Ein Bildband und ein ungewöhnliches Rezeptebuch über Shanghai gilt es zu entdecken. Während die österreichische Fotografin Lies Maculan ihren Blick auf das Herz dieser unüberschaubaren Stadt richtete spüren Susanne Hornfeck und Qiu Xiaolong eben dort alte Rezepte auf.
1,26 Prozent aller in der Menschenrechte verletzenden Volksrepublik China - und das sind immerhin 1,3 Milliarden Menschen - leben in Shanghai, eine Stadt, die zuletzt auch in so unterschiedlichen Kinofilmen wie "Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer" (2007) von Tim Story und "Se, Jie - Gefahr und Begierde" (2007) von Ang Lee als Schauplatz her hielt. Während der Film über die Fantastischen Vier vernachlässigbar ist zeigt Ang Lee in "Gefahr und Begierde" einen Detailreichtum, den man unbedingt sehen sollte, so wie man auch die zwei Bücher "Shanghai: Mondkuchen und Pflaumenregen" von Susanne Hornfeck und Qiu Xiaolong sowie "Shanghai" mit Fotografien von Lies Maculan in der persönlichen Bibliothek vorweisen sollte können. Mondkuchen und Pflaumenregen Das Autorenduo beschreibt in ihrem schön gestalteten Buch mit dem Untertitel Oasen für die Sinne woran man sich gewöhnen sollte, wenn man sich entschließt nach Shanghai zu fahren, und zwar in erster Linie – der Titel Mondkuchen und Pflaumenregen lässt es erahnen – in kulinarischer Hinsicht. Der Krimiautor Qiu Xiaolong kramt denn auch in seinen eigenen Erinnerungen, z.B. über die Frühstücks-Gewohnheiten in seiner Kindheit: „In meiner Kindheit bestand unser Frühstück zu Hause aus wässrigem Reis; Reste vom Vortag wurden in heißem Wasser aufgewärmt und mit eingelegtem Gemüse oder fermentiertem Tofu gegessen.“ Dies hatte allerdings eher ökonomische Gründe, da sich vor 30 Jahren die wenigsten Familien in Shanghai einen Kühlschrank leisten konnten. Aber nicht nur, denn aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin harmonisiert Reisbrei den Magen, stärkt die Milz, benetzt und nährt die Lunge, oder, wie es der Song-Dichter Lu You (1125 - 1210) in einem Gedicht über sein Rezept für ein langes Leben formulierte: Eine Tasse Kaffee im Café Wien In Folge begeben sich Hornfeck und Xiaolong natürlich auch in die Gegenwart, stellen traditionelle Restaurants vor, die den Sprung ins Heute schafften aber auch jede Menge lecker klingende Rezepte, vor allem vegetarische Rezepte aus der Heilküche, aber sie schreiben auch über den Wandel der Stadt: „Diese Stadt, so zukunftsorientiert und fortschrittswütig sie auch sein mag, zeigt neuerdings einen ausgeprägten Hang zur Nostalgie. Während der ersten fünfzig Jahre kommunistischer Herrschaft war das prächtige architektonische Erbe der Kolonialzeit als kapitalistisch und imperialistisch verdammt worden. Inzwischen hat man im nach wie vor kommunistischen Shanghai die Vergangenheit für sich entdeckt, und zwar als gewinnträchtiges Kapital für die Eigenvermarktung.“ Hoch interessant ist schließlich auch das letzte Kapitel des Buchs, das sich der Kaffeehauskultur jener Stadt widmet, die im Kernland der chinesischen Teeproduktion liegt. Fahrende Verkäufer - essendes Volk Kommt „Shanghai: Mondkuchen und Pflaumenregen“ ohne Fotos aus, ist es bei „Shanghai“ von Lies Maculan umgekehrt. Na, fast, ein kurzer Text von Chen Danyan über das Antlitz Shanghais dient nämlich gewissermaßen als Einstieg in die Schwarz-Weiß- und Farb-Fotografien der 1977 in Wien geborenen und von 2004 bis 2006 als freie Fotografin in Shanghai lebenden Lies Maculan. Aber sie braucht ja eigentlich gar keinen Text, denn die Menschen, die sie im „alten“ Shanghai, das wie ein Dorf inmitten einer Großstadt wirkt, mit ihrem Arbeitsgerät verewigte, geben in Momentaufnahmen sehr viel preis. Bewusste Posen und unbeobachtet glaubende Sequenzen wechseln sich in diesem schönen Buch ab. Ein Höhepunkt sicherlich die vier Aufnahmen der schlafenden Frau, die erst wieder langsam erwacht als sie vom Stuhl fiel. Wunderbar auch die vielen Straßenmarkt-Szenen als ein Flanieren durch die 17-Millionen-Metropole und die portraitierten Jugendlichen und ihr Modestolz. Lies Maculan zeigt so einen gelungenen alltagstypischen Querschnitt der Durchschnittsbevölkerung Shanghais. Es gibt viel zu sehen und noch mehr zu entdecken. Die vom Regen triefend-nassen Shanghaier im Straßenverkehr am Fahrrad, die fahrenden Händler mit ihren in Käfig gepferchten Kaninchen und Hühnern, Polizisten bei der Regelung des Straßenverkehrs, Restaurant-Szenen, Marktleben, Alltagskultur wie Tanzen, Essen und Spielen, lachende, schreiende und schlafende Menschen, Einblicke in die Friseur-Szene, Verliebte und Halbstarke, Lesende und in sich Ruhende. Das Leben spielt sich, so das Resümee nach Betrachtung der Fotografien in Shanghai zumeist im Freien ab, so wie ja auch in vielen anderen asiatischen Großstädten, von Bangkok bis Singapur bis Kuala Lumpur. Die Original-Fotografien sind am 2. und 3. April 2008 in einer Kurzschau im West.Licht zu sehen. (Manfred Horak) Buch-Tipps: Lies Maculan – Shanghai Link-Tipps: |
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