Über 60 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus Zentral- und Osteuropa (CEE) einschließlich der Kaukasus-Region und der Türkei sind zwischen 13. und 21. 9. 2013 beim LET'S CEE Film Festival in der Wiener Urania und im Actor's Studio Wien zu sehen.
Mit dem Eröffnungsfilm "Eastalgia" von Regisseurin Daria Onyshchenko startet das Filmfestival in seine zweite Saison. Karl Markovics und Georg Friedrich sind in den Hauptrollen des Dramas zu sehen. Die Handlung spielt in einer Nacht parallel in drei Städten. Erzählt werden dabei drei Liebesgeschichten von Menschen unterschiedlicher Generationen und Nationalitäten, wie z.B. von der einsamen Ukrainerin Ruslana, die auf den ehemaligen serbischen Boxer Vladan trifft, der ihr bei der Wohnungsreparatur und mit seinem Lebensmut hilft. Die Regisseurin wird beim Festival ebenso anwesend sein wie freilich auch Hauptdarsteller Karl Markovics.
Slovenian Girl
Der Samstagvormittag (14.9.) gehört polnischen Kinderfilmen (11 und 13 Uhr, Urania bei freiem Eintritt). Die Retrospektive des renommierten polnischen Trickfilmstudios Se-ma-for umfasst zehn Kinderfilme aus sechs Jahrzehnten. Im bunten Programm finden sich Klassiker wie "Pyza" (Dumping Girl) und "Zaczarowany ołówek" (Magic Pencil) genauso wie der neueste Puppentrickfilm Zajączek Parauszek (Flapper and Friends). Zwischen den zwei rund einstündigen Filmblöcken gibt es eine Lesung des Bestseller-Kinderbuchautors Marcin Szczygielski. Gleich danach um 15 Uhr beginnt die dreiteilige Retrospektive des slowenischen Regisseurs Damjan Kozole, der bei der Projektion seiner Filme "Spare Parts", "Labour Equals Freedom" (beide 14.9.), sowie "Slovenian Girl" (15.9.) anwesend ist und zudem am 17. September eine Master Class leitet. "Spare Parts" erzählt die Geschichte des ehemaligen Motorrad-Champions und verbitterten Witwer Ludvik, der vom Menschenschmuggel lebt. Jede Nacht transportiert er um viel Geld illegale Flüchtlinge in seinem Lastwagen von Kroatien an die italienische Grenze. Damjan Kozole gibt im Film einen irritierenden Einblick in die komplexe Gefühlswelt seiner Hauptperson; gegen Ende der atmosphärisch düsteren Charakterstudie ist mancher Zuseher wohl sogar versucht, Verständnis für den Widerling Ludvik zu entwickeln. Die Flüchtlinge hingegen bleiben das, was der Titel ankündigt - Spare Parts. In "Labour Equals Freedom" wiederum steht der Mittvierziger Peter im Zentrum der Tragikomödie. Nach der Integration Sloweniens in die EU schließt die Fabrik, in der er gearbeitet hat, und eine tragische Geschichte nimmt ihren Lauf. Rückschläge am Arbeitsamt lassen Peter bald in eine Krise fallen: Er beginnt zu rauchen, zu trinken und wird zuletzt sogar impotent. Seine Frau Vera, die trotz seiner unbegründeten Eifersucht lange zu ihm gehalten hat, verlässt ihn mit der gemeinsamen Tochter und findet ihr Glück bei einem Arbeitskollegen. Der Gestrauchelte fällt tiefer und tiefer. "Slovenian Girl" schließlich erzählt von der 23-jährigen Aleksandra, die in Ljubljana ein Doppelleben führt. Untertags mimt sie die fleißige Sprachstudentin, in der Nacht verdient sie als "The Slovenian Girl" ihr Geld als Prostituierte. Als eines Tages ein ehemaliger Politiker vor ihren Augen nach einer Überdosis Viagra einen Herzinfarkt erleidet und stirbt, ist plötzlich alles anders. Damjan Kozole schafft mit seinem Film einen gekonnten Spagat zwischen Thriller, Drama und schwarzer Komödie und füllt die Charaktere mit Echtheit und Lebensnähe. Nicht umsonst wurde der Streifen bei einer Reihe internationaler Filmfestivals ausgezeichnet. Neben Damjan Kozole hält übrigens auch der polnische Produktionsdesigner Allan Starski eine Master Class. 1993 gestaltete Allan Starski die Sets für Steven Spielbergs "Schindlers Liste", wofür er einen Oscar, eine BAFTA-Nominierung sowie den Award for Best Production Design der Los Angeles Film Critics Association erhielt. "Schindlers Liste" steht daher auch am Programm des Festivals und wird am 15.9. gezeigt.
Gangster of Love
Weitere Master Classes halten der russische Regisseur Alexander Sokurov ("The Stone"), die kosovarische Produzentin, Regisseurin und Drehbuchautorin Blerta Zeqiri ("The Return"), der Filmkomponist Saša Lošić, sowie der polnische Regisseur Wojciech Marczewski ("Escape from the 'Liberty' cinema"). Einer der filmischen Höhepunkte des Festivals ist sicherlich die dokumentarische Komödie "Gangster of Love" von Regisseur Nebojša Slijepčević. Im Hochland Kroatiens, nahe der Grenze zu Bosnien und Herzegowina befindet sich der Wirkungsbereich eines rundum berühmten "Gangsters" - wobei Nedjeljko Babic, der Protagonist des Films, seinen Spitznamen im Wesentlichen nur der stets getragenen Sonnenbrille verdankt. Schon seit vielen Jahren folgt der gelernte Zimmermann seiner wahren Berufung: Als Heiratsvermittler verkuppelt er einsame Herzen. Diese Arbeit wird jedoch zunehmend schwieriger: Viele Frauen wollen nicht mehr auf dem Land wohnen und Gangster's Klientel besteht überwiegend aus verzweifelten Männern mittleren Alters, welche nicht bereit sind, ihre konservativen Haltungen den modernen Zeiten anzupassen. So erweist sich auch die Vermittlung einer jungen Mutter aus Bulgarien als unerwartet kompliziert. Eine ganze Reihe desaströser Dates zeigt, dass die meisten Männer, so verzweifelt sie auch auf der Suche nach einer Frau sein mögen, lieber allein leben und sterben wollen als eine Ausländerin mit Kind zu heiraten. Mit "Gangster of Love" gelingt es dem Regisseur Nebojša Slijepčević auf humorvolle Weise ernste gesellschaftliche Fragen wie die Rolle der Ehe im 21. Jahrhundert zu behandeln. Das Urteil in der kroatischen Tageszeitung Novi List war unmissverständlich: "Ein Weltklasse-Film."
Mit LET'S CEE präsentiert sich ein Filmfestival, das sich mutig gegen den Mainstream stemmt und nicht nur eine Vielzahl an entdeckungswürdigen wie Erinnerungswerten Filmen zeigt, sondern auch ein wahrhaft interessantes Rahmenprogramm von Master Classes bis hin zu Meet & Greets, Schulkino, Film & Talk und der nächtlichen Partyline in der Strandbar Herrmann, im Urania Café und im OST Klub bietet. (Text: Manfred Horak; pt; Fotos: LET'S CEE Film Festival)
Festival-Tipp:
LET'S CEE Film Festival
13. bis 21.9.2013
Kartenpreise:
Regulär 7,50 Euro
Schüler, Studenten, Lehrlinge, EYCA Karteninhaber, Senioren 6,50 Euro
Mit jeder Kinokarte zahlt man im Ost Klub an den drei LET'S CEE-Partyline-Abenden drei statt fünf Euro Eintritt.