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Die andere Bibliothek im Eichborn Verlag (2006)
Herausgegeben von Alain Claude Sulzer
Illustrationen von Stephan Jon Tramèr
ISBN 3821845783
Es kann einen großen Unterschied machen, ob man das Speisen oder die Speisen verfeinert. Was dem Einen heutzutage der Hauch mehr Meersalz sein kann oder in den etwas tieferen Regionen der Kulinarik das Ketchup auf und zu den Austern ist dem Anderen die gepflegte Unterhaltung während der Aufnahme fester Nahrung, das Ambiente in dem eben diese aufgenommen wird und das Wissen um die (Bio)herkunft der Nahrung.
So lang er kau'n und küssen kann*
Mit Bio hatte Antonius Anthus im Jahre 1838 als seine Vorlesungen zum ersten Mal zu einem Buch zusammengefasst wurden, noch nichts am Hut, am Teller hingegen hatte man die feinsten Köstlichkeiten, die die Zeit zu bieten hatte. Antonius Anthus aber suchte nicht nach den Köstlichkeiten der Speisen, sondern nach der Würde des Essers vor den Speisen. Anthus schreibt als einziger der Gastrosophen aus der Perspektive des Essers, der sich der vorgesetzten Speisen als würdig zu erweisen hat. Die Speisen zu verfeinern überlässt er anderen; ihm geht es darum, das Speisen zu verfeinern – denn nur dadurch kann der Mensch erhöht werden. Anthus serviert eine Kulturgeschichte des Essens, Nachrichten aus der Welt des erlesenen Geschmacks und Betrachtungen über den Kosmos der verfeinerten Genüsse. Als Kostprobe einige seiner Ideen: Der Mensch ist das einzig kochende und damit das höchste Wesen der Schöpfung; je virtuoser der Mensch zu essen versteht, desto weniger merkt man die Absicht; je mehr man von allem zu essen versucht, desto reicher wird die eigene Welt – und man selbst.
In Zeiten, in denen die Slow Food Bewegung immer mehr Anhänger findet, in denen auf regionale Gegebenheiten auch am Teller immer mehr Wert gelegt wird ist dieses Buch eine wahre Fundgrube und ein Glücksfall für jeden der Essen nicht nur als lebensnotwendigen sondern auch als lustvollen Vorgang empfindet. (akro)
*Johann Wolfgang von Goethe