - Das Weihnachtsgespenst
Illustrationen: Klaus Ensikat
Übersetzung: @@@@@
Aufmachung: @@@@@
Verlag: leiv Leipziger Kinderbuchverlag (2005)