Adressierte Schüttelreime, ewiggültige Chansons, zwerchfellrüttelnder Elektro-Sound, hirndurchblutende Texte, augenerfrischende Visuals - das bot der Salon d'amour am 1.2.2019 im Magazin 4 in Bregenz.
Der Salon d'amour ist eine Institution!
Nicht nur in Vorarlberg, auch in Wien ergötzen Martin Gruber und Martin Oyster und ihre Gäste das Publikum. Salon d'amour ist regelmäßig rekordverdächtig ausverkauft - zu Recht. Aktuelle politische und soziale Themen greift der Salon d'amour auf, variiert sie satirisch-böse-anarchistisch-kunstvoll-frei. Dieses Mal drehte sich alles um den gesunden Schlaf.
Nie wieder Arbeit
Ö1-Stimme Alexander Tschernek referierte über das Recht auf Faulheit und lobte den Müßiggang. Grundlage dafür war nicht etwa das Manifest Das Recht auf Faulheit von Karl Marx' Schwiegersohn Paul Lafargue von 1880. Lafargue erklärt darin, dass der Kampf für das Recht auf Arbeit eine fehlgeleitete Kapitalismuskritik sei und vielmehr ein Kampf für das Recht auf Faulheit notwendig. Tschernek hingegen zitierte aus dem 1989 erschienenen fingierten Manifest "Nie wieder Arbeit" von Reinhard P. Gruber. Er rief als Anatol Schivkov beschwörend-betörend zum Umsturz auf und leitete auch eine Meditation - ein fixer Programmpunkt des Salon d'amour - mit dem Mantra "Arbeit ist die Tugend des Kollektivs. Faulheit ist die Macht des Individuums!"
Liebeserklärung an den Poller
Heidi Wimmer, literarische Szene-Wirtin aus Dornbirn, brillierte vor allem mit ihrer Liebeserklärung an den Poller, der ja sooo praktisch ist, zum Ausruhen, als Ablage für Weingläser, zum Festmachen des lieben Wau-Wau und natürlich auch als Gassi-Fokus. 42 davon stehen rund um den Ballhausplatz: Kostenpunkt knapp eine halbe Million Euro. Vielleicht wäre der Bau einer Mauer noch praktischer gewesen und Wirtin Wimmer hätte sich in diese Art der Gehsteiggestaltung verliebt. Für Parkour-Aktivitäten eignen sich beide, allerdings kann der Poller zusätzlich damit punkten, dass er versenkbar ist, was immer wieder zu lustigen Szenen beim Salon d'amour führt.
Die gefährlichste Stadt der Welt
Puneh Ansari, Autorin von poetischen Mikrotexten, berichtet über ihren brutalen Überlebenskampf in Wien, der bekanntlich gefährlichsten Stadt der Welt. Sie eroberte sofort das Salon d'amour Publikum mit ihrer fröhlich-depressiven Art des Lesens und ihren überraschende Wendungen nehmenden Texten. Sie inspiziert ganz genau, was sich in ihr und um sie herum abspielt und webt daraus feine, spitze und entblößende Wortspielereien. Ihr Buch Hoffnun‘ ist 2017 im Berliner Verlag mikrotext als E-Book und auf Papier erschienen.
Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da
Zum Konzept des Salon d'amour gehört immer Musik. Das entspannt das Hirn, freut die Ohren und ist auch ein Augenschmaus, wenn es sich um die Chansonière und Diseuse Lucy McEvil handelt. Thematisch passend interpretierte sie "Morgens bin ich immer müde" von Trude Herr, und in der Nachfolge von Gründgens und der Knef "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da". Als Besitzerin einer legendären Vagina dentata ist ihr nicht bange, wenn sie hochsinnlich mit Straps und Highheels die Damen und Herren im Publikum erotisiert. Dun Field Three wiederum sind drei Herren, die mit Bass, Keyboard, Schlagzeug und Gesang tief in die Eingeweide dringen und diese tüchtig durchwühlen. Das führt fast in Trance bei Songs wie "Fade to Grey" oder "Rosy". Noch dazu vor den wunderschönen radiographischen Visuals von Martin Ojster im Hintergrund.
Morgengespräch mit Basti
Conférencier Martin Gruber umrahmte nicht nur, sondern zeigte während des ganzen Abends, dass er nicht nur als Leiter und Regisseur des aktionstheater ensemble, sondern auch als Schauspieler und Texter hohe Qualitäten hat. Vor allem sein lautmalerisches Morgengespräch mit Basti lässt Tränen weinen vor Lachen. Na und, wer hat es gemeinsam mit ihm ermöglicht? Dramaturg Martin Ojster natürlich, der weiß, welche Zutaten in welchem Verhältnis einen so erfrischend-anarchistischen Mix abgeben. Der Salon d'amour ist immer unkonventionell, staubt das Hirn aus, ermöglicht politisch Korrekten freies Lachen und ‚mal richtig fein fies zu sein. Bei Gefühl von Ödnis unbedingt im Internet auf die Suche nach dem nächsten Termin in Vorarlberg oder Wien gehen! //
Text: Ruth Kanamüller
Fotos: Gerhard Breitwieser