Dem wundervollen, poetischen Kunstmärchen von Hans Christian Andersen folgend wird in dieser Produktion versucht, Tanz mit Schauspiel genreübergreifend und ein typisches Märchen für Erwachsene auch für Kleinere, also generationenübergreifend, zu inszenieren. Ob das klappt?
Wir erleben eine Geschichte der besten Freunde Gerda und Kay, deren nahe Beziehung durch eine Entfremdung und märchenhafte Entführung Kays zur Schneekönigin auf eine harte Probe gestellt wird. Gerda will nicht hinnehmen, dass ihr bester Freund auf einmal nichts mehr von ihr wissen will und schon gar nicht akzeptieren, dass er von einem Tag auf den anderen verschwunden ist. So beginnt die klassische Märchenreise.
Getanzt und erzählt im kalten Bann der Königin
In einer einfachen, aber oft stimmungsvollen Bühnenlandschaft (bei der immer wieder spektakulär Dinge vom Himmel fallen) aus vereisten Scheiben, Blumen-Darts, einem Rentier am Gummizug, eine - die Kinder hörbar begeisternde - Sternennacht, ein schlichtes, witziges Königsgemach und einem spektakulären, allerdings leicht verstörenden Schneesturm, versucht Gerda, den Kampf gegen die Widrigkeiten (oft als widerborstige bis feindselige getanzte Schneeflocken) aufzunehmen und sich nicht beirren zu lassen in ihrem festen Glauben, ihren Freund wieder zu bekommen.
Andersen für Kinder?
Die von der Regie intendierten Leitthemen von Loyalität und Durchsetzungskraft liegen allerdings in ihrer Bearbeitung teilweise weit über dem empfohlenen Mindestalter von sechs Jahren. Dort, wo die Geschichte intensiv theatral aufgelöst wird, mit wenig Text und viel Dramatik, funktioniert sie am besten. Zum Beispiel beim zauberhaft intensiven und witzigen Tanz des Rabenpärchens, in der stimmungsvollen Sternennacht und bei der vertikalen Bettszene im Schloss. Hier kommen wunderbare Bilder zustande, auch die jungen ZuseherInnen sind gepackt dabei und können sicht- und hörbar genießen.
Zu viel und zu kompliziert für Sechsjährige
Dazwischen gibt es aber immer wieder Szenen, in denen sehr viel Text ziemlich spartanisch erzählt wird, und das in der - für Erwachsene wunderbaren, für Kleinkinder weit über ihre Fassbarkeitsschwelle liegenden - Komplexität der Poesie Andersens. Hier steigen viele im jungen Publikum aus, auch trägt die zum Teil mangelhafte Verständlichkeit der geschliffenen Texte nicht zu einer intensiveren Befassung damit bei. Um es klar zu sagen: dieser Text ist zu viel und zu kompliziert für Sechsjährige.
Verschmelzung der Genres klappt nur selten
Im Schauspiel liefert die Hauptdarstellerin der Gerda (Anna Lisa Grebe) eine überzeugende Leistung ab, körperlich mit vollem Einsatz, glaubwürdig kindlich lebhaft und sprachlich präzis. Die Verschmelzung der Genres klappt nur selten, oft leben Tanz und Erzählung eher nebeneinander her. Und nicht zuletzt ist für die Altersgruppe die Dauer von siebzig Minuten, angereichert mit viel Text, deutlich über ihrer Konzentrationsfähigkeit, was sich im Saal auch bemerkbar gemacht hat. Hier hätten ein paar einschneidende Kürzungen dem Stück und der Gesamtdarstellung gut getan.
Gefällt mehr den Großen
Hier wurde im Versuch, ein Stück für Kinder und Erwachsene gleichermaßen ansprechend zu gestalten etwas zu sehr auf die Erwachsenen und auf den Text geschielt, dem sinnlichen Theater für jüngere Zuschauer etwas zu wenig Raum gegeben. Andersen, der große, berührende Märchenzauberer gefällt auch hier mehr den Großen. (Text: Tristan Jorde; Fotos: Ani Antonova)
Kurz-Infos:
Die Schneekönigin
Altersempfehlung 6+
Bewertung: @@@@
Nach Hans Christian Andersen
Kritik zur Premiere am 28. November 2014
Dschungel Wien
Regie: Julia Burger
Ausstattung: Sabine Ebner
Fassung von Julia Burger und Meike Sasse
DarstellerInnen: Anna Lisa Grebe, Rino Indiono, Steffi Jöris, Maartje Pasman, Steve Schmidt, Aleksandra Corovic