24 Jahre ist es her, seit Maximus in "Gladiator" das erste Mal durch Kult-Regisseur Ridley Scott zum Leben erweckt wurde. Mit "Gladiator II" werden wir erneut in die Arena geworfen, die uns viel zu bekannt vorkommt, sich aber als bildgewaltiges Heimkommen entpuppt.
Ein sandiges Heimkommen mit Gladiator II
Ein knappes Vierteljahrhundert warten unzählige Fans bereits, um erneut in die sandigen Gefilde des römischen Kolosseums geworfen zu werden – ein Warten, das sich gelohnt haben sollte. Immerhin gab es bereits kurz nach dem Riesenerfolg des kultigen Monumentalfilms im Jahr 2001 eine Idee, den "Gladiator" nicht nur filmisch wiederzubeleben. Maximus Decimus Meridius, der am Ende seine verdiente Erlösung erhielt, sollte sich ursprünglich aus dem Jenseits zurück in das Diesseits kämpfen. Ein Drehbuchentwurf, der nie umgesetzt wurde und eine Idee, die ähnlich wie Russell Crowe (Maximus in Teil Eins) nicht die Kamera erblickte. So sitzen wir erst 2024 im Kino und fragen uns, welche Idee tatsächlich in den Kameras festgehalten wurde und ob sich das lange Warten wirklich gelohnt hat. Kurzum: Das Warten hat sich nicht gelohnt, denn das Zuhause in Form des Kolosseums und der erzählten Geschichte hat sich nicht verändert. Allerdings ist es ein Zuhause, das genauso schön ist wie vor 24 Jahren.
Sand im Navi, nicht im Getriebe
Das Endprodukt "Film" könnte in zwei Sphären eingeteilt werden: das Drehbuch und die Geschichte sowie dessen Umsetzung und die visuelle Gestaltung. Sphären, die im Falle von "Gladiator II" keinesfalls getrennt betrachtet werden dürfen, wenn die Magie des Kinos aufrechterhalten werden soll. Die heiß erwartete Fortsetzung lässt eine zentrale Komponente eines jeden Kunstwerks vermissen: die Kreativität. Der neue Film von Ridley Scott, der bereits mit seinen letzten Einträgen "House of Gucci" und "Napoleon" kaum begeistern konnte, geht mit "Gladiator II" den einfachsten Weg: Es ist eine Kopie von Teil Eins. Teilweise übernimmt die Fortsetzung gar ganze Story-Stränge des Kultfilms und verpackt sie in ein leicht neues Gewand. In Bezug auf die Sphäre Drehbuch und Geschichte ist das enttäuschend. Dennoch sitzt das allgemeine Publikum im Kino und wird von einem wohlig warmen Gefühl des Heimkommens eingenommen. Ein Phänomen, das viele an die Neuauflage von Star Wars aus dem Jahr 2015 erinnern dürfte. Einerseits eine dreiste Kopie des originalen Star Wars, andererseits ein Einfangen der Star Wars Magie. "Gladiator II" schafft es, genau die gleiche Art der Diskrepanz auf die Leinwand zu bringen. Trotz der massiven geschichtlichen Überschneidungen gelingt es Ridley Scott, das Gefühl und die Wirkung des über 20 Jahre alten Action-Spektakels zu rekonstruieren. Es ist ein stilistisch und inszenatorisch nahtloser Übergang, der genau dieses Heimkommen ermöglicht. Wir kennen die Kameraeinstellungen, die Zeitlupe, die Gesten der Hauptfigur, die Verrücktheit der römischen Kaiser und die Figuren. Letztere funktionieren auch deshalb so gut, weil die Performances durchweg überzeugen können. Paul Mescal ("All of Us Strangers") macht seine Sache als "Leading Man" ähnlich wie Russell Crowe damals einwandfrei, Pedro Pascal ("The Mandalorian") unterstreicht abermals seinen Charme, Denzel Washington darf seine Coolness erneut unter Beweis stellen und Joseph Quinn ("Stranger Things") brilliert als Nachfolger von Joaquin Phoenix (Kaiser Commodus in Teil Eins). Dadurch funktioniert das Getriebe des Films einwandfrei, lediglich die Navigation hat mit erheblichen Problemen zu kämpfen.
"Are you entertained?"
Ridley Scott, der auch für Filme wie "Der Marsianer" und "Blade Runner" bekannt ist, setzt in "Gladiator II" auf das geringste Risiko, spielt dabei aber seine größte Stärke aus: die Bildgewalt. So vertraut die Handlung auch wirkt, die visuelle Pracht des römischen Reiches ist an Imposanz kaum zu übertreffen. Von der ersten Sekunde an entfaltet der britische Regisseur ein wahres Action-Epos. Der Klang der römischen Trommeln, die strategische Raffinesse der Generäle und der unersättliche Hunger Roms nach Macht – all das wird bereits in der Eröffnungssequenz eindrucksvoll eingefangen. Das Zusammenspiel von praktischen Effekten und CGI (computer generated images) macht dieses Spektakel erst möglich und verleiht ihm eine spürbare Brutalität, die den ersten Teil übertrifft. Die Fortsetzung des "Sandalenfilms", wie Ridley Scott und Komponist Hans Zimmer es einst nannten, ist mehr als ein Kinofilm – es ist ein Gefühl. Eine unnötige Fortsetzung, aber zugleich eine Wiederbelebung des monumentalen Action-Films. Ein Rückschritt in Sachen Kreativität, aber ein dopaminhaltiges Heimkommen. Gladiator II ist wie die Rückkehr an den Ort des schönsten Kindheitsurlaubs, der unverändert geblieben ist und dennoch denselben Zauber versprüht. Ja, wir wurden erneut unterhalten – und sind "entertained". //
Text: Tobias Schwaiger
Fotos: Constantin Film
Film-Infos:
Gladiator II
Based on Characters Created by David Franzoni
Story by Peter Craig and David Scarpa
Screenplay by David Scarpa
Directed by Ridley Scott
Cast: Paul Mescal, Pedro Pascal, Joseph Quinn, Fred Hechinger, Lior Raz, Derek Jacobi, with Connie Nielsen and Denzel Washington
Kinostart: 14. November 2024
Verleih: Constantin Film Österreich
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