Till Hastreiters Film STATUS YO! erzählt in einem 24 Stunden Fenster sehr authentisch und in episodenhaften Roadmovie-Style, die Geschichten von jungendlichen HipHoppern, von kleinen Gangstern, von Liebe und den täglichen Problemen, alles in komödienhafter Art und Weise.
Ungewöhnlich, aber sehr überzeugend die Produktion des Filmes: Ohne Fernseh- sowie klassische Förderung hat das Team mit insgesamt über 126 Darstellern auf Super 16mm mit 2 Kameras gedreht und die gesamte Postproduktion in HD gefertigt, was sich bezahlt machte, denn STATUS YO! ist einer der bestrezensierten Filme der jüngsten Vergangenheit in Deutschland. Am 25.7. ist der Film erstmals in Österreich zu sehen, und zwar im Filmcasino Wien, in späterer Folge wird STATUS YO! auch im regulären Kinobetrieb zu sehen sein. Kulturwoche.at traf den Regisseur Till Hastreiter in Berlin zu einem anregenden Interview.
Till, wie bist du dazu gekommen, einen Film zu machen, der in der HipHop-Szene spielt?
Till Hastreiter: Zum einen war für mich HipHop in meiner Pubertät prägend, ich habe Mitte der 80er Jahre selber gebreakdanct und gescratcht.
In Jugendhäusern wurde das dann als Bewegung kultiviert
und hat sich subkulturell oft als Immigrantenkultur gehalten und ausgebreitet.
Außerdem wollte ich schon immer einen Generationsfilm
machen, da mich diese Filme in meiner Jugend begeistert haben. Als ich vor drei Jahren in Berlin zufällig wieder in Kontakt mit der Szene kam, habe ich gemerkt, dass sie unter der Oberfläche regelrecht explodiert ist. Berlin erfüllt die Parameter für die HipHop-Kultur perfekt. Es gibt viele sozial schwache Viertel mit vielerlei Integrations- und Zukunftsproblemen für junge Leute. Bei HipHop handelt es sich meiner Meinung nach um die einzige noch existierende richtige Jugendkultur - abgesehen von Skinheads vielleicht -, eine Kultur mit eigenen Regeln, Zielen, Sozialstruktur und Autoritäten, also einem richtigen Paralleluniversum.
T.H.: Das hat auch mit eigenen Jugenderfahrungen zu tun. Auch vor der Wende gab es in Westdeutschland eine ziemlich starke Skinhead-Szene. Die HipHop-Szene ist außer der Antifa die einzige, die aktiv zurückschlägt.
Die Kampfszene zwischen den beiden Gruppen ist in deinem Film stark ästhetisiert. Die scheinbar unterlegenen HipHopper können die Skins dank ihres Breakdance besiegen. In welchem Bezug steht zum Beispiel die Komik der benutzten Heimatmusik zu dem Ernst des Themas?
T.H.: Der Film ist grundsätzlich nicht für über Dreißigjährige gedacht,das war nie die Zielgruppe. Ich habe mir immer überlegt, wie etwas auf mich gewirkt hätte, wie ich es als junger Mensch empfunden hätte. Die Idee war, die Szene so zu ästhetisieren, dass man merkt, dass die HipHopper die Cooleren sind, während die martialische, brüllende Art
der Skins nicht einschüchtert, sondern eher hilflos wirkt. Das sind ja oft Spargelhanseln in Plusterjacken, dagegen sind gute Breakdancer richtige Tiere. Die bayrische Kabarettband 'Biermöslblasen' hat, wie ich finde coolerweise, auf ihren traditionellen Instrumenten einen Hip-Hop-Beat zu Hitlers Lieblingsmarsch geblasen. Ich wollte eine HipHop-Verarschung dieser Märsche und somit dieses Nationalkultes. Es handelt
sich dabei um eine aus der HipHop-Kultur kommende Art der Konfrontation.
Man haut mit seinem Lied, seinem Text, seinem Rap jemandem
symbolisch ein Brett vor den Kopf und sagt: "Du kannst nichts,
ich kann alles." Für junge Leute ist so eine Szene sofort als eine Battle-Ansage zu erkennen, und entsprechend ist die Szene konsequent alsBattle inszeniert.
Du hast vorher viele Werbefilme gemacht. Bei STATUS YO! herrscht eine ganz andere Ästhetik vor; hast du dennoch deine Erfahrungen als Werbefilmer verarbeitet?
T.H.: Ja, auf jeden Fall. Die Hauptfilmregel überhaupt ist, dass jede Geschichte ihren eigenen Stil fordert. Mein Hauptziel war es, ein authentisches Gefühl von Jugend wiederzugeben, eben ein 'generation movie' zu machen. Da kann ich nicht sagen, lauf mal hinten im Sonnenuntergang von links nach rechts, weil ich das stylish finde. Das wäre eine ästhetische Attitüde, die nichts mit der Geschichte und ihrem Erzählziel zu tun hat. Das Authentische muss sich auch in der Ästhetik wiederspiegeln, es hat also mit Absicht nichts von technischer Perfektion.
Wie hast du für den Film recherchiert?
T.H.: Ich habe mich mit der Gruppe, die ich für den Film ausgesucht habe, schon lange vor Drehbeginn beschäftigt. Die meisten Szenen basieren auf ihren persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen, in kleinen Teilen auch auf Dingen, die mir passiert sind. All das habe ich dramatisiert, damit es in eine Art dramaturgischen Rahmen passt, der irgendwie fürs Kino kompatibel ist. Ich nenne diese Technik dokumentierte
Fiktion - im Gegensatz zur fiktiven Dokumentation. Ich denke, man kommt den Menschen heute über den Umweg einer fiktiven Geschichte, die ihren Ursprung aber in der Realität hat, oft näher, als wenn man versuchen würde, eine Dokumentation zu drehen.
Wie hast du mit den Laiendarstellern gearbeitet?
T.H.: Um gute Ergebnisse zu erzielen, muss man den Ansatz des üblichen Filmemachens stark adaptieren. Wenn man als coole eitle Filmcrew auftritt, lässt einen niemand an sich ran, und alles wirkt verklemmt.
Man muss zusammen eine gemeinsame Motivation und für jeden Einzelnen eine Arbeitsweise finden.
Wie seid ihr bei der Umsetzung vorgegangen - wurde während des Drehens auch improvisiert?
T.H.: Ja, vieles war aber auch aufgeschrieben. Es gab notwendige dramaturgische Angelpunkte, an denen etwas Bestimmtes gesagt und gespielt werden musste. Diese Sequenzen sind natürlich stärker auf den Punkt inszeniert. Amateure wirken im Film oft wie im schlechten Schultheater, irgendwie ausgestellt. Dies zu vermeiden war das Arbeitsziel,
dem mussten sich von der Regie bis zum Kameramann alle unterordnen.
Wir wollten so nah an den Figuren sein wie möglich. So haben
wir zum Beispiel bei den Clubszenen die Filmbeleuchtung am Vortag unauffällig in die Clubbeleuchtung integriert und dann völlig ohne Klappe, Monitor, kernige Kommandos etc. gedreht. Wir hatten immer zwei Kameras. Ich kenne die Kameraleute schon seit der Filmschule, sehr gute Leute mit eigenen Regieerfahrungen. Wir haben jeweils den Sinn, das Gefühl und das Ziel einer Szene besprochen, uns auf die Bildsprache geeinigt; anschließend mussten sie sich der dynamischen
Szene intuitiv anpassen und oft auch als Bildregisseure arbeiten. Ich habe dem Darsteller Motivation und Ziel der jeweiligen Szene erklärt.
In einem Club haben wir zum Beispiel erst um vier Uhr nachts angefangen zu drehen - um diese Uhrzeit sind dann alle schon so in der Clubrealität, dass niemand plötzlich anfängt, hölzern zu schauspielern. Der 'Druck' der Realität verhindert das.
Die Figuren und ihre Namen sind real. Wie viel von ihren jeweiligen Geschichten ist ebenfalls real?
T.H.: Die meisten Geschichten haben eine reale Basis, es gibt aber auch welche, die komplett erfunden sind, bzw. Charaktere, in denen zwei reale Figuren vereint sind. Es gibt sogar ganze Figurenstränge, die wir zwar gedreht haben, die aber gar nicht mehr drin sind. Wenn beispielsweise jemand während der Dreharbeiten verhaftet wird, dann ist er eben weg, und ein Geschichtsstrang endet abrupt.
Was für eine Funktion hat der Musikclip, den du im MTV-Stil einsetzt, und warum an dieser Stelle?
T.H.: Es ist eine bewusste Brechung, so ein Musikvideo einzufügen. An dem Punkt, an dem der Clip kommt, sind alle Geschichten in einem Tief angelangt. Die Musik gibt ihnen wieder positiven Auftrieb. Wenn man im Leben irgendwelchen Ärger hat, dann gibt es immer noch die Welt der Musik, der Clubs. Diese Parallelwelt ist der Ort, an dem man
sich Selbstvertrauen und Respekt verschafft. Osama zum Beispiel ist einer der besten Breakdancer der Welt. Er ist das sechste oder siebte Kind einer Immigrantenfamilie und hatte wohl keine leichte Jugend. Das Breakdancen hat ihm sehr viel gegeben. Um so gut zu werden, muss man sehr diszipliniert an sich arbeiten. HipHop ist viel mehr als nur eine Mode, das ist eine Lebenseinstellung.
Gibt es Zitate in deinem Film?
T.H.: Ja, es gibt einige aus dem Old School HipHop, zum Beispiel aus dem Film Wild Style (Regie: Charlie Ahearn) von 1982. Der spielt in der New Yorker Szene mit damals noch unbekannten Leuten, die später alle groß wurden. Das war das erste Bildmaterial, in dem man Breakdance gesehen hat - und für mich der Auslöser für mein Interesse an HipHop. Grandmaster Flash zeigt in der Küche, wie man mit zwei
Turntables Musik macht, und wir haben versucht, das nachzumachen. Es gibt noch ein anderes Zitat aus Beat Street, einem anderen HipHop-Film, der später rauskam und schon kommerzialisierter war. Daher kommt die Geschichte mit dem weißen Zug, sie ist eins zu eins übernommen - eine Huldigung.
Dein Film endet mit einem Jam, der allerdings nicht als ein großes Ereignis eingesetzt wird, auf den der Film zuläuft. Stattdessen bricht der Film eher abrupt ab, so wie er auch unvermittelt beginnt. Gab es dennoch die Idee, mit Hilfe des Jams die unterschiedlichen Episodenstränge zusammenzuführen?
T.H.: Die Idee ist, am Schluss alle noch einmal zu zeigen, damit der Film nicht einfach aufhört. Dadurch, dass man nicht drei Akte, neunzig Minuten und zwei Personen hat, gibt es auch keine Auflösung am Schluss, in der alles kulminiert. Das Leben geht ja auch nach den vierundzwanzig Stunden noch weiter. Man würde viele der Geschichten vergewaltigen, wenn man sie unbedingt zu Ende erzählen wollte.
Sind die Kiezpaten, die die Jugendlichen verfolgen, auch reale Charaktere?
T.H.: Ja. Da sie ständig kiffen, haben sie auch Geldsorgen. Das ist ein Kreislauf von Problemen, und es gibt immer jemanden, der das abschöpft.
Es tut sich da eine ganz eigene Welt auf. Wir hatten Kontakt
zu Kreuzberger 'Mafialeuten'. Unsere türkischen Darsteller haben uns gesagt, dass wir uns lieber 'anmelden' sollten. Sonst wäre das Equipment weg oder es stellen sich ein paar vor die Kamera und verhindern das Drehen oder wollen Geld, damit sie abhauen. Wenn man dann den Namen vom 'Paten' kennt, hilft das. Es dauert natürlich lange, da reinzukommen. Man darf niemanden verprellen. Es sind ja auch gefährliche
Typen dabei. Einmal war ich in einem dritten Hinterhof, wo man
sonst nicht hinkommt, und da saßen dann zehn sehr dicke 'Herren', von denen jeder eine Knarre in der Lederjacke hatte. Man wird dort richtiggehend eingeführt - das ist schon surreal und ein Film für sich.
Aus so etwas entwickeln sich aber auch Projekte. Jetzt, wo wir da einen Zugang haben, gibt es viel Stoff für ein paar 'authentische' Geschichten.
Stellt die Autowaschanlage einen magischen Ort dar?
T.H.: Ja klar, die 'Kiezpaten' haben einen Cadillac und sitzen in der geloopten Waschstraße. Wie in einer holographischen Suite ein Ort, an dem man zum Beispiel nicht Jan, sondern der DJ Quest ist. Hier kann man sich vorstellen, was immer man möchte. Es ist ja ein großes Privileg der Jugend, dass sie in ihren Phantasien lebt. Die Waschstraße ist der Ort, wo das möglich ist.
Biofilmographie
Till Hastreiter wurde 1970 in Konstanz geboren. Wachstum, Pubertät, Scratcher, Breakdancer und Vespaschrauber, Experimentalfilme. Bis 1997 studierte er an den Filmhochschulen Prag (FAMU) und Budapest (SFF) Regie und Kamera. Seither arbeitet er als freischaffender Regisseur,
Kameramann, Cutter, Drehbuchautor und Produzent. Er führte in vielen Werbespots und/oder -kampagnen Regie. 1997 gründete er die Produktionsfirma 'gute filme switzerland'. STATUS YO! ist sein erster Spielfilm.
Filme (1996 bis 2000):
Soll man nicht … (Kurzfilm)
Der Tod (Kurzfilm)
Himmel und Hölle (Kurzfilm)
STATUS YO!
Deutschland /Schweiz, 2004, 120 min, Farbe
Regie: Till Hastreiter
Darsteller: Sera Finale, Yan Eq, Jamie, Pepi, Sässion, Yesim, DJ Quest, Codeak, Vern, Storm, 5 Amoks
Verleih: Die Telepaten Filmverleih
Kamera: Tamás Keményffy, Robert Ralston
Musik: Pflegerlounge, DJ b.side, krutsch u.a.