Mit "I am Love" gelang dem Regisseur Luca Guadagnino - er schrieb auch am Drehbuch mit - ein verstörender Film, der immer wieder neue Blickwinkel und Fragen zu Tage fördert. Erneut eine herausragende Leistung liefert dabei Tilda Swinton, alleine ihretwegen ist der Film unbedingt sehenswert, der auch bereits auf DVD erhältlich ist.
Eine reiche italienische Familie kommt zusammen um zu feiern und die Nachfolge der Firma zu beschließen. Der Geburtstag des Patriarchen, des Firmengründers und des Großvaters, alle in derselben Person, steht an. Dabei werden die Erbschaftsverhältnisse der Firmenübernahme geklärt und sowohl der Sohn, als auch der Enkel mit der Fortführung dieser beauftragt. Der Sohn hegt allerdings andere Wünsche als der Vater und dieser wieder andere als der Enkel. Die Frau des Sohnes, Emma (Tilda Swinton), ist eine blasse Russin, die nicht so recht an den Tisch der italienischen Familie passen will. Bleich und zart sitzt sie da und zeigt ein entrücktes Lächeln. Das Festmenü beginnt mit Osha, das Lieblingsgericht ihres Sohnes, das sich durch den Film als roter Faden zieht. Schließlich ist ihr Sohn der einzige ihrer drei Kinder, der ihre russischen Wurzeln teilt und versteht. Ihre Tochter schenkt dem Großvater dieses Jahr eine Fotografie und kein Gemälde. In weiterer Folge wird die homosexuelle Neigung der Tochter aufgedeckt. Das Foto zeigt den Garten in dem sie sowohl mit dem Großvater, als auch mit ihrer Liebsten gerne geht. Die ersten Szenen entspinnen ein Bild einer großindustriellen italienischen Familie, die herzlich tut, in der sich aber alle an enge Regeln zu halten haben. Emma, hat sich perfekt assimiliert. Sie spricht fast akzentfreies italienisch, sie ist perfekt und elegant gekleidet und sie hat alle Zügel in der Hand - weiß, was wo im Haus gerade passiert und führt auch ihre Angestellten mit der notwendigen Herzlichkeit. Eines Tages trifft sie Antonio (Eduardo Gabbriellini), einen Freund ihres Sohnes. Die beiden wollen ein Restaurant eröffnen und mit der Hilfe von Emma und dem Namen der Familie soll dies gelingen. Allerdings dringt der Koch mit Hilfe seiner Gerichte zu Emmas Sehnsüchten vor und nach und nach verliebt sie sich in diesen. Wie besessen folgt sie ihm und schließlich beginnt eine leidenschaftliche Affäre, die sich auch vor ihrem Sohn nicht geheim halten lässt. Als dieser nach einem tragischen Unfall stirbt, hält sie nichts mehr in ihrer kalt gewordenen und einsamen Welt und sie verlässt ihr Leben für Antonio. Tilda Swinton zeigt die Veränderung Emmas großartig, die Sehnsucht wird mit den Augen offenbart, der Schmerz in einem Angsteinflößenden Gesichtsausdruck. Ihre Wandlung ist verstörend, sowie faszinierend. Einmal die liebevolle und sorgende Mutter, dann die perfekte Ehefrau und schließlich eine Frau, die ihre Wurzeln verloren hat und verzweifelt versucht zu diesen zurück zu kehren um sich selbst zu finden. Der Wechsel wird am Ende immer rasanter, bis die Handlung bricht und wir nur noch „die Russin“ wahrnehmen, die einen Koch liebt. Durch Tildas große Präsenz wirken die anderen Schauspieler oft eher wie Statisten. Einzig die Kammerfrau bietet ein zweites eindrucksvolles Frauenbild. Ein verstörender Film, der lange nachhallt und immer wieder neue Blickwinkel und Fragen zu Tage fördert. Was bedeutet Treue? Wem oder was sollte man treu sein? Müssen Mütter immer verfügbar bleiben? Was bedeutet Schmerz? (suja)
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