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i-shot-my-love-identities01Der Kinofilm von Tomer Heymann über die schwierige Vergangenheitsbewältigung im Familienkreis wurde erstmals in Österreich beim Queer Film Festival identities 2011 gezeigt. Die Eindringlichkeit von "I Shot My Love" ging den Zuschauer_innen sehr nahe.





"I Shot My Love" übt einen Sog aus, der unter anderem in der Handkamera begründet liegt. Immer wieder finden so intime Momente vor der Kamera statt, dass das Publikum sich unwillkürlich vorkommen musste wie Eindringlinge in das Leben fremder Menschen. Während Tomer selber nur selten im Film zu sehen war und eher wie ein Phantom und großes Geheimnis hinter der Kamera verblieb, fand hingegen eine völlige Entblößung seiner Gegenüber statt. Sein Blick und damit der Blick der Kamera, der zum Blick der Zuschauer_in wird, ist nahezu voyeuristisch und er ist gnadenlos, denn auch auf mehrmaliges Bitten hin, wendet Tomers Kamera oft ihr Starren nicht ab. Vor allem seiner Mutter und seinem Partner Andreas gilt das Kamera-Auge. Beide sind sehr offen der ständigen Aufnahme gegenüber und bereit sich dieser ehrlich zu stellen. Die Kamera erlaubt Tomer zur gleichen Zeit Nähe und Distanz. Sie eröffnet einen ganz neuen und sehr persönlichen Raum. Tomer stellt Fragen oder beobachtet einfach nur. Er zeigt uns zwei Welten, die sich treffen. Andreas, der Deutsche, der nicht mit seinem Großvater gesprochen hat, aus Angst, er könne sich ihm als Nazi offenbaren, und der Tomers Mutter am Küchentisch deutsche Lieder vorsingt. Tomers Familie in Israel, die noch eine deutschsprachige Ausgabe der Thora besitzt, aus der Zeit vor der Flucht aus einem Land, in dem Bleiben den Tod bedeutet hätte. Aber der intime Kamerablick zeigt uns schnell, dass die Menschen viel mehr sind, als das zu Anfang offenkundige. Andreas ist nicht nur der Deutsche mit einer kollektiven deutschen Vergangenheit. Er hat seine ganz eigene Geschichte und er fordert von Tomer, sich dieser zu öffnen. "I Shot My Love" zeigt, dass die Menschen vieles sind. Der Film überschreitet Grenzen, in mehr als einer Hinsicht. Grenzen zwischen den Menschen, Grenzen zwischen den Ländern, Grenzen zu intimen Bereichen, zu Innenräumen, auch zu den seelischen. Das ganze Leben besteht aus Begegnungen, aus Geben und Nehmen, sich öffnen und verschließen. Ein wunderbarer und ein wertvoller Film. (Text: Katharina Fischer; Fotos: identities 2011 Queer Film Festival)

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Film-Infos:
I Shot My Love
Bewertung: @@@@
Österreich-Premiere beim Queer Film Festival identities 2011

Regie/Buch/Kamera: Tomer Heymann

Mit: Tomer Heymann, Andreas Merk, Noa Heymann
Israel/Deutschland 2009; 70min.

Link-Tipp:

Festivalkritik identities 2011