Der Autor Benedict Thill bringt unter der Regie von Richard Schmetterer erneut ein zeitgenössisches Stück für Jugendliche in den Dschungel Wien und spricht dabei genau die zeitlosen Themen an, die Jugendliche wie auch Erwachsene gleichermaßen interessieren.
Wenn aus Freundschaft unweigerlich mehr wird
Oliver und Baliami (gespielt von Simon Kubiena und Josepha Andras) lernen sich im Kindesalter kennen und freunden sich sofort an. So beginnt die eigentlich perfekte Liebesgeschichte der Protagonisten, oder man denkt es zumindest. Verbunden damit erkennt man jedoch ebenso die ersten Probleme, die das Stück thematisieren will: Da Baliami aus dem Ausland kommt verbietet Olivers Mutter (Anna Zagler) ihm, mit Baliami zu spielen. Jedoch treffen sich die beiden trotzdem heimlich weiter, und aus Freundschaft wird unweigerlich irgendwann mehr. Durch Baliamis Umzug wird allerdings verhindert, dass die beiden sich näher kommen können. Stattdessen verlieren sie sich aus den Augen und treffen sich erst wieder, nachdem beide in einer anderen Beziehung sind. Unabhängig davon ist die Anziehungskraft zwischen ihnen aber immer noch die gleiche. Es ist eine Geschichte, wie man sie bereits aus allen möglichen Jugendbüchern oder Liebesfilmen kennt, meint man zu glauben. Dies ist jedoch ein großer Irrtum, da sich Bekanntes mit Unbekanntem mischt und es des Öfteren zu unerwarteten Wendungen kommt.
Gefühlslage Innenleben
Immer wieder wird, zur Gefühlslage der Protagonisten passende, Musik als erzählendes Stilmittel eingefügt, in welchen das Schauspielensemble kleinere Tanzelemente aufführen, oder dazu sprechen. Gleichzeitig bleibt aber auch Zeit, direkt vor dem Publikum die Bühne umzubauen und so auch zu verdeutlichen, dass während der Musik Jahre vergangen sind, oder bestimmte Handlungen sowie das Innenleben der Protagonisten selbst aufzuzeigen. Dass dies funktioniert ist ebenso den vielseitigen und wunderbaren Schauspielerinnen und Schauspielern, wie dem einfachen aber äußerst wandelbaren Bühnenbild geschuldet, denn Zweites wird, entsprechend zur jeweiligen Situation, durch Ersteres immer wieder zerstört und neu aufgebaut. Jedes Element des Bühnenbildes wird dafür verwendet, die inszenierte Geschichte so gut es geht zu erzählen. So wird von Oliver in einer Szene beispielsweise der Vorhang zur Seite gerissen, der im Hintergrund der Bühne zu sehen ist und hinter dem sich Baliami versteckt, nachdem diese nicht sagen will, was sie beschäftigt. Auf diese Weise wird die kahle weiße Wand dahinter entblößt, die gleichbedeutend mit Baliamis Innenleben verknüpft werden kann.
Stilmittel Erzählstimmen
Ein weiteres Stilmittel sind die Erzählstimmen der Protagonisten, die die Inszenierung um eine, gerade im Theater für junges Publikum, wichtige Ebene unglaublich bereichern. Denn diese beschreiben, ähnlich wie in einem Buch, was in den Köpfen der Protagonisten vorgeht, oder sie helfen dem Publikum klar zu machen, was gerade auf der Bühne passiert, wie etwas in der Geschichte dargestellt werden soll, ob sich etwas gut oder schlecht anfühlt und ähnliches.
Dramenüberflutung
Das Stück wird mit einem Alter von 14+ betitelt und das zu Recht. So wie die Protagonisten, ist auch die Zielgruppe des Stückes genau in einem Alter in welchem sie vielleicht ähnliches durchlaufen, und eine Achterbahn der Gefühle erleben. Die vielen Themen die der Autor Benedict Thill ansprechen will, wie Rassismus, Pubertät, häusliche Gewalt, Drogenkonsum, Übergewicht, Mobbing, Liebe, das erste Mal, Schwangerschaft, Tod etc., sind mal deutlicher und mal unterschwelliger anzutreffen und ergeben einen guten Mix durch welchen die Spannung immer weiter gesteigert wird. Trotz allem werden die Protagonisten des Stückes mit Dramen regelrecht überflutet, wodurch mit dem Ansteigen der Spannung gleichzeitig die Authentizität sinkt.
Unrealistischer Realismus
Obwohl Thill versucht die dramatische Liebesgeschichte einfühlsam und realistisch zu erzählen, wird gerade dieser Realismus manchmal durchbrochen und man fragt sich, ob Jugendliche mit 12 Jahren tatsächlich Gras Zuhause haben, Pilze rauchen oder sich bis ins kleinste Detail überlegen, wie sie möglichst brutal ihren häuslich gewalttätigen Vater umbringen könnten. Trotz allem ist "Baliami - Eine Liebesgeschichte" ein zeitloses Stück, das nicht einfach 'nur' eine Liebesgeschichte ist, sondern noch viel mehr. //
Text: Kerstin Pernegg
Fotos: Rainer Berson
Baliami - Eine Liebesgeschichte
Bewertung: @@@@
Altersempfehlung: 14+
Kritik zur Aufführungsreihe, die im Frühjahr 2017 im Dschungel Wien zu sehen war
Autor: Benedict Thill
Regie: Richard Schmetterer
Ausstattung: Karoline Hogl
Licht: Hannes Röbisch
Regieassistenz: Iris Schmid
Es spielen: Josepha Andras, Max Kolodej, Simon Kubiena, Anna Zagler