PR Foto Interview mit Marco Pogo

Ein Interview mit Marco Pogo, dem King of Simmering, über Gschichtldrucker, Ärzte, Punk und Politik.

"Fun Fact: Eine Giraffe kann zwei Wochen überleben, ohne zu trinken. Ein Österreicher nicht." Es sind Sprüche wie dieser, die am 30.5.2022 das Publikum erheitern und lautes Lachen durch das Orpheum im 22. Wiener Gemeindebezirk erklingen lassen.

Gschichtldrucker

Interview mit Marco Pogo GschichtldruckerMarco Pogo, Frontmann der Band Turbo­bier­ und Vorsitzender der Bierpartei­, hat 2021 ein Buch geschrieben das "Gschichtn" heißt und allein deshalb schon eine gute Grundlage für das Kabarettprogramm, das daraus entstanden ist, bildet. Dieses heißt nun "Gschichtldrucker" und führt ihn mit einigen Terminen, die bis in den Herbst 2023 hineinreichen über die Veranstaltungsbühnen dieses Landes. Er erzählt bei den Auftritten dieser Tour die besten Anekdoten aus seinem Buch nach und ergänzt sie mit weiteren Geschichten und empfindet dabei Verwunderung über die vielfältige österreichische Parteienlandschaft ("Wer nennt seine Partei bitte 'Partei der kreativen Oliven'!?"), berichtet über den Fremdscham, den er im Ausland empfindet, wenn ihm österreichische Touristen begegnen und erzählt von den politischen Vorhaben, die er noch umsetzen will (z.B. sollen die Pfadfinder bei ihm Pfandfinder heißen).

Ein Lehrstück österreichischer Bürokratie

Am meisten in Erinnerung bleibt der Autorin jedoch die Anekdote über Pogos Versuch das Passwort seiner Handysignatur zu ändern (auch, weil ihr kürzlich Ähnliches widerfahren ist) die in verschlungenen Wegen über unter anderem das Postamt, das Magistrat und eine Corona-Teststraße führt, nur um das gewünschte Passwort schlussendlich auf ein Stück Papier schreiben zu müssen, um es einem Beamten unter einer Plexiglasschreibe durchzureichen. Ein Lehrstück über die teils groteske Ausmaße annehmende österreichische Bürokratie. "Ja, die Gschicht mit der Handysignatur ist derart absurd, dass sie mir eigentlich wirklich am besten gefällt. Es heißt ja so schön: die besten Geschichten schreibt das Leben selbst und die Geschichte ist so deppad, die könnte man sich gar nicht überlegen. Viele können nicht glauben, dass man dort beim Beantragen das Passwort händisch auf einen Zettel schreiben muss, aber so war's! Das ist eine schöne Geschichte, die an Absurdität kaum zu übertreffen ist. Maximal noch von einem pinkelnden Mafioso mit einem Peppa Wutz-Aufkleber auf einem Bentley", sagt er in Anspielung auf eine weitere auf der Bühne erzählte Anekdote über einen Auftritt seiner Band in China.

Koexistenzen

Marco Pogo, der eigentlich Dominic Wlazny heißt, ist ein sehr umtriebiger Mensch. Schon in seiner Jugend mit dem Musikmachen begonnen, schloss er später eine Ausbildung zum Arzt ab und widmet sich momentan abwechselnd seiner Band Turbobier und seinen Funktionen als Bezirksrat in Simmering, mit dem Ziel, im nächsten Schritt Bundespräsident von Österreich zu werden. Es sind vor allem die politischen Ambitionen im Rahmen seiner gegründeten Bierpartei, die ihm Auftritte in diversen österreichischen (Polit-)Talkshows bescheren. Was auffällt ist, wie immer wieder der angebliche Unterschied zwischen ihm und den anderen Gästen hervorgehoben wird. So zum Beispiel als Gast bei Corinna Milborn auf Puls4, als er gemeinsam mit dem Arzt Christoph Wenisch der Klinik Favoriten seine Einschätzung zum Thema Impflicht abgeben sollte. "Heute sind hier zwei unterschiedliche Ärzte. Zwei SEHR unterschiedliche Ärzte", wurden die beiden zu Beginn vorgestellt. Die vermeintliche Gegensätzlichkeit der beiden wurde danach noch mehrmals in der Sendung betont. Als würden sich die Meinungen und Einschätzungen zweier Menschen, die beide ein abgeschlossenes Medizinstudium haben in ihrer Qualifikation darin unterscheiden, ob der eine Tattoos und Lederjacke trägt und der andere nicht. Und als könnten die Tätigkeiten als Arzt und Politiker und die eines Musikers in einem Menschen nicht koexistieren, als wären (Punk-)Musik und die dazugehörige Lebenseinstellung die Antithese zu Intellekt und Glaubwürdigkeit.

Unkonventionelle Zeiten

Viel zu oft fokussiert sich die mediale Berichterstattung über politische Ereignisse auf oberflächliche Details wie das Tragen von Turnschuhen bei einer Angelobung oder das Fehlen einer Krawatte bei formalen Events und misst die betreffenden Personen eher daran als an ihrem politischen Schaffen und dessen Inhalten. "Das fällt mir auch immer wieder auf. Die Leute versuchen sich ihr Leben relativ einfach zu gestalten, deshalb brauchen sie gewisse Schubladen, in die sie gewisse Leute reinstecken können", meint Marco Pogo dazu. "Das hilft ihnen bei der Klassifizierung. Aber natürlich ist das nur ein sehr oberflächliches Betrachten. Ich würde mir auch wünschen, dass manchmal ein bisschen mehr dahinter geschaut wird und gesehen wird, dass Humor als stilistisches Mittel und Trägermaterial für meine Forderungen fungiert, diese aber manchmal auch sinnvoll sind. Ich glaube aber nicht, dass sich das ändern wird. Da muss noch ganz viel Wasser die Donau runterfließen, um aus den Leuten das he, da sitzt a Tätowierter rauszukriegen, wenn da jemand in so einem Format sitzt, tätowiert ist und trotzdem versucht was Intelligentes von sich zu geben. Deshalb habe ich mich damit abgefunden und spiele auch damit, weil es mir oftmals auch eine Hintertür offen lässt um was Unkonventionelles zu sagen. Ich weiß, dass es unkonventionell ist und für manche ist es vielleicht zu progressiv, aber wir haben auch unkonventionelle Zeiten.“

Das Verhaberungs-Problem in Österreich

Interview mit Marco Pogo von Christina MasareiNicht nur Pogos optischer Auftritt ist für die österreichische Öffentlichkeit unkonventionell, auch sein stetiges Kommentieren der politischen Vorgänge in diesem Land, das wenig mit dem klassischen "sich lieber aus Konflikten raushalten und nicht einmischen" vieler österreichischer Entscheidungsträger gemein hat. So hat er auch öffentlich Alexander van der Bellens mangelnde bzw. zu moderate Positionierung zu aktuellen Geschehnissen kritisiert. Findet er es problematisch, dass in Österreich oft zu sehr darauf geachtet wird niemandem auf die Zehen zu steigen und mit allen verhabert zu sein? "Ja, ein Verhaberungs-Problem haben wir sicher in Österreich. Das sieht man auch deutlich an der jungen Gurkentruppe, die ich angesprochen habe [die ÖVP unter Sebastian Kurz, Anm.], da war das ja ganz extrem. Ich glaube, dass die Zeiten es durchaus hergegeben hätten, deutliche Worte zu finden.  Auch, dass das in der Rolle des Präsidenten - des obersten Amts im Staat - notwendig ist, weil es eine moralische Leitlinie geben muss für Leute, die sich nicht an moralische Leitlinien halten.  Das kann nur ein Mensch in einer Position sein, der ihnen erklärt okay Freunde, so nicht. Und das hab ich vermisst. Und ich glaube, das haben viele Leute in diesem Land vermisst. Auch wenn man natürlich in seiner Position vereinen muss. Aber man kann denen, die sich außerhalb des moralisch-ethisch korrekten und auch rechtlich korrekten Korridors bewegen auf die Finger hauen. Das ist notwendig. Denn eine Vorbildwirkung haben diese Typen nicht gezeigt. Das hätte ich mir mehr gewünscht und ich glaube, da geht es ganz vielen so", überlegt Pogo.

"Ich hätte mit ihm nicht immer tauschen wollen"

"Ich glaube dieses Vereinende ist ein Amtsverständnis, das mit diesem Amt des Bundespräsidenten einhergeht. Es ist auch absolut wichtig, dass man eine breite Basis schafft, um möglichst viele Leute ins Boot zu holen. Aber es ist auch ein bisschen Schönwetter-Politik. Ohne Krise stehe ich immer gut da. Aber wir haben manifeste Krisen. Sei es ein unbegreiflicher Krieg, seien es die gesellschaftlichen Verwerfungen, die damit einhergehen bis hin zu dieser unsäglichen Pandemie. Es sind sehr stürmische Zeiten. Dann haben wir außerdem noch ein Korruptionsproblem, auch wenn das manche Parteien in diesem Land nicht so formulieren wollen. Die Amtszeit von Heinz Fischer war sehr gmiatlich und da ist es nicht aufgefallen. Aber wenn was den Bach runtergeht, dann fällt das massiv auf. Da muss man dann geradestehen. Es war sicher eine sehr fordernde Amtszeit für Alexander van der Bellen, das ist unbestreitbar. Ich hätte mit ihm nicht immer tauschen wollen. Es ist nun mal aber seine Aufgabe und damit muss man auch umgehen können."

"Ich sehe Österreich nicht gewappnet"

Marco Pogo hat in den letzten Jahren auch immer wieder Kritik am Coronamanagement der Regierung geübt. Laut Einschätzung vieler Wissenschaftler befinden wir uns nunmehr in einem pandemischen Zeitalter, in dem Covid-19 nur die erste von vielen Pandemien darstellt. Zusätzlich zu all den anderen umwelt- und sozialpolitischen Krisen; sieht Marco Pogo Österreich denn gewappnet für weitere Pandemien und die gesellschaftspolitischen Probleme, die hiermit auf uns zukommen? "Nein. Nein, ich sehe Österreich nicht gewappnet. Ich sehe auch niemanden der derzeitigen Entscheidungsträger in der Lage das zu managen. Natürlich muss man der Fairness halber sagen: Ja, es ist fordernd, es ist kein Spaziergang. Aber viele der Fehlentscheidungen, die da passiert sind, waren einfach so deppad. Allein dieser Ostererlass. Das war so unpackbar! Und dann sagen eh schon alle Experten das wird so passieren und dann haben die Politiker auch noch die Dreistigkeit sich hinzustellen und zu sagen oh, das hat man nicht kommen sehen. Nein. IHR habt das nicht kommen sehen, weil ihr unfähig seid. Alle anderen haben's eh gesehen. So gesehen sehe ich uns ganz schlecht gewappnet. Und im Moment - mit dem Personal - bleibt eigentlich nur noch hoffen. Aber hoffen und beten empfinde ich nicht als adäquate Vorbereitung auf Krisen. Aber gut, wir werden es sehen."

Heimatbegriff

Interview mit Marco Pogo GschichtnIn Zeiten, in denen das typisch Wienerische immer mehr auszusterben scheint, ist es eine Wohltat jemandem wie Marco Pogo zuzuhören, der durch seine goscherte Art und das regelmäßige Bedienen an mit Simmeringer-Lokalkolorit gefärbtem Vokabular die Wiener Seele ein wenig am Leben hält. Und das alles abseits der nationalistischen Monopolisierung des Patriotismus vonseiten der Rechten. "Die FPÖ hat sich den Heimatbegriff einverleibt. Das ist schade, weil eine gewisse Bindung an die Heimat ja auch was Verständliches ist und ja nichts Schlechtes sein muss. Aber die Auslegung des Heimatbegriffes dieser Leute und dieses übermäßig stolz sein, da zieht's mir die Schuhe aus. Und ich finde, dass man sich das auch ein bisschen zurückholen kann, ohne den fahlen Beigeschmack, den der Begriff Heimat manchmal mit sich bringt. Man kann sagen ich bin froh, in diesem Land leben zu können, weil es nicht schlecht ist. Und weil es uns noch viel schlechter gehen könnte. Man darf nicht vergessen wie privilegiert wir sind. Und dass wir dem Umstand gerecht werden müssen, dass man Leuten helfen muss, denen es nicht so gut geht oder Leuten, die flüchten müssen vor den Problemen dieser Welt. Aber ja, ich bin auch ein stolzer Lokalpatriot, ein stolzer Simmeringer.“

Verlust der Wiener Kultur

Ich frage ihn, wie es war, in Simmering aufzuwachsen, was er an diesem Bezirk schätzt. "Die Architektur ist es nicht, na? Es ist jetzt kein Florenz. Aber es ist sehr bodenständig und sehr ehrlich. Ich kann mich an eine Gschicht erinnern: Als Kind ist ein Typ mit einem Rad die Gasse runtergefahren und hat auf einmal einen Patschn und schreit durch ganz Simmering: Oaaaaaaasch!. Dieses Oasch war so sinnbildlich für Simmering, daran kann ich mich gut erinnern. Die Leute hier sagen's einfach direkt. Und wenn es dir deinen Fahrradreifen zerfetzt, dann ist das einfach oasch, da gibt's kein anderes Wort dafür. Das mag ich an Simmering. Diese direkte, ehrliche Art." Dennoch geht auch an ihm der allmähliche Verlust der Wiener Kultur nicht vorüber. "Es gibt nur noch ganz wenig Branntweiner. Die Würstelstandlfrequenz sinkt auch stetig. Das war der Ort, wo alle Menschen verschiedenster Klassen immer zusammengekommen sind. Natürlich stirbt der Dialekt auch ein bissl, aber das wird am schwierigsten zu beeinflussen sein. Ich würde mein politisches Schaffen eher dem widmen, dass es wieder mehr Branntweiner, Likörstuben und Würstelstandln gibt."

Die Leute da abholen, wo sie stehen

Angesichts des Arbeitspensums und des doch immer sehr seriösen und bedachten Auftretens Marco Pogos, kann man sich dem Eindruck nicht verwehren, dass die Glorifizierung des Tachiniererlebens und die vermeintlich arbeitsverweigernde Haltung, die er an den Tag legt, eher einer guten Beobachtungs- und Imitationsgabe ebenjenes Typus geschuldet sind und wenig mit dem echten Dominic Wlazny gemein haben. "Natürlich kann Marco Pogo Sachen sagen, die Dominic Wlazny nicht sagen kann. Je intensiver man eine Kunstfigur betreibt, desto mehr verschmilzt sie mit der realen Person und verliert ein bisschen an Kante. Deswegen war Marco Pogo sicher früher radikaler in vielen Dingen und jetzt nähert er sich meinem normalen Gemüt an. Aber so eine Kunstfigur ist für einen selbst gut, weil man dadurch eine andere Sprache entwickeln und die besser ausleben kann. Und einer Kunstfigur hören die Leute vielleicht auch anders zu als einer Privatperson. Das hat man wunderbar beim leider kürzlich verstorbenen Willi Resetarits gesehen. Als Ostbahn Kurti konnte er in andere Milieus und Schichten hineinwirken, sodass sich auch Politiker für sein Schaffen bedankt haben, die man sonst politisch garantiert nicht in seiner Region verortet hätte. Er hat es einfach verstanden die Leute da abzuholen, wo sie stehen und das ist was sehr, sehr schönes. Es kann schon anstrengend sein Marco Pogo und Dominic Wlazny zu sein. Aber ich mag beide."  //

Interview mit Marco Pogo und Text: Christina Masarei
Fotos: Anna, PR

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