Die Salzburger Festspiele zu Gast in Wien. Autor Daniel Kehlmann wiederholte am 16. Oktober 2009 im Wiener Konzerthaus ein Gespräch mit Georg Kreisler über "Liebste und vorletzte Lieder", das die Zwei schon im vergangenen Sommer in der Reihe "Dichter zu Gast" im Rahmen der Salzburger Festspiele geführt haben.
Über Kehlmann habe ich schon so einiges gelesen. Keine Intervieweinleitung ohne "witzige" Bemerkungen darüber, was er zu Essen bestellt, wie viele SMS er schreibt oder was er anzieht. Da ich den Altersdurchschnitt der Veranstaltung erheblich unterschritt, habe ich über Kreisler noch nicht so viel gelesen. Ich kenne sein Werk nicht besonders gut, habe höchstens eine Handvoll Lieder schon einmal gehört. Dementsprechend ging ich unvoreingenommen in den Mozartsaal des Konzerthauses, um Kreisler ein bisschen besser kennen zu lernen. Ein gutes Gedicht braucht keine Musik Der Abend entwickelte sich dann zu einem interessanten, facettenreichen Gespräch. In 90 Minuten wurde eine Vielzahl von unterschiedlichsten Themen angeschnitten. Das Verhältnis Kreislers zu Österreich wurde diskutiert. Es gehe ihm in Österreich gut, er sei gern hier, fühle sich allerdings keinem Land patriotisch verbunden und habe keine Verbindung zum offiziellen Österreich. Auch über die Kunst wurde natürlich geredet. Für Kreisler ist ein Gedicht etwas vollkommen anderes als ein Lied. Ein gutes Gedicht, so Kreisler, brauche keine Musik. Es wirke für sich allein. Auch seine politischen Ansichten wurden angesprochen, auf die Frage, ob er sich auch als Anarchist sehen würde, sagte Kreisler, dass das schon in gewissem Sinne zuträfe, Anarchismus aber nichts mit Gewalt zu tun haben müsse. Außerdem stünde er dem Kommunismus nicht nahe, da es sich dabei um eine Gruppierung handele, die praktisch nur von Moskau aus gesteuert worden sei und es keinen Raum für eigene Meinungsäußerung gegeben hätte. Als Kehlmann noch einmal die Frage in dem Raum stellte, ob es freie Medien gäbe, kam von Kreislers Seite ein deutliches "Nein". Für diese Erörterung hagelte es in Salzburg Kritik. Es herrsche keine wirklich freie Meinungsäußerung in den Medien. Es gäbe immer Tabus über die man nicht schreiben könne. [Kreisler hat immer nur von "Medien" im Allgemeinen gesprochen, aber er meinte Printmedien, die ihn damals zensiert haben und vor allem das Radio, das ihn teilweise nicht gespielt hat. Allerdings hat er die Kritik auch noch auf die Gegenwart ausgeweitet, aber auch nur von "Medien" geredet. Anm. d. Verf.]. Schließlich lobte Kreisler noch Josef Hader, der einer der wenigen zeitgenössischen Kabarettisten sei, der diesen Titel noch verdiene und führte seinen Cousin Walter Reisch sowie Charlie Chaplin als beeindruckendste Menschen in seinem Leben an. Reisch, weil er ein intelligenter Drehbuchautor war, ohne in hohem Maße gebildet oder belesen zu sein, Chaplin, weil er ein wirklich sozial denkender Mensch gewesen ist. Ein lohnender Abend Alles in allem waren die 90 Minuten Gespräch viel zu kurz. Ich hätte auch noch weitere eineinhalb Stunden zuhören können. Robert Menasse hat Daniel Kehlmann einen brillanten Essayisten genannt, der den Leser dazu bringt sich mit dem Gegenstand des Textes zu identifizieren. Und ähnlich wie in der schriftlichen Auseinandersetzung mit einem Text oder Autor, hat es Kehlmann in diesem "Interview" geschafft, die Person Kreisler aus verschiedenen Blickwinkeln auszuleuchten. Ich weiß jetzt nicht alles über Georg Kreisler, aber ich habe etwas über seine Denkweise und Ansichten erfahren. Es hat sich gelohnt. (Text: Katja Kramp; Fotos: Billy & Hells; Georg Kreisler Archiv)
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