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Am 22. Oktober 1919 in Kermanshah (Persien) geboren, avancierte Doris Lessing mit ihrem Gesamtwerk zu einer Autorin mit zwei großen Schaffensphasen: eine frühere, realistische und gesellschaftlich engagierte mit Büchern wie Kinder der Gewalt (1952 bis 1969, 5 Bände) und Das goldene Notizbuch (1962), und eine spätere, surrealistische, mystische und visionäre mit Büchern wie Anweisung für einen Abstieg zur Hölle (1971) und Die Memoiren einer Überlebenden (1974). Im letztgenannten steht z.B. das Durchstehen einer lebensbedrohlichen Krise im Mittelpunkt, in der eine namenlos bleibende Frau von ihrer Wohnung im Erdgeschoß eines Großstadthauses beobachtet, wie ein von Osten und Süden sich der Stadt näherndes, nicht genauer beschriebenes Unheil sich auf das Leben der Menschen auswirkt. Flüchtlingsströme entstehen, Versorgungs- und Überlebenstechniken müssen improvisiert werden, die Regierung wird unwirksam, es kommt zu Bandenbildung, Totschlag, Kannibalismus. So entstand im Roman Die Memoiren einer Überlebenden eine (zum Teil herb kritisierte) "imaginäre Welt hinter der Wand" zur "Überwindung des gegenwärtig so desolaten Zustandes der Welt."

Den Literaturnobelpreis 2007 erhielt Doris Lessing sicherlich zu einem Gutteil ob ihres Romans Das goldene Notizbuch aus dem Jahr 1962, der eine eigenständige Form und Erzähltechnik aufweist und als Durchbruch in eine neue künstlerische Dimension gilt. Dieses "Kultbuch der feministischen Bewegung" ist eine rückhaltlose, authentische Darstellung weiblicher Erfahrung in der modernen Welt. Darüber hinaus weist es aber auch in Form von paradoxer Spannung und symbolischer Bedeutsamkeit bis hin zur Gespaltenheit und Selbstentfremdung des Menschen und die Möglichkeit ihrer Überwindung tiefenpsychologische Aspekte einer gescheiterten Emanzipation auf. (Manfred Horak)

Link-Tipps:
Doris Lessing - Das goldene Notizbuch (Fischer Verlag)
Doris Lessing - Die Kluft (Hoffmann & Campe; 2007)
Leseprobe aus: Die Kluft