"Es ist der Blick, es ist immer der Blick“, kann man oft bei Foto-Postings von Lukas Beck lesen. Ein Gespräch über "Wien Pur", Lieblingsplätze und Paradigmenwechsel.
Meisterfotograf Lukas Beck hat den Lockdown im März 2020 als Herausforderung gesehen, trotzdem viel unterwegs zu sein, um die Stimmung in Wien in dieser besonderen Zeit zu dokumentieren. Covid-19 hat die Stadt im Frühjahr 2020 quasi zum Erliegen gebracht, aber genau das war die Chance, einen ganz speziellen Blick auf die Donaumetropole ohne die gewohnten Klischees und abseits der Touristenströme zu werfen. In "Wien Pur“ zeigt Lukas Beck dadurch eine Stadt, die einerseits vertraut, aber andrerseits doch ganz neu ist. Beim Interview mit Kulturwoche.at war der vielbeschäftigte Fotograf gerade schon wieder am Sprung zu einem Shooting in Venedig.
Kulturwoche.at: Was hat dich zu dem Buch "Wien Pur“ inspiriert?
Lukas Beck: Ich wollte schon lange ein Portrait über Wien machen. Ich bin ja in Wien geboren und aufgewachsen. Natürlich habe ich in dieser Stadt schon alle möglichen Personen und Dinge fotografiert, aber noch nie so eine Geschichte über Wien aus einem Guss gemacht. Als dann Mitte März viele meiner Kunden wie das Konzerthaus, das Burgtheater oder die Sängerknaben alle über Nacht ihre Türen schließen mussten, und es fast keine Aufträge gab, hatte ich auf einmal Zeit. Das habe ich dann genützt, um ein Portrait über Wien zu beginnen, das diese besondere Zeit des Lockdown, diese Stimmung wiedergeben sollte. Aber ich wollte dabei nicht trivial werden, also z.B. nicht nur dauernd Menschen mit Masken oder leere Plätze zu zeigen, das wäre mir zu wenig gewesen. Leere Plätze kann ich ja um 5 Uhr in der Früh auch fotografieren. Aber das Interessante war ja, wie die Menschen einzeln raus sind und den öffentlichen Raum in Besitz genommen, sich auf ihren Lieblingsplätzen aufgehalten haben.
Nach welchen Gesichtspunkten hast du die Orte ausgesucht, die im Buch vorkommen?
Lukas Beck: Für mich war der Paradigmenwechsel spannend, alles auf einmal in der vollen Sonne zu fotografieren. Normalerweise fotografiere ich ja im Gegenlicht, oder arbeite mit Blitz und Kunstlicht. Sehr oft war ich mit dem Fahrrad und manchmal auch zu Fuß unterwegs, und die Motive haben sich quasi von selbst angeboten, weil sie so interessant waren oder in tollem Licht waren. Manchmal habe ich mir auch bestimmte Motive vorgenommen, und mir überlegt, wann da wohl das beste Licht sein könnte, und bin dann zu diesem Zeitpunkt zu dem Motiv hin.
Ist bei einem dieser fotografischen Ausflüge auch einmal etwas Unvorhergesehenes passiert?
Lukas Beck: Ja, z.B. war ich einmal am Ballhausplatz und habe mir überlegt, wie ich da gute Fotos machen könnte, und auf einmal sehe ich wie auf der Wiese zwei junge Männer Kick-Boxen machen. Das hatte ich vorher noch nie gesehen, dass jemand am Ballhausplatz Kick-Boxen macht. Ich bin dann zu ihnen hin, und habe gefragt, ob das okay ist, dass ich sie fotografiere. Sie haben sofort zugestimmt, und so habe ich dann Fotos von den beiden gemacht. Das hat eigentlich sehr professionell ausgeschaut, wie sie das gemacht haben.
Es gibt in deinem Buch auch ein sehr schönes Foto von einer Statue im Oberen Belvedere, mit Blick auf Wien hinunter, auf dessen Stufen ein Liebespaar sitzt. War das auch Zufall?
Lukas Beck: Ja, auf den Fotos im Buch "Wien Pur“ ist nichts gestellt.
Hast du gleich zu Beginn dieser Foto-Serie auch die Idee, ein Buch daraus zu machen oder war das eher zuerst einmal eine Art Beschäftigungstherapie während der Zeit des ersten Lockdown?
Lukas Beck: Ich versuche aus allen meinen Projekten was zu machen, entweder ein Buch oder eine Ausstellung oder beides. In diesem Fall habe ich zuerst an eine Ausstellung gedacht und einige Bilder sind jetzt wirklich ausgestellt, im Theater am Spittelberg. Und das Buch mit den Fotos ist jetzt auch schon fertig.
Du hast einige der Bilder auch regelmäßig auf deinem Facebook-Acount gepostet, zuletzt auch einige Motive, die es nicht ins Buch geschafft haben. Zusätzlich postet du auch immer wieder Bilder, wo du Menschen portraitierst. Dabei steht immer der schöne Spruch "Es ist der Blick, es ist immer der Blick“. Was ist damit gemeint?
Lukas Beck: Da geht es immer darum, dass ich da immer Menschen zeige, die einen besonders interessanten oder intensiven Blick haben.
Wir leben in einer Zeit, wo man von einer wahren Bilder- bzw. Fotoflut sprechen kann. Was hältst du von dieser Entwicklung?
Lukas Beck: Na ja, es gibt schon lange eine Buchstabenflut, als auch eine Bilderflut. Täglich werden Tausende Bilder gepostet. Es gilt da einfach heraus zu filtern, was interessant ist. Dass jetzt so viele junge Menschen die Gelegenheit haben, mit Ihren Handys zu fotografieren und filmen können, empfinde ich insgesamt als große Bereicherung. Dass dabei natürlich nicht immer nur großartige Fotos herauskommen, ist selbstverständlich, aber es gibt z.B. auf Instagram, wenn man da genau schaut, immer wieder sehr interessante Beiträge bzw. sehr interessante Ideen. Ich hüte mich in diese Frage davor, so eine Art alternden Oberlehrer zu spielen, und z.B. zu sagen, nur weil jetzt jeder mit dem Handy fotografieren und filmen kann, sind die Fotos nichts mehr wert. Ich glaube, diese Entwicklung ist einfach nur eine Demokratisierung, und das ist generell eine sehr gute Sache.
Du bist in Wien aufgewachsen. Welche Unterschiede fallen dir auf, wenn du das Wien deiner Kindheit und Jugend mit dem heutigen Wien vergleichst?
Lukas Beck: (Schmunzelt) Ich bin im neunten Bezirk aufgewachsen. Wien war in meiner Jugend ein ödes Dreckskaff und provinziell bis zum Geht-nicht-mehr. Dann kamen große Erlöser wie z.B. die Musiker Georg Danzer oder später Falco, die einen Blick hinaus in die große Welt gezeigt haben. Aber die Leute in Wien auf der Straße in den 1980er Jahren, der Umgang mit den Kindern, die wenigen Freiräume, das war alles nicht so prickelnd. Zur Gegenwart muss ich sagen, Wien hat sich ganz toll entwickelt, vor allem in der bildenden Kunst, da gab es in meiner Jugend im Vergleich zu jetzt wenig bis gar nix. Auch was die Musiklandschaft betrifft, was die Jugendkultur betrifft, etc. Wien ist eine moderne, offene Stadt geworden und das finde ich toll!
Eine intensive Verbindung hast du auch mit den Sängerknaben im Augarten im 2. Bezirk, die du schon lange als Fotograf begleitest. Bitte erzähle etwas darüber...
Lukas Beck: Ich bin in den späten 1990er Jahren von Dr. Tina Breckwoldt engagiert worden, sozusagen ein neues, modernes Bild der Sängerknaben zu fotografieren. Das war eine wahnsinnig schöne und tolle Herausforderung, und macht mir immer noch großen Spaß. Erstens weil ich die Sängerknaben spannend finde und zweitens, weil ich sehr gerne mit Kindern arbeite. Mittlerweile geht diese tolle Zusammenarbeit schon über 20 Jahre!
Wie reagieren die Burschen der Sängerknaben beim Fotografieren auf dich? Ich könnte mir vorstellen, dass es da auch immer wieder zu besonderen Momenten kommt oder?
Lukas Beck: Wenn ich den Chor fotografiere, dann habe ich immer 25 Knaben auf einmal vor mir. Interessanter wird es, wenn ich sie dann später einmal wieder treffe oder wenn sie z.B. Musiker werden, und mich später wieder für ihre Künstlerportraits als Fotograf engagieren. Es ist immer witzig, wenn ich auf ehemalige Sängerknaben treffe, und das ist auch bei der Arbeit für "Wien Pur“ passiert. Bei der alten Donau gibt es alte, fast historische Schrebergärten, die noch aus den 1920er Jahren stammen, die wollte ich auch unbedingt im Buch drinnen haben. Ich bin dann dorthin hingefahren und habe die Besitzer angesprochen. Da war eine Dame, die hat mich dann auch gleich hineingebeten und beim Reden sind wir draufgekommen, dass die Familie zwei Söhne hat, die bei den Sängerknaben waren! Die habe ich natürlich damals auch fotografiert, jetzt sind sie längst schon erwachsen. Einer kam dann noch mit seiner Freundin vorbei, und hat mir erzählt, welches Studium er gerade macht etc. Das war eine unglaublich nette Begegnung, diesen Burschen wiederzutreffen! //
Interview: Robert Fischer
Fotos: Lukas Beck, Franzi Kreis
Buch-Tipp:
Lukas Beck - Wien Pur
Verlag: Echomedia Verlag, Wien (2020)