Das Jüdische Filmfestival 2010 zeigte einem bewegten und begeisterten Publikum im Wiener Votivkino Elisabeth Scharangs Kinofilmdebüt "Vielleicht in einem anderen Leben". Der Film basiert auf dem Theaterstück "Jedem das Seine" von Peter Turrini und Silke Hassler.
Turrini und Hassler haben auch am Drehbuch zu "Vielleicht in einem anderen Leben" mitgearbeitet. Elisabeth Scharangs Film weicht jedoch in vieler Hinsicht von dem Theaterstück ab. Sie hat viel Eigenes eingebracht und die Geschichte damit sehr wesentlich verändert. Anders als in Jedem das Seine steht bei Scharang vor allem die Person der Bäuerin Traudl Fasching im Vordergrund. Ursula Strauss spielt die Bäuerin, die im Laufe des Filmes eine Wandlung durchmacht, als eine resolute Frau, die ihre eigenen Entscheidungen trifft und für andere Menschen einsteht, auch wenn sie selbst sich in Gefahr begibt. Auf dem Todesmarsch in das KZ Mauthausen wird eine Gruppe von achtzehn ungarischen Juden in einem kleinen niederösterreichischen Dorf im Heustadel des Ehepaars Fasching eingesperrt. Am Anfang verhält Traudl Fasching sich wie die anderen Frauen im Dorf. Sie möchte nicht hinsehen und das Unrecht, das den Juden widerfährt ignorieren. Durch ihre Magd Poldi (Franziska Singer) kommt sie den Todgeweihten jedoch näher. Sie begegnet vom Hunger und durch Todesangst aufgezehrten Menschen, die sich auf das Brot stürzen, das sie ihnen bringt. Ein Mensch ist ein Mensch, aber ohne Essen ist er bald nicht mehr Im Stadel ist das Warten auf den Tod allgegenwärtig. Das letzte, was die jüdischen Gefangenen noch zu verlieren haben ist ihre Würde. Doch dann kommt Lou Gandolf (Péter Végh), der in Budapest Opernsänger war, bis ihn die Nazis von der Bühne weg verhafteten, auf die Idee die Operette "Wiener Blut" einzustudieren und im Heustadel für Traudl aufzuführen. Was der Gruppe zu Anfang wie Hohn vorkommt, wird zu dem Strohhalm, an dem sie sich festhalten können. "Wiener Blut" gibt den Gefangenen das Gefühl von Menschlichkeit und ihre Würde zurück. Traudl Fasching und Poldi versorgen die Gruppe heimlich mit Essen. Während die Aufführung der Operette zuerst als Mittel zum Überleben gedacht ist und Traudls Mitgefühl wecken soll entsteht im Laufe des Films immer mehr Freundschaft zwischen der Bäuerin, der Magd und den ungarischen Juden. Stehen Poldi und Traudl zu Beginn noch außerhalb, so werden sie bald in die Proben mit einbezogen. Verbunden sind sie alle durch die Musik. "Ein Mensch ist ein Mensch, aber ohne Essen ist er bald nicht mehr", stellt Poldi fest. Auch wenn sie verschiedene Sprachen sprechen und verschiedenen Religionen angehören so sind sie doch gleich. Auch Traudls Mann Stefan Fasching (Johannes Krisch) nähert sich der Gruppe nach anfänglicher Abwehrhaltung an. Die Begegnung mit den jüdischen Gefangenen und die Proben zu "Wiener Blut" werden für die Faschings zu einem Rettungsanker für ihre zerstörte Ehe. Es sind die letzten Tage des Krieges. Hitlers Tod scheint die Erlösung zu bringen. Doch im Dorf zeigt sich, dass der Antisemitismus tief in den Menschen verwurzelt ist und dass die Shoah ohne Hitlers eifrige Vollstrecker nicht stattgefunden hätte. Des is ka Vaterlandsverrat, des is a Suppn Scharangs Film ist ein mitreißender Film über die Sehnsucht danach wieder ein gutes und würdevolles Leben führen zu können. Sie erzählt von Hoffnung, die den Menschen durch geistige Schätze wie Musik gegeben wird. Den menschlichen Faschings steht in diesem Film jedoch die Unmenschlichkeit eines ganzen Dorfes gegenüber, dessen Einwohner die Juden nicht mehr als Menschen betrachten. Die Regisseurin, die sich in Filmen und Dokumentationen wie "Mein Mörder" (2005) und "Schweigen und Erinnern" (1998) bereits mit der NS-Zeit in Österreich auseinander gesetzt hat, hat den Mut ihrem Film immer wieder Humor zu verleihen. Dieser erscheint jedoch trotz des schrecklichen Themas nicht fehl am Platz, denn die Gefangenen erhalten durch die Operette auch ihr Lächeln wieder, das sich hoffnungsvoll, jedoch nur für kurze Momente, zeigt. Und so ist es auch in Ordnung, dass das Publikum über den trockenen Humor der Bäuerin schmunzelt wenn sie sagt: "Des is ka Vaterlandsverrat, des is a Suppn". (Katharina Fischer)
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