Nach dem überwältigenden Erfolg von "Die Kinder des Monsieur Mathieu" präsentiert Regisseur Christophe Barratier mit "Paris, Paris - Monsieur Pigoil auf dem Weg zum Glück" erneut ein Fest für Auge und Ohr, das nicht nur Liebhaber der französischen Hauptstadt begeistern wird. Mit von der Partie sind Gérard Jugnot, Maxence Perrin, Pierre Richard und Clovis Cornillac, sowie in ihrer ersten großen Kinorolle Shooting-Star Nora Arnezeder.
Kulturwoche.at: War es nach dem grandiosen Erfolg von 'Die Kinder des Monsieur Mathieu' einfach für Sie, ein Thema für Ihren zweiten Film zu finden? Christophe Barratier: Alle haben mir geraten, bloß nichts zu überstürzen, und ich selber sah das genauso. Also habe ich zunächst einmal durch die Bank alles abgelehnt, was mir an Projekten angeboten wurde, eingeschlossen Angebote aus den USA. Das hat mich aber keine sonderlich große Überwindung gekostet, weil mich nichts davon wirklich ansprach. Außerdem rieten mir alle – sicher in gutem Glauben und mit den besten Absichten – ich müsse unbedingt mein Image, dass ich durch Die Kinder des Monsieur Mathieu bekommen hatte, loswerden; am besten einen Thriller drehen oder etwas, das erst ab 18 freigegeben würde. Vor allem aber dürften keine Musik und keine Lieder darin vorkommen, und auf gar keinen Fall dürfte ich wieder mit Jugnot arbeiten. Aber die Frage, die ich mir bei alldem gestellt habe, war: 'Warum sollte ich etwas anderes machen als das, worauf ich Lust habe?' Und mir wurde klar, dass meine Rettung darin lag, mir selber eine Geschichte auszudenken und das Drehbuch zu schreiben. Und wie kam es zur konkreten Idee für Paris, Paris? Ich erinnerte mich an das Projekt einer Musikkomödie, das Reinhardt Wagner, Frank Thomas und Jean-Michel Derenne entwickelt hatten; das war zehn Jahre her. Sie suchten damals einen Drehbuchautoren und einen Regisseur. Zusammen mit Jacques Perrin, mit dem ich damals gerade an 'Mikrokosmos' arbeitete, habe ich diverse Treatments geschrieben, wir sind aber nie über diesen Schritt hinausgekommen. In den Jahren darauf haben wir zwar regelmäßig die Rechte erneuert, ansonsten aber lag das Projekt im Dornröschenschlaf. Als ich mich 2005 dann an das Drehbuch machte, waren mein Ausgangspunkt die Chansons, die diese ganz besondere Epoche heraufbeschworen; und nach und nach kamen alle Elemente der Geschichte zusammen: die Figuren, die Chronik eines Stadtviertels, das kleine Theater, das von Schließung bedroht ist, die Geschichte von Vater und Sohn, die Freundschaften und die Konflikte... |
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Wie würden Sie Ihre Herangehensweise an die Story beschreiben?
Ich wollte eine allgemein gültige Geschichte erzählen, in der sich jeder wieder finden kann, auch wenn er nichts über den geschichtlichen Hintergrund weiß. Mich ziehen immer wieder ganz unwiderstehlich große Geschichten an. Ich kann mich als Filmemacher einfach nicht dazu bringen, mich für die kleinen Dinge des Alltags als Filmstoff zu interessieren. Mir schwebt immer ein Kino der großen Geste vor, romantisch, sentimental und auch deutlich als Fiktion zu erkennen – so wie ich es auch selbst gern im Kino sehe. Ich will Geschichten erzählen, die schöner und aufregender sind als das wahre Leben, oder – als Kehrseite – auch härter und tragischer, auf jeden Fall extremer. In diesem Fall eine Art von 'Es war einmal in Paris'...
Welche filmischen Vorbilder haben Sie bei der Entwicklung des Stoffes beeinflusst?
Vor allem der so genannte 'poetische Realismus' von Carné, Prévert und anderen in Filmen wie 'La belle équipe' ['Zünftige Bande', 1936], 'Le jour se lève' ['Der Tag bricht an', 1939] und 'Pépé le Moko' ['Im Dunkel von Algier', 1937]. Ein Markenzeichen der Filme dieser Epoche ist, dass sie kaum jemals konkrete Hinweise geben, was Orts- und Straßennamen, und was die Zeit der Handlung betrifft. In diesem Sinne habe ich meinen Produktionsdesigner Jean Rabasse gebeten, die Pariser Geographie mit voller Absicht durcheinander zu würfeln; von unserem Viertel aus sieht man sowohl den Eiffelturm als auch Sacré-Coeur. Man kann nicht genau sagen, wo man sich befindet; das bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen.
Neben vielen bekannten Darstellern im Ensemble haben sie ausgerechnet die zentrale Rolle der Douce mit einer jungen Unbekannten, Nora Arnezeder, besetzt...
Nicht nur das: Douce war auch noch die Rolle, die sich beim Schreiben als die schwierigste herausgestellt hatte. Eine junge Sängerin kommt nach Paris, um ein Star zu werden - bei so einer Konstellation ist es schwer, den Klischees zu entgehen, aber irgendwoher mussten ja Eigenheiten, Brüche und Unebenheiten dieser Figur kommen. Nora kennen zu lernen, hat die Rolle beeinflusst. Sie hat uns bei den Gesangsproben überzeugt, und auch bei den Proben, wo es ums Spielen ging. Mir war von Beginn an klar, dass ich für Douce keine Schauspielerin brauche, die singen kann, sondern eine Sängerin, die spielen kann.
Wie haben Sie es geschafft, dass die anderen Darsteller gesanglich mit ihr mithalten konnten?
Nora war ja schon eine geübte - und auch sehr gute - Sängerin; also habe ich Kad, Gérard und Clovis zu einem richtigen Gesangstraining geschickt. Es ging nicht darum, sie in perfekte Sänger zu verwandeln, das hätte sie ja auch in ihren Rollen unnatürlich wirken lassen, aber so weit zu kommen, wie es eben möglich war. Sie haben sehr gewissenhaft gearbeitet und sich über Monate richtig reingehängt, sowohl beim Gesangs- als auch beim Tanzunterricht. Ich finde, das zeigt auch, wie sehr sie von diesem Projekt begeistert waren.
Warum haben Sie nicht in Frankreich gedreht?
Ich wollte auf keinen Fall in der Region Paris drehen, weil es mir sonst während der ganzen vier Monate so vorgekommen wäre, als ob ich jeden Morgen ins Büro gehen würde! Wenn man weit weg von zuhause ist, schafft das einfach ein größeres Wir-Gefühl unter den Beteiligten, und bei einem so langen Dreh war es ganz essenziell, dieses Gefühl aufrechtzuerhalten. Und man macht ja schließlich auch deswegen Filme, um einmalige Abenteuer zu erleben. Wir haben uns in vielen Ländern umgeschaut - in Spanien, in Deutschland, in Bulgarien, in Rumänien - und uns schließlich für Tschechien entschieden; von der Entfernung, der Qualität der Crew und von den Produktionskosten her war das für uns der ideale Standort. Wir haben 90 Prozent des Film in der Nähe von Prag gedreht und nur ein paar Straßenszenen in Paris.
Gab es bestimmte Szenen, bei denen Sie Angst hatten, dass sie sich nicht so wie geplant umsetzen lassen würden?
Mir grauste es vor allem vor den Szenen, in denen viele Handlungen parallel ablaufen, zu denen man keine Storyboards erstellen konnte, wie die erste Premiere im 'Chansonia'. Es kommt nichts Spektakuläres drin vor, aber trotzdem haben wir über drei Drehtage dafür gebraucht. Bei solchen langen Szenen, die aus vielen kleinen Einstellungen bestehen, die am Schluss alle zusammenpassen müssen, ist es extrem wichtig, dass man ständig den Überblick behält, was den Ablauf und die Dramaturgie betrifft. Paradoxerweise kam einem dagegen eine Szene wie die Gesangsnummer „Partir pour la mer“, die vom technischen Aufwand her viel schwieriger war, beim Drehen geradezu wie ein Spaziergang vor, weil alles bis ins kleinste Detail auf Storyboards festgehalten war. Diese Szenen sind immer Belastungsproben für die Nerven, was sich aber auszahlt, wenn man im Film dann das Ergebnis sieht.
(Interview/Fotos: © 2008 Constantin Film Verleih GmbH)
Film-Tipp:
Paris, Paris – Monsieur Pigoil auf dem Weg zum Glück
120 Minuten
Bewertung: @@@@@
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Kinostart: 27. November 2008
Im Verleih der Constantin Film
Darsteller
Gérard Jugnot
Clovis Cornillac
Kad Merad
Nora Arnezeder
Pierre Richard
Maxence Perrin
Regie
Christophe Barratier
Drehbuch
Christophe Barratier, Julien Rappeneau
nach einer Idee von
Frank Thomas, Jean-Michel Derenne, Reinhardt Wagner
Kamera
Tom Stern
Produzenten
Jacques Perrin, Nicolas Mauvernay
Ausführender Produzent
Romain Le Grand
Associate Producers
Christophe Barratier, Martin Moszkowicz, Christian Benoist