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himmelsscheibe_nebraDass man leicht in Euphorie und in verwirrende Glücksseligkeit abrutscht wenn die Zeit da ist eine Sensation zu präsentieren, "die uns alle ein Nebra-Fieber beschert", kommt ja nicht selten vor, so auch beim Eröffnungsauftakt zur Ausstellung "Der geschmiedete Himmel" im Naturhistorischen Museum Wien. Da schien tatsächlich ein Fieber ausgebrochen zu sein, zumindest unter dem Gros der Festredner. Von Manfred Horak.

Vormittags, während der Pressekonferenz, gab es bereits die ersten Vorzeichen hohen Fiebers, die sich jedoch nur als erhöhte Temperatur herausstellten im Vergleich zur festlichen Eröffnung am Abend. Die Himmelsscheibe von Nebra die ihren Hauptwohnsitz im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale hat und nun ein paar Urlaubsmonate in Wien verbringen wird, nachdem sie in Kopenhagen zur Schau gestellt wurde gilt wohl zurecht als einer der wichtigsten archäologischen Funde des vergangenen Jahrhunderts. Deswegen aber Eröffnungsreden in Grotesken umzuwandeln halte ich doch ein wenig für übertrieben, so z.B. wenn Dr. Bernhard Lötsch, der Hausherr des Naturhistorischen Museums Wien, quasi in einem Atemzug kundtat, dass die Himmelsscheibe von Nebra zwar schon auch in Kopenhagen, dennoch aber in Wien erstmals außerhalb Sachsen-Anhalt einem breiten Publikum zur Schau gestellt wird. Den unfreiwilligen Lacher auf seiner Seite hatte im übrigen der Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, als er in seiner ansonsten sehr sympathischen Rede die, wie er meinte gehört zu haben, gute Universitätssituation in Österreich beiläufig zu erwähnen (Wer konnte ihm so etwas Sagen? Seine Sitznachbarin BM Gehrer?; Anm.).
Nun ja, das schmälerte dennoch keineswegs den Gusto all jener die schließlich gekommen waren, um endlich diese berühmte Himmelsscheibe zu sehen. Der Landesarchäologe Dr. Harald Meller - Direktor des Landesmuseum Sachsen-Anhalt - erwähnte wiederum in seiner freilich sehr fundierten und nie peinlichen Rede, dass Wien u.a. deshalb als so frühe Ausstellungsstätte auserkoren wurde, da das Kupfer in der Himmelsscheibe aus Österreich stammt. Im Labor wurde nämlich festgestellt, dass das Mischungsverhältnis aller Bronzen von Nebra sehr ähnlich ist und das verwendete Kupfer aus einer einzigen Quelle stammt. Das Spurenelementmuster der Funde von Nebra weist dabei auf die östlichen Alpen. Dort gab es vor 3600 Jahren mehrere Kupferbergwerke, u.a. der Mitterberg in Salzburg.

Rufen Sie mich bitte gestern an

Harald Meller betonte auch mehrmals, dass die Himmelsscheibe eindeutig echt ist, auch wenn eine zuverlässige naturwissenschaftliche Datierungsmethode, um das Alter zu bestätigen, noch nicht bekannt sei. Allerdings kann man sehr wohl zwischen modernem und altem Metall unterscheiden. Diese Unterscheidung beruht im wesentlichen darauf, dass ein Metall wie Kupfer bis ca. 100 Jahre nach ihrer Verhüttung schwach radioaktiv ist, bei der bronzenen Himmelsscheibe jedoch keine messbare Radioaktivität nachgewiesen werden konnte, darüber hinaus spricht auch die chemische Zusammensetzung des Metalls, sowie die grobe, über sehr lange Zeit gewachsene Struktur der Korrosionsschicht für die Echtheit des archäologischen Fundes von Weltrang. Daher gilt die These, dass die Himmelsscheibe von Nebra die weltweit älteste konkrete Darstellung des Kosmos zeigt. Bis halt ein noch älteres Stück gefunden wird.
Hinlänglich bekannt dürfte bereits auch der Kriminalfall rund um die außergewöhnliche Bronzescheibe sein, deshalb wird auf den Kriminalfall an dieser Stelle nicht näher eingegangen, nur vielleicht noch so viel dazu, dass es ein prima Stück Prosa dazu gibt, nämlich "Eine Reise zu den Sternen" (2002; Klett-Cotta) von Nicholas Christopher das den nebranischen Kriminalfall zwar nicht ins Zentrum rückt, aber der Geschichte doch einen nicht unwichtigen Teil zukommen lässt.
Dass die Himmelsscheibe ein Medium für Zeitreisen sei, wie einige Zeitgenossen es glaub(t)en ist natürlich absurd, Meller erzählte davon mit trockenem Humor und auch was er und seine Kollegenschaft bei diesbezüglichen Anfragen zu antworten pflegten: "Ich habe jetzt keine Zeit. Rufen Sie mich bitte gestern an." Nachdem evaluna einige mystische Lieder zum Besten gab, war es dann doch so weit und die Himmelsscheibe von Nebra konnte endlich besichtigt werden. Das Gedränge wie Interesse war groß. Zu Recht. Es zahlt sich aus. Neben dem Original aus Nebra steht eine Kopie des Sonnenwagens von Trundholm (Dänemark), über die Räumlichkeiten perfekt verteilt weitere höchst sehenswerte Artefakte, so auch die Venus von Willensdorf.
Die Ausstellung "Der geschmiedete Himmel" ist bis 5. Februar 2006 im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen. Schauen Sie sich dieses wunderbare Stück Kunsthandwerk an, Sie werden es nicht bereuen. (Manfred Horak)

Ausstellungstipp:
Naturhistorisches Museum Wien
Noch bis 5. Februar 2006

Buchtipps:
Nicholas Christopher - Eine Reise zu den Sternen (2002; Klett-Cotta)
Marc Hillefeld - Der Herrscher der Zeit (Mit einem Klick zur Buchkritik)

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