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potter-2010-1Der Genuss an Harry Potter-Filmen wurde bisher mit jedem Streifen größer. Zumindest für Erwachsene. Der neueste und vorletzte, "HP7", reiht sich da ordentlich ein.

Kaum eine Berichterstattung im weiten Vorfeld dieser schon lange gewissen "Neuerscheinung", die nicht darauf hinwies, dass der letzte Teil aus J. K. Rowlings magischem Opus wohl rein aus kommerziellen Gründen in zwei Filmen dem Publikum verkauft werde. Gestreckt gar, wie auch zu potter-2010-2lesen war. Wer das Buch und auch die vorigen gelesen hat, ist da wohl anderer Meinung (wenngleich er in den meisten Fällen zu einem Fan mutiert sein wird und, nicht mehr objektiv, lieber nach einer Dreiteilung des Films lechzt anstatt einer Verdichtung): Der letzte Band umfasst viele Orte, viel Handlung und vor allem viel Zeit. Zeit in der nicht allzu viel vorwärts geht, sich aber doch einiges entwickelt.

Pubertät als Orientierungsweichzeichner

Die Heldentrias aus Harry, Hermine und Ron kämpft nicht mehr Rücken an Rücken gegen die finsteren Mächte, Verzweiflung und Ausweglosigkeit drohen ihre bislang kaum berührte Bastion der Einigkeit aufzulösen - die Protagonisten sind somit bedroht wie nie zuvor, obwohl in Ansätzen schon im vierten Teil eine Auflösungstendenz sichtbar wurde. Dieses Motiv ist somit ein gutes Beispiel für die Entwicklung der ganzen Geschichte (siehe auch unsere Filmkritiken zu Harry Potter und der Feuerkelch und Harry Potter und der Halbblutprinz). Sind große Teile der Harry Potter-Welt zu Anfang noch kontrastiv potter-2010-3konturiert, so gesellen sich immer mehr Unschärfen dazu. Die Figuren lassen sich nicht mehr klar in Gut und Böse unterscheiden, immer schwerer wird dadurch die Frage für die drei adoleszenten Hauptpersonen, wo denn ihr Platz im Leben ist. Der neueste Film stellt hier wahrscheinlich nicht nur den vorläufigen, sondern auch den endgültigen Gipfel dar.

Rassenideen und Naziästhetik

Ein anderer Schwerpunkt der Geschichte, der behutsam eingeführt wurde und dessen Brisanz in diesem Teil ebenfalls kulminiert, ist die Idee der "Herrenrasse". Diese macht leider auch vor den Zauberern nicht halt und so gibt es bei den "reinblütigen" Magiern Strömungen, die die Knechtung der Menschen (Muggles), Elfen und Zauberer "ohne Stammbaum" (mudbloods) fordern. Dieser Rassismus manifestiert sich aber noch auf anderer Ebene: Ein Kind desselben, der Nationalsozialismus nämlich, liefert die Vorlage für die Organisation des neuen Staates. Die Schergen des dunklen Lord Voldemort haben das Ruder im magischen Ministerium übernommen und es zur Schaltzentrale eines Terrorregimes gemacht. Folter, Verfolgung, Überwachung sind potter-2010-4an der Tagesordnung, Kontrolle durch Angst ist der Plan. Mehr als offensichtlich die ästhetischen Anleihen: Die Verwaltungshandlanger tragen Armbinden und Ledermäntel. Hier fänden sich noch viele Parallelen. Eine sollte nicht unerwähnt bleiben: Der Anführer der "Zauberarier" hat selbst menschliche Eltern und müsste damit in den Augen seiner Anhänger "minderwertig" sein. Irritierend in diesem Kontext und vorsichtig zu interpretieren ist zudem folgender Umstand: Die zwielichtige Figur des Mundungus Fletcher, Ohr der lauteren Zauberer in kriminellen Kreisen, aber doch im Verdacht ein Verräter zu sein, wird verkörpert von einem Schauspieler, dem man unschwer eine arabische Abstammung abnimmt. Im Buch wird er jedoch anders beschrieben. Eine Anspielung auf Englands durch Terror gestärktes Misstrauen gegenüber dem Morgenland? Was jedenfalls nach 146 Minuten bleibt, ist das Gefühl, dass diese doch zu schnell vergingen. Was sich einstellt, ist der Wunsch, bis zum Erscheinen des letzten Teiles 2011 einfach im Kino sitzen zu bleiben. Und Traurigkeit und Freude. Darüber, dass der Film es seiner Vorlage gleichtut und einen in seine Welt saugt. Eine Welt, die man nicht mehr verlassen will und doch muss. Möge das Jahr 2010 schnell vergehen. (Text: Peter Baumgarten; Fotos: © 2010 Warner Bros. Ent.)

potter-2010-plakatKurz-Infos:
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1
Nach dem Roman von J.K. ROWLING
Bewertung: @@@@@@
Mit: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson
Regie: DAVID YATES
Produzenten: DAVID HEYMAN, DAVID BARRON, J.K. ROWLING
Filmlänge: 146 Minuten
Ab 12 Jahren
Kinostart: 18. November 2010 (Verleih: Warner Bros.)