"Diese Nacht" ist wohl einer der eindringlichsten Kinofilme der letzten Jahre, ein Orkan an Bildern, eine schiere Verzweiflungsoper mit handelnden Personen, die vom Misstrauen geprägt sind, eine Parabel der menschlichen Existenz in einer totalitären Zeit. Der Inhalt ist schnell umrissen: Ossorio (Pascal Greggory), der Held einer gescheiterten Widerstandsbewegung kehrt auf der Suche nach seinen einstigen Freunden und seiner Geliebten zurück in die belagerte Stadt. Aber nicht nur die Lage hat sich verändert, auch seine Freunde: Während eine hemmungslose Miliz die Stadt terrorisiert, versucht jeder nur noch seine eigene Haut zu retten. Es bleibt nur diese Nacht zur Flucht. Die sprachliche Präzision des Romans von Juan Carlos Onetti [1909 in Montevideo geboren, 1994 im Madrider Exil gestorben, von dem es heißt, er wäre ein Realist gewesen, der an die Wahrheit von Träumen glaubte - von Albträumen; Anm.] aus dem Jahr 1943 übersetzt Werner Schroeter in präzise Bilder der Gegenwart. Bilder über sich selbst verspottende Menschen. Sieger gibt es nicht, nur ein unausweichliches Ende. Die Geschichte ist, wie Sigrid Löffler einmal richtig anmerkte, "eine pessimistische Parabel über Verrat, Folter und Mord, eine existenzialistische Allegorie, ein finsteres Melodram, das in eine apokalyptische Untergangs-Szene mündet." Schroeter schuf aus diesen beunruhigenden Ereignissen ein imaginäres Bilderreich und trieb die Darsteller - allen voran ein schauspielerisch triumphierender Pascal Greggory - zu Höchstleistungen, als wären sie tatsächlich dem Untergangswahn befallen und als realisierte Schroeter eine dunkle Version von "Casablanca". Heraus kam ein knapp zweistündiger Sog an Bildern mit musikalischen Spannungsbögen von Mozart, Rossini und Listz, ein existentialistisches Drama eines moralischen Niedergangs, gleichermaßen Zerrspiegel und Apokalypse, Oper und Fado, Farbenopulenz und Düsternis. Ein Film, den es sich lohnt öfters gesehen zu werden, dem man nicht zu entrinnen vermag, angesiedelt im Niemandsland zwischen Leben und Tod, verstörend, beklemmend, brutal und orgiastisch, wie ein letztes Abendmahl. Ein besonders wuchtiger und ein besonders wichtiger Film. (Text: Manfred Horak; Fotos: © Poool Filmverleih)
Film-Tipp: Diese Nacht Bewertung: @@@@@@ Verleih (Ö): Poool Filmverleih (2009) Kinostart: 16. Oktober 2009 Stadtkino Wien
Buch-Tipp: Juan Carlos Onetti – Für diese Nacht Verlag: Suhrkamp (2009; Erstveröffentlichung 1943) Gebunden, 230 Seiten ISBN: 978-3-518-42054-6
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Regie: Werner Schroeter Darsteller: Pascal Greggory, Bruno Todeschini, Jean-Francois Stévenin, Marc Barbé, Amira Casar, Sami Frey, Elsa Zylberstein, Nathalie Delon, Eric Caravacca, Bulle Ogier, Lena Schwarz, Pascale Schiller, Oleg Zhukov, Laura Martin, Nils Arestrup Produktion: Alfama Films - Paris / Filmgalerie 451 - Berlin / Clap Filmes - Lissabon Produzenten: Paulo Branco und Frieder Schlaich Drehbuch: Gilles Taurand und Werner Schroeter nach dem Roman von Juan Carlos Onetti Kamera: Thomas Plenert Artdirector: Alberte Barsacq Szenenbild: Isabel Branco Schnitt: Julia Grégory, Bilbo Calvez Musik: Eberhard Kloke Sounddesign: Christian Obermaier, Jochen Jezussek, Martin Langenbach Mischung: Matthias Lempert Produktionsleitung: Ana Pinhao Moura, Anne Mattataia, Sabine Steyer
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