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kai-design-sammlangewDie Wiener Universität für angewandte Kunst zeigte mit rund 400 Ausstellungsobjekten 120 Jahre Designgeschichte und veröffentlicht zur Dokumentation das Buch "Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute".






 

 

Das grün-blaue Bankomaten-B von Friedrich Eisenmenger, die ORF-Kringel von Erich Sokol, der rote Volkstheater-Stern bestehend aus V von Josef Perndl und Aleksandra Domanovic - es braucht nicht viele Beispiele, um die Zeichen zu zeigen, die die Lehrenden und Absolvent/innen der Universität für angewandte Kunst im öffentlichen Raum setzen. Und dies seit ihrer Gründung im Jahre 1867 als "Kunstgewerbeschule des kai-design-sammlangew01Österreichischen Museums für Kunst und Industrie". Unter den sakralen Fresken des Heiligenkreuzer Hofes ist nun erstmals der Vorhang über der umfassenden Grafikdesign-Sammlung der Angewandten gelüftet, was nicht nur einen repräsentativen Gang durch die Zeiten im Spiegel von Plakaten und Verpackungen ermöglicht, sondern auch eindrucksvoll dokumentiert, wie das Design seinerseits die Epochen prägt. Zu Tage tritt ein Skriptorium der Warenwelt und die Geschichte der Alphabetisierung des öffentlichen Raums von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Sie beginnt mit den filigranen Kalligrafien der Wiener Moderne, die mit Bertold Löffler selbst einen Lottoschein zum Gemälde geraten lässt oder mit Koloman Moser auch die Leerfläche zum wichtigen Stilmittel erhebt. Dicker tragen die Zwanziger Jahre auf: Julius Klinger lässt auf einem Plakat mittelalterliche Ratsherren zum Himmel nach Flugzeugen Ausschau halten, sein Schüler Joseph Binder formte schließlich in den 1950ern im Auftrag der amerikanischen Regierung die Embleme der USA von der US Navy bis zum Roten Kreuz. Auch die Nazis, die Julius Klinger 1942 ermordeten, bedienten sich der modernen Errungenschaften der Bildsprache, in den Plakaten der damaligen Fachklasse Paul Kirnig wird moderne Formenklarheit mit Bedrohlichkeit, Volkstümelei und Kraftmeierei verbunden. Die Nachkriegszeit bis zu den kai-design-sammlangew02Siebzigern lässt die Welt auf Bomben sitzen und die Plakate von Kurt Schwarz und seinen Schüler/innen stehen spannungsvoll ganz im Zeichen der Verortungsversuche zwischen Anknüpfung und Zerrissenheit. Unter dem Schlagwort "Design oder Nicht-Sein" können die 1980er gesehen werden: Zwischen Minimalismus und Opulenz oszilliert das Anything-goes, perfekt verkörpert von Stefan Sagmeister, dessen Repertoire von der geradezu mathematisch ausgeklügelten Sonnenuhr-Postkarte bis zum Rolling Stones-CD-Cover aus vollen Farbkübeln reicht. Der Computerscreen weist in den Neunzigern den Weg ins neue Jahrtausend und mit ihm rückt auch wieder mehr die Schrift ins Blickfeld, etwa als "Gebrauchsinformation für den Planeten Erde" von Angie Rattay. Heimlicher Star der Ausstellung ist eine Künstlerin oder ein Künstler mit Namen "Unbekannt", die oder der in allen Epochen mit beeindruckenden Werken vertreten ist. Dem Fisch im Fisch als Maul im Maul auf dem Cover des prächtigen Ausstellungskataloges wurde letztlich doch ein Urheber zugestanden: Bernhard Faiss, Student der Meisterklasse Tino Erben. (Text: Günter Vallaster; Fotos: faksimile digital_kainz)


kai-design-sammlangew03Kurz-Infos:
Ausstellungszentrum Heiligenkreuzer Hof
Schönlaterngasse 5 bzw. Grashofgasse 3, 1010 Wien
23. Oktober - 13. Dezember 2009

Buch-Tipp:
Anita Kern, Bernadette Reinhold, Patrick Werkner (Hrsg.):
Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute.
Von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister.
Aus der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien
Reihe: Edition Angewandte (2010)
240 S., Softcover, € 39,95