Schulgeschichten am Rande des Wahnsinns verspricht der Programmtext zum Theaterstück Schüler, die auf Lehrer starren, das im Dschungel Wien über die Bühne ging, und das ist nur die halbe Wahrheit.
In dem Stück von Benedict Thill, das eigentlich eine lockere Episodenfolge ist und das gemeinsam mit der Regisseurin Corinne Eckenstein entwickelt wurde, geht es nach einem eher gedankenkomplexen Einstieg - SchauspielerInnen spielen LehrerInnen, die im Auftrag von SchülerInnen eben SchülerInnen und auch LehrerInnen spielen - heftig zur Sache. Die konstruierte Rahmenhandlung führt zu den 7. LehrerInnenspielen, in denen zum besseren Austausch im Schulklima LehrerInnen Szenen proben, die sie im Auftrag der Schülerschaft vor eben dieser zum besten geben sollen.
Bücherblock und Lustertentakel
Das ganze findet in einem schlichten, wie klug-eindrucksvollen Bühnenbild von Andreas Pamperl statt, der die witzige Idee der Bücherregale als universale Versatzstücke für einen Raum mit markierter "Spiel im Spiel"-Fläche nutzt. Beleuchtet wird sie von einem riesigen, glänzend verzweigten metallischen Lustertentakel, das genauso Operationslicht wie Techno Monster sein könnte. Richtig gut. Die Kostüme von Ulli Nö - farbenfroh und vielerlei Charakter ausstrahlend - sowie die Eingangsszene, in der sich ein durchaus buntes Sammelsurium von pädagogischem Personal in seiner typischen wie aber etwas vorhersehbaren Ausprägung an die Proben heranwagt, tragen zum spannenden Ersteindruck bei. Danach werden Stück für Stück immer grellere, absurdere und heftigere Auswüchse des Schulirrsinns gezeigt. Von Überstrenge zur Überkreativität und Zwangsbeglückung mit allen möglichen gewünschten wie weniger gewünschten Themen. Es festigt sich mit fortschreitender Stückdauer der Eindruck, Schule bestünde nur aus ausgezuckten, gewaltbereiten, pädagogischen VersagerInnen.
Geisterbahn Schulhaus
Und hier sind wir bei einer Schwäche dieser Aufführung. Es ist oft sehr laut, sehr grell, sehr einhämmernd, die Sehnsucht nach ruhigeren, berührenden Passagen ist groß. Da, wo sie geboten werden, wie etwa bei der in ihrer Fremdheit zurückgezogenen wortkarg-aggressiven Schülerin, bei dem sich nicht in die Klasse wagenden Schüler, beim betretenen Abgang aus einer aus dem Ruder gelaufenen Probe mit Schlägerei, da wird klar, dass Zwischentöne möglich sind, notwendig sind, hilfreich sind, um das Trommelfeuer der bizarren Tobsuchtsanfälle gut empfangen zu können. In dieser - athletisch und körperlich beeindruckenden - Darstellung des Ensembles gehen leider oft größere Teile des Textes verloren, was auch an den heftig reagierenden jungen Zuschauenden gelegen sein mag, aber durchaus auch an dem Tribut, der dem intensiven Dauereinsatz ensembleseitig gezollt werden musste.
Bitte nicht so laut!
Es ist zu viel Text in dem Stück, Text, der keinen Platz findet in all der Aktion, aber der auch an Stellen, wo er stärker zutage tritt, gleichsam ein ununterbrochenes Stakkato an allen scheinbar so zentralen Themen - vom Irakkrieg bis zum Schulmassaker herunterkalauern lässt, so dass eine tiefere Befassung mit dem Gebotenen zumindest nicht ganz einfach ist. Irgendwie befällt einen der Eindruck, es musste "alles" rein. Sex and drugs and shooting down. Gleichzeitig fehlten zentrale Schulthemen, zum Beispiel seien die "faden" LehrerInnen genannt, die es schaffen, selbst den aufgewecktesten Kindern den Spaß am Lernen zu stehlen.
In der Ruhe liegt die Kraft
Es gibt dabei aber Szenen, die unglaublich schön und tiefgehend sind - wie auch die grandios in Szene gesetzte Schlussverwandlung samt Bücherdomino, in der die Regisseurin ihr großes Gefühl für berührende Dramatik beweist und das Ensemble einfach toll spielt. Mehr von diesen und etwas weniger vom dauerlauten Trommelfeuer: die mutmaßlich intendierte Konfliktmaschine Schule wäre uns zweifellos näher gekommen. Die SchauspielerInnen agieren körperlich intensiv und mit letztem Einsatz. Sprachlich können sie nur teilweise überzeugen, am ehesten in den ruhigen Passagen. Eine Fülle von schönen, dramatischen Bildern, fulminant choreographierte Bewegungstableaus, jede Menge Witz, fetzige Musik. Das jugendliche Publikum war hörbar keine Sekunde gelangweilt und mit heftigen Beifalls- und Unmutsäußerungen dabei. Schule als Irrenanstalt. Etwas zu viel laute Schablone. (Text: Tristan Jorde; Fotos: Rainer Berson)
Kurz-Infos:
Schüler, die auf Lehrer starren
Altersempfehlung 12+
Bewertung: @@@@
Kritik zur Aufführung am 27.10.2014
Theater Foxfire @ Dschungel Wien
Uraufführung, Autor: Benedict Thill
Regie, Konzept: Corinne Eckenstein
Bühne, Licht: Andreas Pamperl
Kostüm: Ulli Nö
Musik: Sue-Alice Okukubo
Produktion: Alexandra Hutter