Der Debütroman von Wolfgang Herrndorf liest sich als authentischer Ausdruck einer verlorenen Generation, die von Gelegenheitsjobs lebt, sich die Nacht in dunklen Kneipen mit "Sex & Drugs & Electro" um die Ohren schlägt und dabei ihre intellektuellen Fähigkeiten im Alkohol ertränkt, um sich ganz und gar dem Weltschmerz hinzugeben.
An einer Autobahnraststätte verabschiedet sich der namenlose Protagonist gedankenverloren und emotionslos von seiner langjährigen Freundin und beginnt an diesem Punkt mit seiner Reise und der Suche nach Zugehörigkeit. Zuerst fährt er zu seinem Bruder und dessen schwangerer Frau Marit nach Hamburg, wo er pausenlos über deren tolerante, weltzufriedene und gutbürgerliche Lebenseinstellung herzieht. Vom Elternhaus aus besucht er ein letztes Mal seine sterbenskranke Großmutter, deren Liebling er immer war, jedoch von der Begegnung weitaus unberührt bleibt. Sich im Hause seiner Familie unerwünscht und unwohl fühlend bricht er nach Berlin zu seinem besten Freund, dem schwulen und hyperintelligenten Desmond auf, wo er dem Alkohol in Gesellschaft scheinbar Gleichgesinnter frönt. Wenn dann mal ein Mädchen auf einer Wohnungsparty vom Dach fällt und dies noch dazu überlebt, überrascht das nicht mehr wirklich. Die chaotische Gefühlswelt eines Antihelden Trotz der teils überzogenen, klischeehaften Darstellungen und des unaufgeregten Erzähltons schafft es Herrndorf den Leser in die verzerrte Wahrnehmung und chaotische Gefühlswelt dieses Antihelden hineinzuziehen. Etwa wenn der Protagonist eifersüchtig auf die Männer ist, mit denen seine Ausgehbekanntschaft Ines Neisecke spricht, sie jedoch aus bloßem Pflichtbewusstsein küsst, da er kein aufrichtiges Interesse an ihr und ihrer "abgebissenen Zahnreihe" hegt. Die Beschreibung der Stimmung und der Leute in Berlins Kneipen, die sich größtenteils als Künstler versuchen und dennoch genauso arbeits- bzw. planlos sind wie der Protagonist, bleibt oberflächlich, sowie sämtliche das Buch durchziehende Kindheitserinnerungen, Begegnungen oder Gespräche. ...und dann fange ich auf einmal an zu weinen... Nach einigen durchzechten Nächten in der deutschen Hauptstadt bricht er nach einem Filmriss wieder auf. Psychisch ist er aber bereits so am Ende, dass ihn seine Gedanken nicht mehr bis "nachhause" (zu seinem Bruder) tragen, sondern er in seiner Vorstellung am Meer hängen bleibt und erkennen muss, dass er letztendlich doch immer alleine ist: "Ich bin vollkommen ruhig. Ich bin vollkommen leer, und dann fange ich auf einmal an zu weinen." Während sein Bruder im letzten Kapitel diese Ereignisse aus seiner Sicht zusammenfasst und sich wünscht, sein Kind möge niemals so werden wie der Held dieses Buches, bleibt dem Leser nach dieser Lektüre nur ein bitterer Geschmack und Mitleid für das verlorene Selbst. (Daniela Unfried)
|
||