Der erste abendfüllende Zeichentrickfilm der Kinogeschichte, "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937), war ein glattes Vabanquespiel: Wäre diese äußerst gewagte Pionierleistung des Films an der Kinokasse gefloppt, wir würden heute über Disney, der mit seiner Produktionsfirma bis dahin mehrmals am Rande des vollständigen Bankrotts stand, nicht mehr reden. Dass es anders kam wissen wir natürlich, wie viele Menschen den Film bereits sahen kann man hingegen nicht wirklich seriös eruieren, man kennt "nur" die Einspielergebnisse, und die haben es in sich, belaufen sich diese mittlerweile auf satte 782.620.000 US-Dollar [Stand: Oktober 2009; Anm.], was Rang 10 der einspielstärksten Filme aller Zeiten bedeutet. Und da wird sicherlich noch einiges hinzukommen, denn die vorliegende Edition (Doppel-DVD) in vollständig digitaler Überarbeitung beinhaltet neben dem Hauptfilm eine Vielzahl an sehenswerten Extras, z.B. die Doku "Der Film mit dem alles begann" und der Film "Mit Disney durch die Jahrzehnte" - hier sieht man u.a. auch, wie die Trailer zu "Schneewittchen und die sieben Zwerge" im Laufe der Jahrzehnte gestaltet wurden. Im Jahr 1939 erhielt es den Ehren-Oscar® für "bedeutsame Innovationen auf der Leinwand, die Millionen begeisterten und für ein neues, großartiges Entertainment-Genre Pionierarbeit leisteten" und tatsächlich verlor die Geschichte und die Umsetzung bis heute nichts an Charme, Stichwort zeitlos, geboten wird Unterhaltung auf höchstem Niveau, für Kinder wie für Erwachsene.
Inspiriert und inspirierend Selbst Inspiration für viele, wurden aber auch so manche Charaktere in diesem Klassiker von außerhalb inspiriert bis hin zur Auswahl der Story. Walt Disney, so geht die Legende, sah im Alter von 15 Jahren die erste Langfilmversion von "Schneewittchen" - eine auf vier Leinwänden asynchron projizierte Stummfilmaufführung [Snow White von James Searle Dawley, 1916; Anm.], die ihn anscheinend nicht mehr losließ. Vergleichsweise wenig Inspiration bot ihm hingegen das Originalmärchen der Brüder Grimm. In diesem kommen die Zwerge ohne ausgearbeitete Charaktere vor, was soweit ging, dass sie sogar namenlos blieben. Zudem wurden auch Handlungsläufe umgeschrieben. Im Film findet Schneewittchen ein verwahrlostes Haus vor, im Märchen hingegen ist es blitzblank und die sieben Zwerge müssen ihr hinterherräumen. Manches blieb dafür in der Disney-Version einfach auf der Strecke, so wurden z.B. aus ursprünglich drei Mordversuchen nur einer. Disney und sein Team entwickelten dafür, wie erwähnt, stark ausgeprägte Charaktere, die wiederum Anleihen an damalige Kinostars nahmen. Die Schauspielerin Janet Gaynor - sie war zu Beginn der 1930er Jahre der größte Star der Fox Film Corporation und war als junge Naive in Filmen wie "Daddy Long Legs" und "Tess of the Storm Country" zu sehen - war die Vorlage für Schneewittchen, die Wutausbrüche der bösen Königin und Stiefmutter [die den 10. Platz der 50 besten Film-Schurken innehat; Anm.] basierten hingegen auf die Darstellung von Charles Laughton in "Der Tyrann" (The Barrets of Wimpole Street; 1934) und die Verfolgungsjagd zwischen den Zwergen und der Hexe geht auf das Stummfilm-Meisterwerk "Intolerance" (1916) von David Wark Griffith zurück. Unübersehbar ist auch die Charakterisierung von Zwerg Seppl. Schaut euch nur mal einen Marx Brothers Film an und achtet genau auf Harpo Marx.
Das erste eigene Soundtrack-Album Kurz zum Inhalt: Als ein verwunschener Zauberspiegel Schneewittchen als die Schönste im ganzen Land bezeichnet, muss das Mädchen vor ihrer eifersüchtigen Stiefmutter fliehen. Im Wald hinter den sieben Bergen findet sie Zuflucht bei den liebenswerten Zwergen Chef, Happy, Schlafmütz, Hatschi, Pimpel, Brummbär und Seppl. Doch als die böse Königin das ahnungslose Schneewittchen aufspürt und mit einem Apfel vergiftet, kann nur die Magie eines Kusses sie noch retten. Der erste abendfüllende Zeichentrickfilm von Walt Disney war übrigens zugleich auch der erste amerikanische Zeichentrickfilm in der Geschichte des Kinos und es war auch der erste Film, zu dem ein eigenes Soundtrack-Album herausgebracht wurde. Und genau diese Kombination - gut erzählte Geschichte, technisch perfekte Zeichnungen und starke Einbindung originärer Musik - machten den Film zu etwas Besonderem. Vor allem zwei Lieder sind es, die nachhaltig wirken; "Someday my prince will come" schaffte es sogar auf Platz 19 der most memorable film songs of all time, ein Lied, das dereinst auch von Miles Davis veredelt wurde, sowie das unwiderstehliche Arbeiterlied "Heiho", das übrigens eine radikale Neubearbeitung von Tom Waits widerfuhr. Bei Waits klingt "Heiho" nämlich wie ein Protestlied gegen die Arbeit. Gefühlsreigen pur "Schneewittchen und die sieben Zwerge" ist ein einziger Gefühlsreigen - ein Zeichentrickfilm, das so gut wie alles beinhaltet, also Spannung, Witz, Romantik, Grusel, Blödelei, Kitsch. Ein klug aufgebauter Spannungsbogen, hervorragend ausgearbeitete Charaktere, und eine Erzählsprache, die auch nach über 70 Jahren angenehm auffällt - im Gegensatz zum originalen Grimm Märchen, aber auch im Gegensatz zu etlichen jüngeren Filmen, denen man das Produktionsjahr(zehnt) deutlich anmerkt. Ein typischer Fall von "muss man haben". (Text: Manfred Horak; Szenenbilder: © Disney)
DVD-Tipp: Schneewittchen und die sieben Zwerge Bewertung: @@@@@@ Erhältlich ab 8. Oktober 2009 in vier Editionen: *) Blu-ray Diamond Edition (enthält Blu-ray + DVD mit Hauptfilm) *) 2-Disc DVD Edition *) Buch-Edition (bestehend aus 2-Disc DVD und Buch) *) Limited Edition Diamond Collector Set (Blu-ray und DVD, acht Lithographien von Originalzeichnungen, die bei der Herstellung des Films verwendet wurden, Pin Set mit den Haupt-Charakteren, sowie ein edles 160 Seiten umfassendes Buch zur Historie von Walt Disneys Meisterwerk.) © Disney
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