Der Oscar-prämierte Regisseur Martin Scorsese zeichnet auf "Living in the Material World" das Leben und Wirken von Gitarristen, Sänger und Songwriter George Harrison (The Beatles; Traveling Wilburys) nach. Einmal mehr gelang ihm damit eine spektakuläre Doku.
Dass eine Doku von Martin Scorsese an die drei Stunden dauert weiß man spätestens seit seiner genialen Aufbereitung von Dylans Leben in "No Direction Home". Mit diesem Dokumentationsfilm setzte er die Latte dermaßen hoch, dass ringsum alle anderen Filme aus diesem Genre verblassen. Maßstäbe setzte Scorsese auch bereits im Jahr 1976 mit dem bis heute unerreichten Konzertfilm "The Last Waltz", dem Abschiedskonzert von The Band. 2008 ließ er mit "Shine A Light" einen fast ebenbürtigen Konzertfilm der Rolling Stones nachfolgen, nun, zehn Jahre nach dem Tod von George Harrison, realisiert Scorsese mit "Living in the Material World" eine Doku, die ähnlich aufbereitet ist wie "No Direction Home". Wenn es etwas auszusetzen gibt an den Film über George Harrison, dann der zur Gänze unkritische Zugang in den spirituellen und musikalischen Weg des verstorbenen Musikers, frei nach dem Motto: Über Tote soll man nicht schlecht reden - als Ergänzung sei daher die Harrison-Biografie von Joshua M. Greene empfohlen. Scorseses Doku punktet dafür mit den zahlreichen raren Archivmaterialien und mit den Interview-Partnern, von Eric Clapton, Ringo Starr, Paul McCartney, Yoko Ono, Tom Petty, Jim Keltner, Ray Cooper und Phil Spector bis hin zu Jackie Stewart (ex Formel 1 Fahrer), Terry Gilliam und Eric Idle (Monty Python). Für letzt genannte kaufte sich George Harrison ja die teuerste Kinokarte der Welt, in dem er den Film "Das Leben des Brian" produzierte. Scorsese springt dabei wie gewohnt nicht in der Zeit herum, sondern bleibt stringent chronologisch, und so zeigen die ersten Bilder der Doku denn auch das Ende des Zweiten Weltkriegs (Harrison wurde am 25. Februar 1943 in Liverpool geboren), während am Ende der dreistündigen Filmreise die Witwe Olivia Harrison von den Lichtveränderungen im Raum kurz nach dem Tod von George Harrison (er starb am 29. November 2001 in L.A.) erzählt. Eingebettet zwischen diesen zwei Ereignishorizonten sehen wir die Jugendjahre von George Harrison, seine Rolle bei The Beatles, O-Töne aus den Archiven, seine Selbstfindung in Indien und die Einführung der Sitar in die westliche Musikwelt. Wir hören Phil Spector über das Zustandekommen des Dreifachalbums "All Things Must Pass" erzählen und überhaupt allerhand witziges und süffisantes, sowie jede Menge Anekdoten, wie z.B. jene, wie es dazu kam, dass Harrison mit Jeff Lynne, Tom Petty, Roy Orbison und Bob Dylan die Traveling Wilburys gründete. Scorsese gelang mit "Living in the Material World" einmal mehr ein kurzweiliges, essenzielles Dokumentations-Epos, das erneut andere Musikdokus locker in den Schatten stellt. (Text: Manfred Horak; Foto: © Apple Corps Ltd)
DVD-Blu-ray-Tipp:
George Harrison: Living in the Material World
Bewertung: @@@@@@
Regie: Martin Scorsese
Länge: ca. 209 Minuten
Extras: Musikextras (Dispute and Violence; Here Comes The Sun); Interviews mit Paul McCartney, Damon Hill und Jeff Lynne
Verleih/Vertrieb: Arthaus (2011)