Während Nicole Six und Paul Petritsch den Hauptraum der Secession mit nichts weiter als einem einzelnen Betonklumpen sowie einer Palette, auf der 20.000 Poster gestapelt sind - "die Welt in Bildern zur freien Entnahme" - betont asketisch bespielen, gibt man sich im Keller desselben Gebäudes weit irdischeren Freuden hin: Christoph Büchel ließ das Untergeschoss in einen Swingerclub umbauen, welcher angeheizt von Kleinformat, blauen Ordnungshütern & Co. im Zentrum Österreichs neuesten Kunst-Skandals steht.
Räumliche Installationen, welche auf die gegenwärtige Gesellschaft Bezug nehmen, sind fixes Konzept des international erfolgreichen Schweizer Künstlers: so umfasste die 2008 im Kasseler Fridericianum realisierte Ausstellung "Deutsche Grammatik" unter anderem einen Discount-Supermarkt, ein Sonnenstudio sowie eine bewirtschaftete Gaststätte - alles freilich zum Gebrauch durch die Ausstellungsbesucher gedacht. Aktive Beteiligung der Passanten war ebenfalls in der während des Kunstfestivals "Kontracom 06" initiierten "Aktion Reales Salzburg" gefragt, in welcher Büchel ein fiktives Bürgerbegehren gegen die Bespielung des öffentlichen Raumes der Mozart-Stadt durch zeitgenössische Kunst startete, dessen Forderung nach einem fünfjährigen Moratorium für Gegenwartskunst in der Altstadt peinlicherweise regen Zuspruch erlangte. Vor Ort, in der Friedrichstraße, wird den Wienerinnen und Wienern nun der Spiegel in Form eines promiskuitive Praktiken bewerbenden Clubs vorgehalten, der zu späten Abendstunden mit SM-Shows, Body Painting und Bondage-Parties aufwartet. Angesichts so viel Freizügigkeit im heiligen Rahmen der Kunst spinnt die mediale und politische Resonanz in diesem Zusammenhang Forderungen, die von Subventionsrückzahlungen bis Vergnügensteuererhebung reichen. Hier stellt sich die Frage, was da schief gelaufen ist, im Zuge der allgegenwärtigen Sexualisierung unserer Gesellschaft - eine soziale Gegenwart, die wie selbstverständlich TV-Soaps über Prostituierte produziert, in der Brust-OPs und Schamlippenkorrekturen Diskussionsthema der nachmittäglichen Talk-Shows sind, und deren Liberalisierung von pornografischem Material heute jedem 12-Jährigen ungehinderten Zutritt in eine endlose Fülle an nicht-jugendfreien Datenmengen ermöglicht. Reflektiert die Kunst nun diese Zustände, schreit man nach Zensur. Mit "Element6" versucht Büchel genau diese Doppelmoral zu verdeutlichen. Der Zeit ihre Kunst eben. (Text: ne; Fotos: Element6, Installationsansichten, Secession 2010, Foto © Werner Kaligofsky) Ausstellungs-Tipp: |
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