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Diogenes (2007)
Roman
Aus dem Japanischen von Thomas Eggenberg
154 Seiten
ISBN-10: 3257065795
ISBN-13: 978-3257065794
Hotaru wird nach langjähriger Liebesbeziehung mit einem verheirateten Mann von diesem verlassen, da er sich letztendlich für ein Leben in Zweisamkeit mit seiner Ehefrau entscheidet. Zurück bleibt ein Appartement in Tokyo, das ihr vom Liebhaber und dessen Frau als Abfindung vermacht wurde und die gähnende Leere. Hotaru, die ihre Zeit bis dahin als eine Art Roland Barthes'sche "wartende Liebende" verbracht und ihr Leben allein der Vorfreude auf das nächste Stelldichein verschrieben hatte, muss sich nach der Trennung dem Nichts in ihr stellen.
Doch ihre traurige Seele erweist sich als fruchtbarer Nährboden für ihre längst vergessene Identität, die ihr langsam wieder in Erinnerung kommt, als sie zu ihrem Heimatort, an den mystischen Fluss, zurückkehrt, der, wie eine übergeordnete Macht, das Leben der Bewohner zu steuern scheint. In der Auseinandersetzung mit ihrer Familie und ihrer Vergangenheit erwacht sie gleichsam zu neuem Leben, dem sie sich stellt und seine mystischen, beinahe von ihr vergessenen Gesetze, die sie immer schon umgeben hatten, wieder wahrnimmt: "(…) diese Stadt war bevölkert von wunderlichen Gestalten. Was für eine seltsame Gesellschaft! Eine Art Geheimbund, der einen besonderen Draht zur Welt des Unsichtbaren hatte. Auch das haben wir dem Fluß zu verdanken, dachte ich. Ganz bestimmt. Er zog die Menschen in seinen Bann, nährte ihre Gedanken und Gefühle. Er war aus ihrem Leben nicht wegzudenken."
Die Natur, die das Schicksal der Menschen beherrscht, wird im Gegensatz zur entpersönlichten und einengenden Stadt zum grundlegenden Prinzip des Lebens stilisiert. Die Autorin, die sich oft ihrer eigenen Träume als Romanstoff bedient, verbindet die Kraft des Lebens selbstverständlich mit der Macht der Träume. Alle Figuren träumen ihren Traum des Seins, und es wird klar, dass man aus diesem ewigen Traum nie erwachen kann, denn es gibt kein außerhalb des Traumes, und damit sind der Realität keine Grenzen gesetzt.
Banana Yoshimoto, die schon seit geraumer Zeit als DIE Kultautorin Japans gehandelt wird, hat sich seit ihrem Bestseller-Debütroman Kitchen immer wieder der Welt des Übersinnlichen verschrieben. Ebenso in Federkleid, in dem sie eine Welt voll Geister, Esoterikern und Wahrsagerinnen beschwört, und das alles mit einer Unaufdringlichkeit, die durchaus beeindruckend ist. Sie schafft es, leicht und beiläufig über schwere Themen wie Tod und sentimentale Motive wie Seelenverwandtschaft zu schreiben, und hat eine Hand für schöne Landschaftsbeschreibungen. (Julia Zarbach)