Um Kino - ja, um Künstler - ebenfalls ja; aber um die wirkliche Aufarbeitung von Konflikten geht es in Horst Pehnerts autobiographischer Schilderung "Kino, Künstler und Konflikte: Filmproduktion und Filmpolitik in der DDR" nicht. Von Katja Kramp.
Horst Pehnert. Mit diesem Namen kann man auch in Deutschland nicht so ohne weiteres etwas anfangen. Im Klappentext zu seinem Buch "Kino, Künstler und Konflikte" erfährt man, dass er 13 Jahre lang stellvertretender Kulturminister der DDR gewesen ist, zuständig für Filmproduktion. Ferner heißt es an dieser Stelle: "Pehnert legt Rechenschaft ab: Sich selbst und der Öffentlichkeit". Nach knapp 20 Seiten ist klar: Hier legt keiner kritische Rechenschaft ab, hier rechtfertigt jemand seine Position in der Vergangenheit. Subjektiv gefärbte DEFA-Geschichte Ich habe mich auf die Lektüre dieses Buches gefreut. Ich habe mir ein Sachbuch vorgestellt, das informativ über die Filmgeschichte der DDR und der dort ansässigen DEFA (Deutsche Film AG) berichtet. Die DEFA an sich gibt es heute nicht mehr. Sie wurde nach der Wende verkauft, heute verwaltet die DEFA-Stiftung die Lizenzen von über 7500 Filmen, die durch die DEFA produziert wurden. Außerdem habe ich mir vorgestellt, dass man umfassend über große Persönlichkeiten des DDR-Films, seien es nun Regisseure, Autoren oder Darsteller informiert wird. Und dann schlage ich das Buch auf, lese das erste Kapitel und staune. "Die Filmgesellschaft und die Filmpolitik der DDR aus der Sicht eines Verantwortlichen - das soll es sein", lese ich da und denke: "Na gut, da erzählt einer der mittendrin, statt nur dabei war". Ein Entscheidungsträger. Ich lese weiter und was sich dann auftut ist ein subjektiv gefärbter Bericht der 13 Jahre, in denen Pehnert im Amt war, und der gesamten DEFA-Geschichte. Eine persönliche Schilderung der Sachverhalte, die teilweise betont in ein positives Licht gerückt werden und ganze Themengebiete beinahe ausklammert, beziehungsweise nur am Rande erwähnt. Zensor oder Produzent: Wer war Horst Pehnert? So verwendet der Autor einige Anstrengung darauf den Verdacht loszuwerden, er sei Zensor gewesen. Im Kapitel "Wer war Horst Pehnert?" erklärt er, dass er kein Zensor, sondern Produzent der Filme war. 60 Seiten später berichtet er über das Verbotsverfahren über einen Film von Rainer Simon ["Jadup und Boel", 1981; Anm.] und beschreibt wie er (also Pehnert selbst) und die "Hauptverwaltung Film" sich darüber klar werden mussten, was mit dem Film passierte. Vielleicht hat Pehnert selbst also nicht den Stempel und die Unterschrift unter ein Verbot gesetzt, aber musste Filme offensichtlich auch dahingehend bewerten, ob sie für den Sozialismus tragbar waren. Nun könnte man natürlich sagen, dass der Autor hier sehr wohl auf Probleme im System eingeht und ja sogar aufzeigt, dass es Verbote gegeben hat. Das ist nicht von der Hand zu weisen, aber diese Verbotsverhandlung wird so locker geschildert, als wäre es etwas völlig Normales, dass ein Film oder Kunstwerk im allgemeinen Sinne erstmal vorhergehend beurteilt werden muss bis man ihn oder es veröffentlichen kann. Die Tragweite eines solchen Verbots für den Künstler kommt überhaupt nicht rüber. In dem Falle von Rainer Simon war ein Verbot möglicherweise tatsächlich nicht folgenschwer, aber andere Künstler haben sich besonders nach verbotenen Publikationen von Literatur in Westdeutschland plötzlich im Gefängnis wieder gefunden. Sie wurden verhaftet und unmenschlichen Haftbedingungen im Stasi-Gefängnis ausgesetzt. [Z.B. in Berlin-Hohenschönhausen, der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR, die von 1951 bis 1989 in Betrieb war. Dort wurden vor allem politische Gefangene inhaftiert und physisch und psychisch gefoltert. Anm.] Realität und dessen Spiegel in der DDR Laut Pehnert sind viele Spielfilme genaue Abbildungen der Realität in der DDR. Seiner Meinung nach zeigen sie auf, wie die Gesellschaft gefühlt, gedacht und gehandelt hat. Mag ja auch sein, aber in den Filmen hat sich bestimmt niemand aus der Mitte der Gesellschaft kritisch gegenüber den Machthabern des Zentralkomitees geäußert. Man kann aus den Filmen sehr wohl etwas über die Gesellschaft der DDR erfahren, bloß wahrscheinlich nichts über deren politische Kritik. Was Pehnert allerdings schafft, ist ein Denkanstoß, so dass man das Filmwerk in der DDR auch mal vom künstlerischen und nicht nur vom politischen Standpunkt aus betrachtet. Die Regisseure und Drehbuchautoren waren ja begabte Künstler. Viele namhafte Schauspieler haben ihre Karrieren in der DDR begonnen. Die Kunsthochschulen sind auch heute noch die besten Adressen für schauspielerische Ausbildung in Deutschland (Ernst-Busch-Hochschule in Berlin, Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Hochschule in Leipzig). Mit sechs Kurzportraits macht der Autor auf diverse, manchmal längst vergessene, Talente des DEFA-Films aufmerksam. Dennoch bleibt das Buch eine Enttäuschung. Zu kritisch ist sein Ton gegenüber den aus der DDR ausreisenden Künstlern. Zu gleichgültig ist die Haltung gegenüber Veröffentlichungsverboten. Zu sehr DDR bejahend ist teilweise das verwendete Vokabular. Schade eigentlich, ich hatte mich doch so auf das Lesen gefreut. (Katja Kramp) Buch-Tipp: |
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